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Auf der Suche nach Rekordbäumen

Rudolf Schröder hat bei seinen Wanderungen immer ein Maßband dabei. Warum, das verrät er im SZ-Gespräch.

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© Egbert Kamprath

Rudolf Schröder geht mit wachen Augen durch die Landschaft. Der Dresdner sucht außergewöhnliche Bäume. Entdeckt er einen, holt er sein Maßband aus dem Rucksack und misst den Baum aus. Danach fotografiert er ihn und macht sich Notizen. Seine Liebe zu Bäumen und Sträuchern kommt nicht von ungefähr. Rudolf Schröder ist nicht nur gelernter Gärtner und studierter Gartenbauingenieur. 23 Jahre arbeitete er als Technischer Leiter des Botanischen Gartens Dresden. Nun ist er 81 Jahre alt und Rentner. Ehrenamtlich arbeitet er im Landesverein Sächsischer Heimatschutz und in der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft. Und in diesem Rahmen sammelt er auch die Daten zu außergewöhnlichen Bäumen und Sträuchern. Für die SZ war das ein Anlass, ein Interview mit dem Baumexperten zu führen.

Deutschlands größte Amerik. Kastanie (Umfang 2,53 m) hat Tharandt.
Deutschlands größte Amerik. Kastanie (Umfang 2,53 m) hat Tharandt.
Sachsens größte bisher entdeckte Kaukasus-Tanne steht unweit der Klingenberger Kirche. Ihr Stamm hat einen Umfang von 2,43 Meter. Fotos: Rudolf Schröder
Sachsens größte bisher entdeckte Kaukasus-Tanne steht unweit der Klingenberger Kirche. Ihr Stamm hat einen Umfang von 2,43 Meter. Fotos: Rudolf Schröder
Diese Rot-Buche (Umfang: 6,90 Meter) steht in Fürstenau. Sie ist die zweitstärkste bisher bekannte Rot-Buche Sachsens.
Diese Rot-Buche (Umfang: 6,90 Meter) steht in Fürstenau. Sie ist die zweitstärkste bisher bekannte Rot-Buche Sachsens.

Herr Schröder, wann haben Sie Ihren vorerst letzten Rekordbaum entdeckt?

Das war vor ein paar Tagen im Forstbotanischen Garten Tharandt. Dort steht im neuen Nordamerika-Quartier eine Weidenart, für die es noch keinen deutschen Namen gibt. Der Strauch mit der lateinischen Bezeichnung Salix scouleriana hat einen Umfang von 20 Zentimetern erreicht und damit die untere Erfassungsgrenze, ein größerer ist uns in Deutschland nicht bekannt.

Woher wissen Sie das?

2011 wurde in Deutschland damit begonnen, Rekordbäume zu erfassen. Seither sind im Bundesgebiet Leute wie ich unterwegs, die sich Bäume, aber auch Sträucher genauer anschauen. Da wir das Alter der Bäume schlecht schätzen können, haben wir den Stammumfang als Vergleichsmerkmal gewählt. Er wird in einer festgelegten Höhe von 1,30 Meter gemessen. Außerdem messen wir den Kronendurchmesser und schätzen die Höhe. Diese Daten werden im Internet in eine Tabelle eingepflegt. So bekommen wir nach und nach einen Überblick, wo in Deutschland, aber auch in Sachsen die Rekordbäume stehen.

Wofür ist das gut?

Dafür gibt es mehrere Gründe: Zum einen sind alte, stattliche Bäume schützenswert. Schon die alten Germanen und Slawen, die hier lebten, haben sie hoch geachtet. Der Platz vor dem großen Baum in der Mitte des Dorfes war oft der Versammlungsplatz, hier wurde auch Recht gesprochen. In einigen Dörfern ist das auch überliefert wie zum Beispiel vom Wermsdorfer Ortsteil Collm. Deshalb ist die Collmer Linde ein über Collm hinaus bekannter Baum. Mit der Erfassung der Rekordbäume verfolgen wir aber noch einen anderen Zweck. Wir wollen wissen, wie sich die Bäume entwickeln, und daraus Hinweise ableiten, um Fehler bei Neupflanzungen zu vermeiden.

