Merken

Asylheim-Betreiber macht Rückzieher

Der Zweite der Ausschreibung übernimmt. In der nächsten Woche sollen die ersten Flüchtlinge nach Neukirch kommen.

Teilen
Folgen
NEU!
© Steffen Unger

Von Carolin Menz und Ingolf Reinsch

Zur Einwohnerversammlung am Donnerstagabend in Neukirch schien alles klar: Karl und Marcel Wiesemann, Inhaber der KVW Beherbergungsbetriebe GmbH Bad Wildungen (Hessen), erläuterten vor rund 250 Bürgern, wie sie das neue Asylbewerberheim betreiben wollen. Schon einen Tag später folgte im Landratsamt Bautzen die Ernüchterung: Per Fax teilte das Unternehmen der Kreisbehörde mit, dass es den Vertrag nicht erfüllen könne. Das wurde am Mittwoch bekannt.

„Das Unternehmen hat den Betreibervertrag nicht unterzeichnet“, bestätigte Franziska Snelinski, Büroleiterin von Landrat Michael Harig, auf Anfrage der SZ. Nach ihren Angaben ein bisher einzigartiger Fall. Geplant war die Vertragsunterzeichnung am vergangenen Freitag. Gründe für den Rückzug der KVW Beherbergungsbetriebe nannte Franziska Snelinski nicht.

Dass die überraschende Absage an Neukirch eine Reaktion auf die emotionsgeladene Einwohnerversammlung war, auf der viele Besucher Skepsis, teils auch offene Ablehnung äußerten, gilt als unwahrscheinlich. KVW ist seit über 20 Jahren in diesem Geschäft tätig, kennt die Gepflogenheiten. Nach Medienberichten nennt KVW als Grund für den Rückzug, dass „alles sehr eng getaktet“ sei. Eine schriftliche Anfrage der SZ ließ die KVW Beherbergungsbetriebe GmbH am Mittwoch bis zum Redaktionsschluss unbeantwortet.

Spekulationen, wonach dem Hessener Unternehmen die Zeit zu kurzfristig war, wollte Franziska Snelinski nicht bestätigen. „Fest steht aber, dass dem Unternehmen die Termine und damit die kurzfristige Zeitspanne bekannt war“, sagte sie. Der Landkreis hatte ursprünglich mit dem 15. April für den Einzug der ersten Flüchtlinge in Neukirch geplant. Am letzten Donnerstag nannte Bürgermeister Gottfried Krause dafür die Woche ab dem 27. April. Nun sollen nach den jüngsten Angaben der Kreisverwaltung in der nächsten Woche die ersten Flüchtlinge ins ehemalige Lehrlingswohnheim an der Oststraße einziehen.

Nach SZ-Informationen hatte KVW Nachbesserungen am Betreibervertrag gefordert, insbesondere was die Vergütung seiner Leistungen betrifft. Bei der Ausschreibung waren die Kosten mit 50 von 100 möglichen Punkten das wichtigste Entscheidungskriterium. Das Betreiberkonzept (bis zu 30 Punkte), die Anzahl und Qualifikation der Mitarbeiter sowie die Ausstattung der Räume (jeweils zehn Punkte) waren bei der Bewertung deutlich nachgeordnet. Sparen wollte KVW offenbar vor allem am Personal. Auf der Einwohnerversammlung überraschte Firmeninhaber Karl Wiesemann mit der Aussage, man werde am Standort Neukirch „mehrere Hausmeister“ beschäftigen.

Der Neue betont soziale Kompetenz

Betreiber des Heimes in Neukirch wird nun die Loesernet.com GmbH Freital, die in Bautzen eine Niederlassung hat. Sie war bei der europaweiten Ausschreibung auf Platz zwei gelandet. Das Unternehmen betreibt bereits im Auftrag des Landkreises Bautzen eine Notunterkunft für Asylbewerber in Hoyerswerda.

Für das Heim in Neukirch werden zwei Mitarbeiter neu eingestellt, sagte Geschäftsführer Dr. Günter Hanke am Mittwoch auf Anfrage der SZ. Darüber hinaus werden weitere Beschäftigte der Firma in Neukirch eingesetzt. Entsprechend der Ausschreibung garantiert das Unternehmen, dass an allen sieben Wochentagen rund um die Uhr ein Ansprechpartner vor Ort ist. Loesernet ist Dienstleister im Bildungsbereich und in der Unternehmensberatung, führt zum Beispiel Sprachkurse durch. „Unsere Mitarbeiter – vor allem Sprachlehrer und Sozialarbeiter – haben seit 2007 Erfahrungen in der Arbeit mit Migranten und Asylsuchenden. Sie beherrschen Fremdsprachen und bringen ein Gefühl mit, wie man mit diesen Menschen arbeiten kann“, sagt der Geschäftsführer. Die Firma beschäftigt in Ostsachsen rund 25 Mitarbeiter.

Die Gemeinde wurde am Montag informiert. Für Bürgermeister Gottfried Krause (CDU) kam die KVW-Absage „überraschend“, wie er auf Anfrage sagte. Inhaltlich bewerten wollte er sie allerdings nicht. „Für uns zählt jetzt nur, dass wir mit dem neuen Betreiber einen Ansprechpartner haben“, so Gottfried Krause.

In der Erstbelegung werden in Neukirch bis zu 50 Asylbewerber untergebracht. Es sei aber möglich, dass vorerst weniger Menschen kommen, sagte Franziska Snelinski. Keine Auswirkungen hat der Betreiberwechsel auf den Tag der offenen Tür am Sonnabend. Von 10 bis 12 Uhr haben Bürger die Möglichkeit, das Heim kennenzulernen.