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Asylbewerber protestieren

Weil ihnen die Unterkunft in Roßwein nicht gefällt, demonstrieren sie in Freiberg. Der Landrat ist frustriert.

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© Tina Soltysiak

Von Tina Soltysiak

Freiberg. Ein bizarres Bild: 30 Männer im geschätzten Alter von Anfang 20 bis Mitte 50 stehen am Donnerstagvormittag zum Teil eingehüllt in Decken auf dem Gehweg vor der Ausländerbehörde des Landratsamtes in Freiberg. Sie halten selbst geschriebene Zettel in der Hand und demonstrieren.

Eigentlich sollen sie zu diesem Zeitpunkt in Roßwein sein. In den Räumen des ehemaligen Hochschulgebäudes sind nun auch im Erdgeschoss Liegen aufgestellt worden. Am Mittwochabend sind etwa 50 neue Asylbewerber eingetroffen. „Wir kommen aus der Erstaufnahmeeinrichtung in Dresden. Dort war die Situation besser“, erzählt Hisham Shahood. Der Syrer zeigt ein Video auf seinem Handy von den Bedingungen in Roßwein: Zu sehen sind Räume, in denen Feldbetten stehen, zwei Kühlschränke, zahlreiche Biertischgarnituren und zwei Toiletten mit überfüllten Mülleimern. „Es ist stickig und riecht streng“, erzählt der Ingenieur.

„Menschenunwürdige Unterkunft“

Das hätten er und die anderen Flüchtlinge nicht ausgehalten. Stattdessen hätten sie die Nacht in Roßwein auf dem Gehweg unter freiem Himmel zugebracht. Das sei immer noch menschenwürdiger, als in den Räumen der Hochschule zu schlafen, meint Hisham Shahood. Auch ein Gefängnis sei ihm lieber, als die schmale Liege in der Roßweiner Unterkunft.

Am Donnerstagmorgen sind etwa 30 der 50 Asylbewerber – alle aus Syrien, wie Shahood sagt – dann nach Freiberg gekommen. Wie, das erzählt der Syrer nicht. Sie hätten mit Mitarbeitern der Ausländerbehörde gesprochen. Wie es weitergeht. Wo sie schlafen können. Ob sie zurück nach Dresden dürfen. Sie wissen es nicht. Sie wollen ausharren, solange es notwendig ist. Hauptsache, sie müssen nicht wieder nach Roßwein.

„Zumutbare Bedingungen“

Zur selben Zeit sitzt Landrat Matthias Damm (CDU) am Donnerstagvormittag mit Pressevertretern zusammen. Er erhält einen Anruf und erfährt, dass die Flüchtlinge demonstrieren. Dass es die Beschwerden über die Unterbringung gibt, darüber war er bereits im Vorfeld informiert worden. Er wirkt abgespannt, frustriert, resigniert. „Wir haben vorab von zwei unabhängigen Mitarbeitern unseres Hauses prüfen lassen, ob die Zustände zumutbar sind. Der Kellerbereich ist nicht hervorragend, klar. Aber zumutbar“, sagt er.

Damm ergänzt: „Wer aus einem Kriegsgebiet kommt, vor Bomben flieht und einen Gehweg einer sicheren Unterkunft vorzieht, da kann ich mich nur wundern. Und das ist dann nicht mehr unser Problem.“ Als er davon erfuhr, habe er angewiesen, dass die Türen offen bleiben, damit die Flüchtlinge jederzeit Zugang zum Haus haben. Mehr könne der Kreis in so einer Situation nicht tun. Dann findet Matthias Damm klare Worte: „Und ich habe auch keine Lust und keine Kraft mehr, um mich um solche Asylbewerber zu kümmern.“

Alle sofort verfügbaren Reserven an Wohnraum seien aufgebraucht, erklärt er. Deshalb sei der Kreis ständig händeringend auf der Suche nach neuen Unterbringungsmöglichkeiten. Gefragt seien all jene Immobilien, in denen mit möglichst wenig Aufwand, möglichst schnell, möglichst viele Leute unterkommen können. Landrat Matthias Damm nennt dabei nicht nur das ehemalige Studentenwohnheim in Roßwein, sondern auch „ein leerstehendes Gebäude des Landratsamtes an der Mastener Straße in Döbeln“. Damit scheint das Haus C – die ehemalige Poliklinik – gemeint zu sein. Dort sind am Donnerstagnachmittag zwei Sanitärcontainer aufgestellt worden. Ob, wann und wie viele Flüchtlinge einziehen könnten, ist bisher nicht bekannt. Eine kurzfristige Anfrage des Döbelner Anzeigers konnte die Pressestelle des Landratsamtes bis zum Redaktionsschluss nicht mehr beantworten.

Standort für Zelte gesucht

Derzeit leben zirka 3 000 Flüchtlinge in Mittelsachsen, so Landrat Matthias Damm. Tendenz steigend. „Wir kommen nicht mehr drumherum, noch vor Weihnachten winterfeste Zelte oder Leichtbauhallen aufzustellen“, erklärt er. Nur so könne gewährleistet werden, dass vorerst keine Turnhallen belegt werden. Der Landrat betonte, dass weder in Döbeln noch in Freiberg eines dieser Zelte aufgestellt werden soll. Fest stehe der Standort am Landratsamt in Mittweida. Ein bis zwei weitere Standorte würden derzeit geprüft. Mit Ortsnamen hält sich Damm bedeckt.

Die Aussichten, was den Zustrom betrifft, sind alles andere als rosig: „Die Landesdirektion Sachsen hat uns mitgeteilt, dass nur am 24., 25., 26. und 31. Dezember die Zuweisungen neuer Asylbewerber ausgesetzt wird“, erzählt Matthias Damm.

Die Asylproblematik bindet zahlreiche Mitarbeiter im Landratsamt und darüber hinaus. Jeden Morgen gebe es eine Konferenz mit dem Landrat, den Beigeordneten, Vertretern der Presseabteilung und zuständigen Mitarbeitern. „Der komplette Bereich Liegenschaften und Bau beschäftigt sich derzeit nur mit Asyl“, sagt der erste Beigeordnete des Landkreises Lothar Beier. Die Saxonia Standortentwicklungs- und -verwaltungsgesellschaft mbH suche nach passenden Liegenschaften. Die Gesellschaft für Qualifizierung und Strukturentwicklung mbH betreibt die Asylunterkünfte. Mindestens ein Drittel aller Verwaltungsmitarbeiter sei in die Abläufe eingebunden, so Matthias Damm.