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Auf der Schmuggeltour erwischt

Ein 29-Jähriger aus Ohorn soll 114-mal in Tschechien Drogen gekauft und illegal eingeführt haben. Er steht vor Gericht.

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© dpa

Von Alexander Schneider

Ohorn. Norman L. ist ein bulliger Kerl, 29 Jahre alt, die Haare frisch geschnitten. Sein Termin am Landgericht Dresden ist schnell beendet. Richterin Michaela Kessler, die Vorsitzende der Strafkammer, stellt nicht einmal die Personalien des Angeklagten fest, schon trägt eine Staatsanwältin die Anklage vor. Danach soll der gelernte Maschinenfahrer aus Ohorn zwischen Ende 2013 und Februar dieses Jahres 114-mal in Tschechien Crystal erworben haben. Den Großteil des Stoffs habe er dann zu Hause zur Finanzierung seines Lebensunterhalts gewinnbringend weiterverkauft.

Selten war die Anklage gegen einen mutmaßlichen Drogenschmuggler so penibel wie im Verfahren gegen L. Bis auf das halbe Gramm genau hält die Staatsanwaltschaft dem Mann die Mengen vor, die er im Nachbarland erworben und über den Grenzübergang in Sebnitz eingeführt haben soll. Pro Fahrt werden in der Anklage Mengen zwischen fünf und 100 Gramm genannt, die der Angeklagte ins Land geschmuggelt haben soll. 3 505,5 Gramm insgesamt. Die Qualität sei gut gewesen, ein Wirkstoffgehalt von fast 80 Prozent. Da fragt man sich, warum nicht auch noch die mutmaßlichen Lieferanten des Angeklagten genannt werden.

Norman L. sitzt seit dem 3. Februar in Haft. An jenem Dienstag wurde er auf der Rückfahrt mit seinem Audi auf der Autobahn A 4 kontrolliert. In seiner Unterhose entdeckten die Beamten ein Paket mit 50 Gramm Crystal. Angeblich ein sogenannter Zufallsfund. Die Polizei habe den Angeklagten nicht im Visier gehabt, heißt es am Rande des Prozesses. Die anschließende Wohnungsdurchsuchung allerdings erhärtete wohl den Verdacht, es mit einem professionellen Dealer zu tun zu haben.

Buchhalter seiner Straftaten?

Hoher Kostenfaktor

In L.s Wohnzimmer fanden die Ermittler mehrere Feinwaagen und Cliptütchen und etwa 4 000 Euro Bargeld. Weil dort jedoch auch noch ein Teleskop-Schlagstock und eine geladene Schreckschusspistole griffbereit lagen, muss sich der Angeklagte nun neben Einfuhr und Handels mit Betäubungsmitteln in 114 Fällen auch noch wegen bewaffneten Drogenhandels verantworten. Die Mindeststrafe beträgt fünf Jahre Haft, wenn sich nicht Gründe finden lassen, das Strafmaß zu mildern.

Norman L. muss ein hohes Risiko eingegangen sein, bei seinen Fahrten entdeckt zu werden. Das ergibt sich aus der puren Anzahl der ihm vorgeworfenen Taten. Etwa alle drei Tage ist er nach Tschechien gefahren. Sein Audi muss den Grenzpolizisten gut bekannt gewesen sein. Zum Risiko kommt auch noch der Kostenfaktor: Rund 8 000 Kilometer ist er gefahren.

Für die detailreiche Anklage gibt es jedoch eine Erklärung: Bei Norman L. sollen auch Kalender gefunden worden sein, auf denen er viele Zahlen mit Umsätzen notiert haben soll. Ist er Buchhalter seiner Straftaten? Sein Verteidiger Michael Sturm winkte ab, wollte das jedoch nicht weiter kommentieren. Vor dem nächsten Sitzungstag trifft er sich mit Gericht und Staatsanwaltschaft zu einem Rechtsgespräch. Dann könnte vieles klarer werden. Der Prozess vor dem Landgericht begann jetzt nur, weil der Halbjahres-Haftprüfungstermin anstand.