Merken

Auf dem Rücken der Pferde

Carola Etzrodt bietet auf ihrem Reiterhof in Kunnerwitz eine spezielle Therapie für Menschen mit Handicap an.

Teilen
Folgen
NEU!
© nikolaischmidt.de

Von Constanze Junghanss

Einige hundert Meter führt der Weg erst über die Wiesen, dann zwischen Bäumen entlang. Plätschern eines Bachs. Vogelzwitschern. In dieser Landschaftsidylle pfeift Carola Etzrodt. Aus der Stille heraus ertönt plötzlich Hufgetrappel. Sekunden später taucht die Herde auf: Pferde. Zehn Tiere, die Carola Etzrodt umringen, zur Begrüßung kurz schnauben, die Mähne schütteln oder mit dem Schweif schlagen. Ein bisschen erinnert die Szenerie an die alten Indianerfilme. Nur, dass da kein Gojko Mitic oder gar Winnetou in der Prärie mit Pferden flüstern, sondern eine 32-jährige Frau den Tieren auf ihre Weise Hallo sagt.

Die zehn Pferde haben zum Teil außergewöhnliche Lebensgeschichten. So wurde die heute 23-jährige „Vaness“ vor dem Schlachter gerettet. Ein ausgemustertes Polizeipferd aus Arnsdorf-Hilbersdorf gehört dazu und ein Pferd aus Leipzig, das schlecht behandelt worden war. Es genießt nun die Freiheit zusammen mit den anderen Unpaarhufern. Denn Platz haben die Tiere genug: Rund 6,5 Hektar stehen ihnen zur Verfügung.

Das romantische Ambiente befindet sich am Fuß der Görlitzer Landeskrone, im Ortsteil Kunnerwitz. Hierher zogen Carola Etzrodt und ihre Mutter Petra mit dem „Reiterhof Schöpstal“ um. Das war vor neun Jahren. Und auch im Internet heißt das Kunnerwitzer Pferdeparadies immer noch „Reiterhof Schöpstal“. Der Name habe sich etabliert, sagt die junge Frau. Deshalb wurde er nicht geändert. Auch der Reit- und Fahrverein Kunnersdorf-Königshain hat hier sein Domizil gefunden. Er war ebenfalls schon in Schöpstal-Zeiten mit dabei. Für den Verein werde allerdings ein neuer Name gesucht, erklärt Vereinsvorsitzende Stephanie Pfuhlmann. 32 Mitglieder sind beim Verein registriert. Darunter viele junge Leute, sagt die Vorsitzende.

25 Kinder lernen in Gruppen das Reiten, dazu 15 Erwachsene. Carola Etzrodt arbeitet in Görlitz als Physiotherapeutin. Seit 2012 bietet sie zusätzlich die sogenannte „Hippotherapie“ in Kunnerwitz an. Dafür hat sie eine spezielle Ausbildung beim Deutschen Kuratorium für Therapeutisches Reiten (DKThR) in Warendorf (Nordrhein-Westfalen) absolviert. „Hippotherapie ist eine ergänzende physiotherapeutische Einzelbehandlung“, erklärt Frau Etzrodt. Sie werde vor allem bei Erkrankungen vom zentralen Nervensystem sowie vom Stütz- und Bewegungsapparat angewendet. So können auch Menschen mit verschiedenen Behinderungen daran teilnehmen. Für Rollstuhlfahrer hat die Therapeutin sogar eine spezielle Rampe, mit deren Hilfe Patienten auf das Pferd kommen. Das Rezept für die Behandlung muss ein Arzt ausstellen. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten zwar im Moment noch nicht. Doch das Kuratorium für Therapeutisches Reiten hat eine bundesweite Studie zur Wirksamkeit der Hippotherapie unter Federführung des Universitätsklinikums Aachen in Auftrag gegeben. Ziel ist auch die Anerkennung der Therapie durch die Krankenkassen als Heil- und Hilfsmittel.

Im Schöpstal wären die Bedingungen für all diese Möglichkeiten noch nicht so perfekt gewesen. Dort war der Anfang vom Reiterhof. 1994 wurde er in Kunnersdorf/Siebenhufen gegründet und zog bald darauf auf die Liebsteiner Straße beim Schloss um. Doch 2008 erfolgte das vorläufige Aus. Der Reiterhof musste Insolvenz anmelden. „Auch die Konkurrenz wurde immer größer“, so Carola Etzrodt. Während das Unternehmen damals mit zu den Vorreitern in der Region gehörte, machten immer mehr Reiterhöfe in der Umgebung auf. „Zuerst zogen wir nach Kodersdorf um“, erinnert sich die Übungsleiterin. Das Gelände erwies sich als weniger ideal. Und als es in Kunnerwitz die Möglichkeit gab, Wiesen und Land vom Görlitzer Stadtgut zu mieten, stand der Entschluss zum erneuten Umzug fest. Das hat Carola Etzrodt bis heute nicht bereut und vor knapp drei Jahren ein Haus direkt neben den Koppeln erworben.

Pensionspferde und einen Stall mit Boxen wie früher in Schöpstal gibt es in Kunnerwitz nicht mehr. Der Herdenverband ist immer gemeinsam draußen und im Winter können sich die Tiere in den Offenstall zurückziehen. Nun zupfen die Pferde selbst das Gras. Im Winter steht den Vierbeinern Heu aus dem Netz zur Verfügung. Alles rein biologisch vom Stadtgut. An dieser „Selbstbedienungstheke“ können sie rund um die Uhr fressen, so wie sie Lust und Laune haben. „Wir sind hier in Kunnerwitz wesentlich tiergerechter geworden“, schätzt Carola Etzrodt ein.

Infos zur Hippotherapie und den Angeboten vom Reiterhof und dem Verein finden Sie hier.