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Auf der singenden Säge durch Weixdorf

Am Wochenende wird in Dresden an ein legendäres Motorradrennen erinnert. Und an einen Fahrer aus der Region, der die Massen begeisterte.

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© privat

Von Jürgen Ehrhardt

Eine Vollsperrung der Dresdner Autobahn für ein Motorradrennen ist heute undenkbar. Zwischen 1951 und 1971 sah das noch anders aus. Damals wurden auf der sogenannten Autobahnspinne, heute besser bekannt als Dreieck Dresden-Nord, jedes Jahr Rennen mit Solo- und Seitenwagenmaschinen gefahren. An die zweite Auflage im Jahr 1952 wird am 29. und 30. April 2017 beim Weixdorfer Motorradrennsportclassic erinnert. Denn mit ihr jährt sich in diesem Jahr auch die Teilnahme des Lokalmatadoren Ewald Kluge aus Weixdorf beziehungsweise Lausa. Für Motorrad- und Rennsportfans ein Grund zu feiern, auch wenn die damaligen Besucherzahlen unerreicht bleiben.

Als im Juli 1952 in der Sächsischen Zeitung veröffentlicht wurde, dass zum zweiten Motorrad- und Wagenrennen auf der Dresdner Autobahnspinne der TT-Sieger, zweimalige Europameister und viermalige deutsche Meister Ewald Kluge starten wird, verfielen die Motorsportbegeisterten in der sächsischen Region in eine regelrechte Euphorie. Zu den Rennen sind mehrere hunderttausend Zuschauer angereist. Es war die Zeit, als der deutsche Motorrad- und Autorennsport wieder den Anschluss an das internationale Spitzenniveau suchte. Ewald Kluge, der seinem Arbeitgeber DKW von Chemnitz nach Ingolstadt gefolgt war, hatte sich damals nach schweren Jahren in der direkten Nachkriegszeit bereits wieder als DKW-Werksfahrer etablieren und Siege einfahren können. Auf der im Volksmund wegen ihres Klangs „Singende Säge“ genannten Dreizylinder-Maschine mit 350 Kubikzentimeter Hubraum sollte dabei wieder in die internationale Spitze vorgedrungen werden. Auch wenn in der damaligen Berichterstattung ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass der deutsche Motorsport viel von der Sowjetunion lernen könne.

Bekannte Namen der damaligen Zeit, zu denen neben Ewald Kluge beispielsweise auch Christa Böttcher gehörte – die einzige Frau auf einer 500er-BMW – ließen die Leser aufhorchen. Dabei war es für ersteren aufgrund seines engen Terminkalenders gar nicht so einfach, den Starttermin in der Heimat wahrzunehmen.

Zündkerze verhindert Doppelerfolg

So reiste der ehemalige Lausaer aus Ingolstadt mit einer Rennmaschine an, die aus Gründen der Eile noch nicht einmal komplett zusammengebaut war. Zum Training und Renntag war dann aber alles fahrbereit. Was folgte, ist Motorsportgeschichte. Im Rennen der 250-ccm-Klasse siegte Ewald Kluge unangefochten mit über einer Minute Vorsprung, und beim Lauf der 350-ccm-Klasse sah es lange Zeit nach einem ähnlichen Ergebnis aus. Eine defekte Zündkerze verhinderte in der letzten Runde allerdings den Doppelerfolg. Besonders ärgerlich: Kluges Vorsprung hätte ausgereicht, um die Kerze noch vor Eintreffen des Zweiten, Xaver Heiss, zu wechseln. Den dafür erforderlichen Kerzenschlüssel, wie er von den Fahrern jener Zeit entweder im Stiefelschaft oder in einer Aussparung der Lederkombi getragen wurde, hatte er am Start beim Anschieben der Maschine verloren. Ewald Kluge musste seine Maschine somit am Streckenrand abstellen. Der Begeisterung des Publikums tat das allerdings keinen Abbruch. Im Gegenteil. Die Zuschauer feierten „ihren“ Helden, der wieder einmal sein Können gezeigt hatte.

Am letzten Aprilwochenende hat das heutige Publikum die Chance, zumindest die alten Maschinen wieder in Aktion zu erleben. Denn an beiden Tagen werden sowohl Solo- als auch Seitenwagenrenner über die Alte Moritzburger Landstraße rasen. Denn die Autobahn wird im Jahr 2017 für eine solche Veranstaltung natürlich nicht mehr gesperrt – auch wenn ein rundes Jubiläum gefeiert wird. Stattdessen wird auf einem zwei Kilometer langen Rundkurs unter dem Motto „Vor 65 Jahren siegte Ewald Kluge auf der Dresdner Autobahnspinne“ an den 1964 gestorbenen Ewald Kluge und die Rennen auf der Dresdner Autobahnspinne erinnert. Und damit nicht zuletzt daran, dass Sachsen einst Heimat für Weltklasse-Rennfahrer, Rennstrecken und Motorradfabriken gewesen ist.

Ein Gedenken, das auch Fahrer aus dem Ausland anzieht. So liegen den Veranstaltern für die Läufe am Wochenende unter anderem Startermeldungen aus England und Tschechien vor.