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Auf den Spuren von Onkel Ho

Vietnams Botschafter war in Moritzburg – in besonderer Mission. Gelingt diese, sollen viele Landsleute folgen.

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© Anne Hübschmann

Von Sven Görner

Moritzburg. Fast ehrfürchtig hält der vietnamesische Botschafter Doan Xuan Hung die Bronzetafel in seien Händen. Sie hat schon Patina angesetzt. Was nicht wundert. Schließlich liegt das Ereignis, an das sie erinnert, fast 70 Jahre zurück. Im Sommer 1957 war der in dem asiatischen Land noch heute hoch verehrte erste Präsidenten Ho Chi Minh in Moritzburg zu Gast. Am Mittwochnachmittag folgte der Botschafter auf den Spuren Onkel Ho´s – wie der Revolutionär nicht nur in seiner Heimat liebevoll genannt wird – in Moritzburg. Diesmal in besonderer Mission.

Der Revolutionär und erste Präsident Vietnams  Ho Chi Minh hatte 1957 Mädchen und Jungen seines Heimatlandes besucht, die vier Jahre lang in Moritzburg unterrichtet wurden. Diese nennen sich noch heute „Moritzburger“.
Der Revolutionär und erste Präsident Vietnams Ho Chi Minh hatte 1957 Mädchen und Jungen seines Heimatlandes besucht, die vier Jahre lang in Moritzburg unterrichtet wurden. Diese nennen sich noch heute „Moritzburger“. © Repro: Anne Hübschmann
Am Erinnerungsort für Ho Chi Minh auf dem Gelände des Diakonenhauses.
Am Erinnerungsort für Ho Chi Minh auf dem Gelände des Diakonenhauses. © Anne Hübschmann

Die Gemeinde ist ein beliebter Tourismusort. Nicht zuletzt für Kunstfreunde. Gibt es mit dem einstigen Rüdenhof in der Gemeinde doch den einzigen noch erhaltenen authentischen Lebensort der Malerin und Grafikerin Käthe Kollwitz. Doch Moritzburg hat eben auch noch einen anderen Erinnerungsort. Versteckt auf dem Gelände des Moritzburger Diakonenhauses. Der ist weit weniger bekannt.

Das soll sich ändern. Zumindest ist das der Wunsch Doan Xuan Hung und einiger seiner engagierten Landsleute. So auch von Vo Van Long, Geschäftsführer einer in Berlin ansässigen Firma. Der 53-Jährige lebt seit Beginn der 1990er Jahre in Deutschland. Im vergangenen Jahr hatte er die Initiative ergriffen, um die kleine, fast in Vergessenheit geratene Gedenkstätte aus DDR-Zeiten wieder in einen vorzeigbaren Zustand zu versetzen.

In den vergangenen Jahrzehnten war diese immer mal wieder von einigen Vietnamesen besucht worden, die sich selbst noch heute „Moritzburger“ nennen. Das letzte große Treffen gab es 2005 im Ort. 50 Jahre zuvor waren die Teilnehmer als Kinder nach Moritzburg geschickt worden, um hier zu lernen – für den künftigen friedlichen Aufbau ihres Landes. Insgesamt kamen damals rund 350 Mädchen und Jungen nach Sachsen knapp die Hälfte davon lebte vier Jahre lang im damaligen Käthe-Kollwitz-Heim in Moritzburg. Die Verbindung zu diesem Ort ihrer Kindheit haben sie nie abreißen lassen. Viele von ihnen warten später in wichtigen Funktionen in ihrem Land tätig.

Für Vo Van Long waren das und der Besuch von Onkel Ho bei den Kindern Gründe, um mit dem Diakonenhaus und der Gemeinde Kontakt aufzunehmen und Geld in die Wiederherstellung und Erweiterung des Gedenkortes zu investieren.

Den Gedenkort verbessern

Im vergangenen Jahr wurde so durch einheimische Firmen und die Produktionsschule Moritzburg schon Wildwuchs entfernt, neue Wege angelegt, die aus Granitsteinen gemauerten Pfeiler neu verfugt und ein kleiner Platz gepflastert. Die Säulen bekamen zudem neue Abdeckungen aus Sandstein, die künftig die Infotafeln schützen sollen, die man dort anbringen will. Doch dann gerieten die Arbeiten etwas ins Stocken. Denn der Technische Ausschuss des Moritzburger Gemeinderates hatte den Wunsch abgelehnt, das Areal zur Sicherheit mit einem Zaun zu umgeben.

Als der Bundestagsabgeordnete Andreas Lämmel auf einer Delegationsreise der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im vergangenen Sommer in Vietnam war, traf er dort auch mit einer Gruppe der Vietnamesisch-Deutschen Freundschaftsgesellschaft zusammen. Innerhalb dieser Gesellschaft existiert der „Moritzburger Kreis“, dem die seinerzeit in Moritzburg unterrichteten Kinder angehören. „Diese halten noch immer die freundschaftlichen Beziehungen zu Deutschland aufrecht. Darüber habe ich mich sehr gefreut und das unterstütze ich gern. Ich bin deshalb froh, dass der Botschafter meine Einladung nach Moritzburg angenommen hat“, sagt Andreas Lämmel.

Der Botschafter sagte Mittwoch im Gespräch mit Bürgermeister Jörg Hänisch (parteilos) und dem Verwaltungsleiter des Diakonenhauses Jens Knechtel: „Ich verspreche Ihnen, wenn wir diesen Gedenkort verbessern, dass dann auch mehr Vietnamesen nach Moritzburg kommen.“

Jörg Hänisch versprach, einen Vor-Ort-Termin mit allen Beteiligten zu organisieren, verwies aber auch darauf, dass demokratische Entscheidungen nicht immer einfach sind und manchmal auch Zeit brauchen. Vo Van Long sagte, dass der Zaun begrünt werden könnte, um nicht in der Landschaft zu stören. Er bekundete auch Interesse, den abgeschlossenen Pachtvertrag von derzeit 25 auf 50 Jahre verlängern zu wollen.

Große Freude herrschte bei den Gästen als der Bürgermeister bei dem gestrigen Treffen alte Fotodokumente und anderes Material hervorholte und an das Diakonenhaus übergab. Alle waren sich einig, dass diese nicht in Schränken verschwinden, sondern möglichst gezeigt werden sollen. Auch dafür hat Geschäftsmann Vo Van Long schon eine Idee: ein kleines Holzhaus im vietnamesischen Stil auf dem Gelände des Gedenkortes. Und schnell soll es möglichst gehen. Das 70. Jubiläum des Besuchs von Onkel Ho in Moritzburg wäre sicher ein guter Anlass. Und auch die Bronzetafel könnte bis dahin aus dem Diakonenhaus an ihren angestammten Ort zurückkehren.