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Auf der Suche nach dem geheimen Gang

Der Kalbenhof bei Langenhennersdorf ist abgerissen und damit ein Stück Geschichte. Nur der alte Brunnen bleibt.

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Von Heike Sabel

Langenhennersdorf. Einsam und entlegen, das sind die besten Voraussetzungen für Idylle – oder Vandalismus. Das Vorwerk, auch Kalbenhof genannt, am Ebschenweg zwischen Langenhennersdorf und Bahra ist Letzterem zum Opfer gefallen. Verschließen und Sichern von Türen und Fenstern auf dem Grundstück mitten im Feld hatten nichts geholfen, sodass der Pächter, die Agrargenossenschaft Sadisdorf, den Abriss veranlasste. Der Eigentümer, Georg Dammann aus Nordrhein-Westfalen, hatte offenbar nichts dagegen. Doch wenn nun der Schutt und die Überreste weggeräumt sind, ist auch ein Stück Geschichte verschwunden.

Die Entstehung des Vorwerks Johannishof oder eben Kalbenhof ist nicht geklärt. Der Name Johannishof wird mit dem von Böhmen aus kolonisierenden Johanniterorden in Verbindung gebracht. Das heißt, die Entstehung des Gutes würde bis in die mittelalterliche Landnahme zurückreichen, sagt Ortschronistin Marlies Wolf. Es soll als Männerkloster die erste Ansiedlung von Langenhennersdorf gewesen sein. 1675 wurde es erstmals erwähnt, 1752 kirchenmäßig Langenhennersdorf zugeordnet. Noch um 1840 war der Johannishof zur Versorgung der Messpriester von Langenhennersdorf verpflichtet, schreiben Annemarie und Siegfried Fischer in „Geschichte von Bad Gottleuba-Berggießhübel“.

Der Gebäudekomplex bestand aus einem alten Wohnhaus, einem Stall mit Melkanlagen und einer Scheune. Die Scheune wurde schon eher abgerissen. In dem Wohnhaus waren nach dem Zweiten Weltkrieg Umsiedlerfamilien untergebracht und dort lebte später im Sommer einsam der Melkermeister. Viele Jahre gingen die Lehrlinge der Langenhennersdorfer Landwirtschafts-Berufsschule viermal am Tag zum Melken in den Kalbenhof. Später waren hier die Kühe der Agrargenossenschaft Bielatal untergebracht. 2008 war Schluss, der Hof vereinsamte, war dem Verfall preisgegeben.

Kein Platz für Windräder

Der Abriss ist offensichtlich gerechtfertigt und genehmigt bzw. geduldet. Das Landratsamt kennt den Begriff Kalbenhof zwar nicht, für sie handelt es sich um die Sommermelkhofanlage. Doch der Abriss wurde Anfang März vom Eigentümer angekündigt. Da es sich um ein frei stehendes Gebäude handelt, brauchte es dafür nicht einmal eine Genehmigung.

Doch was wird aus dem Areal? Besitzer Georg Dammann ist Landwirt und betreibt in Nordrhein-Westfalen auch Windräder. Will er das nun auch hier? Er selbst ist derzeit für die Sächsische Zeitung nicht erreichbar. Klar ist, der Ebschenweg Bahra ist im Regionalplan kein Vorranggebiet für Windenergienutzung. Es ist auch keine entsprechende Potenzialfläche, die Grundlage für die Festlegung der Windenergiegebiete im neuen Regionalplan sind. Die Errichtung von Windrädern außerhalb dieser Gebiete ist nicht möglich, sagt Michael Holzweißig vom Regionalen Planungsverband Oberes Elbtal/Osterzgebirge.

Diese Nachricht ist auch für die Agrargenossenschaft in Sadisdorf eine gute. „Wir brauchen keinen Wind, jedenfalls nicht mehr als für unser Getreide notwendig ist“, sagt eine Mitarbeiterin. Die Genossenschaft nutzt die Felder weiterhin. Der Pachtvertrag besteht seit etwa zehn Jahren.

Marlies Wolf hat mit Demmann in Haltern Kontakt aufgenommen und ihm ein Versprechen abgerungen. Der alte, sehr tiefe Brunnen soll erhalten bleiben. Laut einer alten Sage soll es einen geheimen Gang von hier zur Kirche geben. Die Geschichte des Kalbenhofs ist zwar zu Ende, doch die Forschungen gehen weiter.