Wie oft sind Sie im Osterzgebirge unterwegs, um Rekordbäume zu finden?

In den letzten Wochen war ich hier ganz oft unterwegs, weil mich die Grüne Liga zu einem Vortrag dazu eingeladen hatte. Da wollte ich gut vorbereitet sein. Natürlich habe ich mir vor allem die Naturdenkmale angesehen, von denen auch einige Rekordbäume sind.

Welcher Baum hat Ihnen am besten gefallen?

Ein Wild-Apfelbaum bei Cunnersdorf. Nach unserem Wissen ist er der größte und wohl älteste in Deutschland. Bis vor Kurzem hielt ein Baum aus Mecklenburg-Vorpommern diesen Rekord. Doch der ist zusammengebrochen. Deshalb liegt nun der Cunnersdorfer Baum vorn. Er ist schätzungsweise 180 Jahre alt, 13 Meter hoch, hat einem Stammumfang von 3,20 Meter und eine wunderschöne Krone. Ich habe Hochachtung vor dem Baum, weil er viele Wetterunbilden überstanden hat – ganz ohne den Schutz anderer Bäume, da er allein auf einem Feld steht. Und ich danke den Vorfahren der Bauern, die das Feld drum herum bewirtschaftet haben. Sie waren umsichtig und haben dem Baum das Überleben gesichert. Ich wünsche, dass der heute hier tätige Bauer auch so umsichtig bleibt und Flächen unmittelbar unter dem Baum nicht bewirtschaftet, um die Wurzeln nicht zu beschädigen. Leider ist das in jüngster Vergangenheit geschehen.

Gibt es noch mehr Rekordbäume in der Weißeritzregion?

Es gibt noch mehr, die jedenfalls für Sachsen die Größten sind. In Freital-Hainsberg steht die größte Rot-Buche, am Forsthaus in Bärenfels die größte Colorado-Tanne und auf einem Privatgrundstück unweit des Klingenberger Kirchhofes die größte Kaukasus-Tanne. Allerdings gebe ich zu bedenken, dass es durchaus noch größere Bäume und Sträucher geben kann, die uns noch nicht bekannt sind, deshalb sind wir für Tipps aufmerksamer Bürger immer sehr dankbar.

Was ist Ihnen in der Weißeritzregion noch aufgefallen?

Ich habe mich geärgert, dass viele Bäume ihren Status als Naturdenkmal und damit ihren besonderen Schutz verloren haben. Dazu gehören unter anderen die drei Stiel-Eichen an der Höckendorfer Kirche, eine Linde, die am Ortseingang von Reinhardtsgrimma steht, sowie die Limbacher Esche. Ich kann zwar verstehen, dass die hauptamtlichen Naturschützer nicht alles das leisten können, was von ihnen erwartet wird. Doch das darf kein Grund sein, diese Bäume von der Liste der Naturdenkmale zu streichen. Immerhin gibt es auch noch uns ehrenamtliche Helfer. Und ich begrüße ausdrücklich die Idee, jedem schützenswerten Baum einen Paten zu geben. Der soll den Baum nicht rund um die Uhr bewachen, aber immer wieder nach dem Rechten schauen. Denn alte Bäume haben unsere Hochachtung verdient.

Noch ein Wort zu den Rekordbäumen, die Sie und andere Ehrenamtler in Sachsens Wäldern vermessen. Bleibt es dabei, dass die Daten nur im Internet veröffentlicht werden?

Ich hoffe nicht. Es gibt Überlegungen, ein Buch zu veröffentlichen. In England, wo man schon seit Jahren Rekordbäume erfasst, gibt es so etwas schon.

Das Gespräch führte Maik Brückner.