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„Auf die D-Mark konnte man sich verlassen“

Bundesbanker Johannes Beermann feiert 70 Jahre Währungsreform und erinnert sich an alte Zeiten – auch als ehemaliger Chef der Sächsischen Staatskanzlei.

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© ronaldbonss.com

Seit zwei Wochen dreht sich in Sachsens Finanzministerium in Dresden alles ums Geld. Das ist wenig überraschend, eher die Tatsache, dass Besucher sogar Geld mit heim nehmen können – allerdings geschreddert. Die Ausstellung „Unser Geld – eine Zeitreise“ führt sie durch deutsche und europäische Währungsgeschichte: mit historischen Banknoten und Münzen aus Ost- und Westdeutschland. „Vor 70 Jahren wurde die D-Mark in der alten Bundesrepublik eingeführt. 42 Jahre später wurde sie Währung des wiedervereinigten Deutschlands und nochmals neun Jahre danach war sie Modell für den Euro“, sagt Johannes Beermann (57), Vorstand der Deutschen Bundesbank. Sein Ausstellungsbesuch ist auch für ihn eine Zeitreise. 2008–2014 war er vis-à-vis im Kabinett Tillich Chef der Staatskanzlei.

In der Ausstellung „Geld – eine Zeitreise“ im Lichthof des Sächsischen Staatsministeriums der Finanzen sind einige D-Mark-Raritäten zu finden. Fotos (2): Ronald Bonss
In der Ausstellung „Geld – eine Zeitreise“ im Lichthof des Sächsischen Staatsministeriums der Finanzen sind einige D-Mark-Raritäten zu finden. Fotos (2): Ronald Bonss © Ronald Bonß

Herr Beermann, erwischen Sie sich als Bundesbanker noch ab und zu dabei, dass Sie Preise in D-Mark umrechnen?

Schon lange nicht mehr, aber früher habe ich das gemacht. Ich hatte den Umtauschkurs von 1,95583 D-Mark für einen Euro auch schon fast vergessen.

Die meisten, die in die kleine Ausstellung kommen, haben ihn sicher auch nicht parat. Was ist deren Botschaft?

Sie erleben die sehr gute Aufbereitung eines komplexen Themas und eine Zeitreise durch sieben Jahrzehnte. Sie sehen zum Beispiel die ersten Banknoten der Deutschen Mark, die in den USA gedruckt und in einer Geheimaktion in Holzkisten nach Bremerhaven verschifft wurden. Die Fünf-Mark-Note der „Bank deutscher Länder“ mit einer unbekleideten Dame war schon besonders in Zeiten des Skandalfilms „Die Sünderin“ mit Hildegard Knef.

Im Film geht es um Verführung, Liebe, Blindheit, Tod – alles Vokabeln, die manchem auch zum Geld einfallen.

Was an der Banknote viel bemerkenswerter ist: Die freizügige Dame auf dem Stier stellt „Europa“ dar, in der griechischen Mythologie eine Geliebte des Zeus. Also schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg fand sich der Europa-Gedanke auf einem Geldschein wieder.

Die Präsentation birgt durchaus Brisanz. Schließlich war die Währungsreform 1948 in den Westzonen und Westberlin Auftakt zur deutschen Teilung.

Währungen und Währungsreformen haben immer etwas mit Staatlichkeit zu tun. Es gab schon 1946/47 Diskussionen – auch mit der damaligen Sowjetunion. Die Siegermächte hatten versucht, für alle vier Besatzungszonen eine gemeinsame Währung zu schaffen. Die Sowjets waren dieser Idee, trotz ihrer Planwirtschaft, zunächst nicht abgeneigt. Es war letztlich ein Verhandlungspoker, bei dem vor allem die Briten ihr eigenes Interesse verfolgten und ein zentrales Notenbanksystem befürworteten. Die Amerikaner plädierten für einen regional organisierten Verbund, ähnlich dem Fed-System.

Die D-Mark stürzte Ostdeutschland in eine tiefe Krise. Inflation und Blockade von Westberlin waren die Folge.

Natürlich löste das im Osten Probleme aus. In den ersten Wochen nach der eigenen Währungsreform am 23. Juni wurden dort Reichsmark-Scheine mit Wertmarken beklebt. Wären die Sowjets die Ersten gewesen, hätte der Westen dieses Problem gehabt. Für das folgende westdeutsche Wirtschaftswunder war die Einführung einer freien Währung existenziell.

Warum?

Als es die neue Währung gab, waren die Leute wieder bereit, Waren zu produzieren und Überstunden zu machen, um mehr Geld zu verdienen. Man brauchte zum Beispiel keine Zigaretten mehr als Ersatzwährung, wie es sie in der DDR bis zum Schluss gab.

Wer dort in Anzeigen Rares mit „blauen Fliesen“ bezahlen wollte, lockte tatsächlich mit dem West-Hunderter.

Dies galt bis zur deutsch-deutschen Währungsunion 1990. Dann durften DDR-Bürger nach Alter gestaffelt 2 000, 4 000 oder 6 000 Ost-Mark 1:1 und den Rest 1:2 umtauschen. Löhne, Gehälter, Mieten wurden 1:1 umgestellt. Diese Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion kann wiederum als Vorläufer zur deutschen Wiedervereinigung betrachtet werden.

Am Ende hatte die D-Mark noch ein Viertel ihres Wertes. Dennoch hält sich die Mär von der harten D-Mark. Woher kommt diese Nostalgie?

