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Atlantis im Stausee Quitzdorf

Es kommt häufiger vor, dass der Quitzdorfer See in Trockenperioden Wasser an die umliegenden Flüsse abgibt.

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© André Schulze

Von Sabine Ohlenbusch

Wer in diesen Tagen an den Quitzdorfer See fährt, wird seinen Augen nicht trauen. Der Überlauf des Sees bei Hochwasser, nach seiner Form der Entenschnabel genannt, ist nun einfach ein Mauerring im Schlamm. Seine Betonmauern liegen sonst fast komplett im See, bei Hochwasser überspülen die Fluten sie einfach und ergießen sich in ein Auffangbecken. Boote liegen zu Dutzenden auf dem Strand, als hätte man das Wasser unter ihnen plötzlich weggezogen. Bojen, die sonst eine bestimmte Wassertiefe markieren, zeigen nun durch ihre Schieflage an, dass das Wasser eben nicht mehr tief ist. Muschelschalen knacken zu Hunderten unter jedem Schritt.

Erst jetzt ist zu sehen, dass ein Teil des Sees früher ein Wald war.
Erst jetzt ist zu sehen, dass ein Teil des Sees früher ein Wald war. © André Schulze
Die Verlandung ist so weit fortgeschritten, dass sich kleine, grüne Inseln bilden.
Die Verlandung ist so weit fortgeschritten, dass sich kleine, grüne Inseln bilden. © André Schulze
Boote liegen jetzt auf dem Trockenen.
Boote liegen jetzt auf dem Trockenen. © André Schulze

Diese Eindrücke sind bei einem heißen Sommer wie diesem nicht verwunderlich, zumal der Schwarze Schöps in diesem Jahr wieder die Spree mit Wasser versorgt. Wirklich faszinierend ist beim Spaziergang auf dem Seegrund, dass Teile des alten Dorfes Quitzdorf zu entdecken sind, das sonst auf dem Grund der Talsperre liegt. Baumstümpfe mit den Kerben der Axtschläge, Steine und sogar eine Straße kommen zum Vorschein. Sie sind sehr viel älter als der See, der sie sonst umgibt. Wie viele Orte in der Oberlausitz sind sie dem Tagebau gewichen. In diesem Fall allerdings nur indirekt, um das Kohlekraftwerk Boxberg zu kühlen. Zwar sind die Gebäude des Dorfes damals abgetragen worden, sodass kein Kirchturm aus dem See ragt wie im Reschensee in Südtirol. Aber die Reste der Zivilisation sind auch hier zu finden.

Rund vier Zentimeter pro Tag

Der trocknende Schlamm, der jetzt das Ufer bildet, beginnt zu riechen. Doch das kommt nicht vom niedrigen Pegel, erklärt Romi Reichow von der Landestalstellenverwaltung: „Der Geruch ist nicht abhängig vom Wasserstand der Talsperre, sondern liegt am Absterben der Blaualge in den Uferbereichen. Mit einer mittleren Tiefe von etwa drei Metern ist die Talsperre so oder so ein idealer Nährboden für die Blaualge.“

Es kommt häufiger vor, dass der Quitzdorfer See in Trockenperioden Wasser an die umliegenden Flüsse abgibt. Denn die Talsperre schützt gleichzeitig vor Hoch- und vor Niedrigwasser. Dass sich der See so schnell geleert hat, liegt auch an Ablagerungen in den letzten Jahren. Dadurch ist er stark verflacht. Bei einer Tiefe von drei bis vier Metern macht sich besonders drastisch bemerkbar, dass seit Juli 2,5 Kubikmeter pro Sekunde in den Schwarzen Schöps fließen. Der Wasserstand fällt somit täglich weiter um circa vier Zentimeter.

Dass der See so flach ist, bringt einige Probleme mit sich. Das Wasser erwärmt sich schnell und wird permanent vom Wind umgewälzt, dadurch wächst die Blaualge im Gewässer besonders gut. Die Anziehungskraft des Sees für Touristen leidet unter der Alge, die eigentlich ein Bakterium ist. Denn die Algen bzw. Cyanobakterien können beim Baden Hautreizungen verursachen. Auch der Geruch hilft nicht gerade dabei, Touristen anzulocken. Aber für die Algenplage ist nicht nur die fehlende Tiefe der Talsperre verantwortlich. Besonders die starke Phosphatzufuhr, die aus dem Einzugsgebiet in den See gespült wird, lässt besonders gute Bedingungen für die Alge entstehen. Wenn der Wasserstand in der größten Talsperre Sachsens noch auf wenige Restzentimeter schrumpfen sollte, würde das für Fische lebensgefährlich. Sie werden zur leichteren Beute für Raubtiere, da sie besser zu sehen sind. Außerdem schrumpft der Sauerstoffgehalt, da die Cyanobakterien ihn ebenfalls verbrauchen. Zudem können die Einzeller den Geschmack des Fisches so stark beeinflussen, dass er schlammig schmeckt. Dies kann so weit gehen, dass er ungenießbar wird.

Eine Lösung könnte sein, die Schlammschicht am Boden des Sees zu entfernen und ihn so wieder an Tiefe gewinnen zu lassen. Talsperrenchef Sebastian Fritze hat allerdings gegenüber der SZ bereits 2011 geäußert, dass die entstehenden Kosten von rund acht Millionen Euro zu hoch seien. Dies sei ohnehin erst im Verbund mit anderen Maßnahmen gegen die hohen Phosphatkonzentrationen wirksam, was sich schnell auf bis zu zwanzig Millionen belaufen könnte. Und der Tourismus und die Fischgesundheit können erst weit nach der Hauptaufgabe der Talsperre, Hoch- und Niedrigwasser auszugleichen, berücksichtigt werden.

Wie lange es dauern wird, bis sich der Wasserstand im Stausee wieder normalisiert hat, lässt sich nicht sagen. Wenn die Regenfälle der letzten Tage anhalten und die gelben Blätter nicht nur von der Trockenheit zeugen, sondern auch vom Herbstbeginn, könnte sich auch die Talsperre wieder schnell füllen.