Langfristig führen selbst niedrige Inflationsraten dazu, dass eine Währung stärker an Wert verliert. Dies ist ein völlig natürlicher Prozess. Dennoch ist die D-Mark zu Recht zum Symbol für Wohlstand geworden – und Ausdruck, dass man mit Fleiß, Ideen und Gestaltungskraft wirtschaftlich etwas erreichen kann. Die D-Mark hat auch einen Freiheitsaspekt. Auf diese Währung konnte man sich verlassen. Deshalb hatten die Leute zu Recht Vertrauen in die D-Mark – wie heute in den Euro.

Den Kritiker vor allem von rechts Teuro nennen. Sie wollen die D-Mark zurück.

Schon meine Großmutter pflegte zu sagen, alles würde immer teurer werden. Die Menschen neigen dazu, die tatsächlichen Inflationsraten zu überschätzen. Das ist rein subjektiv. In den letzten zehn Jahren der D-Mark hatten wir eine durchschnittliche Inflationsrate von etwa zwei Prozent. Für den Euro haben wir seit seiner Einführung eine durchschnittliche Inflationsrate von 1,4 Prozent verzeichnet, dies auch vor dem Hintergrund eines weltweiten Trends sinkender Inflationsraten.

Muss man sich etwa mit Blick auf Italien nicht Sorgen machen um den Euro? Dort heißt es, er sei „ein deutscher Käfig“ und er nutze nur den Deutschen.

Die Politik hat großen Gestaltungsspielraum. Wir sind gut beraten, noch mal auf die Regeln der Wirtschafts- und Währungsunion zu verweisen. Der Euro ist die Währung, die sich schnell, konsequent und sehr robust als Nummer zwei in der Welt positioniert hat – aufgrund einer gemeinsamen Entscheidung der europäischen Staaten. Und angesichts der Aspiranten aus Osteuropa sieht man, dass der Euro schon einen Wert an sich hat.

Wie viel D-Mark sind noch im Umlauf?

5,91 Milliarden D-Mark in Banknoten und 6,69 Milliarden D-Mark als Münzen.

Da ist wohl auch einiges aus Banküberfällen dabei, das nie mehr auftaucht.

Über den Verbleib der restlichen D-Mark-Banknoten und -Münzen können wir nur spekulieren. Ein nicht unerheblicher Teil der D-Mark ist ins Ausland abgeflossen und wurde dort als Parallelwährung verwendet, etwa in den Staaten des ehemaligen Jugoslawiens. Aber ein Großteil des Geldes wird unwiederbringlich verloren gegangen sein. So hat sicherlich mancher über die Jahre vergessen, wo er sein Erspartes versteckt hat. Sollten die Geldscheine und Münzen überraschenderweise wieder auftauchen, können solche Funde in den Filialen der Bundesbank auf unbestimmte Zeit und kostenfrei in Euro getauscht werden.

In Dresden aber nicht mehr. Dort haben sie ihre Filiale 2015 geschlossen.

Ja, aber die Niederlassungen in Leipzig und Chemnitz stehen weiter zur Verfügung. Selbst per Post ist ein Umtausch möglich.

Ihr Wechsel von der Politik zur Bank 2015 hatte Staub aufgewirbelt. Sie wurden „Mann fürs Grobe“ und „Strippenzieher“ genannt.

Es war die Sächsische Zeitung, die das behauptet hat. Ihre Einschätzung mache ich mir nicht zu eigen.

Sie sind jetzt seit drei Jahren bei der Bundesbank. Wie halten Sie Bundesbankchef Weidmann den Rücken frei?

Der Vorstand der Bundesbank ist ein Kollegialorgan, das heißt, wir sind grundsätzlich gleichberechtigt. Jedes Vorstandsmitglied hat fest zugewiesene Aufgaben. Meine Aufgabenbereiche sind zurzeit Verwaltung und Bau, Personal, Vergabewesen, Controlling, Zahlungsverkehr und Bargeld. Das ist nicht mal ansatzweise vergleichbar mit meiner vorherigen Tätigkeit.

Der Vorstand hat gegenwärtig zwei unbesetzte Posten.

Burkhard Balz wird am 1. September einen Platz einnehmen.

... und im Gegenzug zum CDU-Europaparlamentarier soll, wie man hört, SPD-Finanzminister Olaf Scholz den letzten Platz mit einer Genossin besetzen.

Das müssen Sie Bundesfinanzminister Scholz fragen. Es ist nicht tunlich, sich aus der Institution heraus mit solchen Fragen auseinanderzusetzen. Die Regelung ist klar: Die Bundesregierung schlägt vor und die Bestellung erfolgt durch den Bundespräsidenten.

Man hat schon den Eindruck von Politschacher – siehe auch das Gezerre bei der Besetzung des Präsidentenamts im ostdeutschen Sparkassenverband zwischen Leipzigs SPD-Oberbürgermeister Jung und Bautzens CDU-Landrat Harig.

Zum Sparkassenverband äußere ich mich nicht. Bei uns ist das Prozedere klar geregelt. Wir sind eine Behörde und haben Vorstandsmitglieder etwa mit politischer, wissenschaftlicher oder behördlicher Erfahrung. Die meisten von uns haben auch eine fachliche Verbundenheit mit den Aufgaben der Bundesbank. Burkhard Balz wurde von Bremen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt nominiert. Da erkenne ich keinen parteipolitischen Proporz.

In Ihrem Wikipedia-Eintrag steht: „Er lebt in Berlin und Dresden.“

Dresden stimmt leider nicht mehr. Es war aber eine wunderschöne Zeit dort. Und wenn ich ab und zu in Dresden bin, kommt schon Wehmut auf.

Das Gespräch führte Michael Rothe.

Die Ausstellung „Unser Geld“ im Lichthof des Finanzministeriums ist bis zum 3. Juli montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr öffentlich zugänglich. Der Eintritt ist frei.