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Asyl-Alltag in Moritzburg

Seit Dienstag sind 64 Flüchtlinge im Ort. Sie wurden gut aufgenommen. Aber wie leben sie und wie geht es weiter – mit ihnen und in Moritzburg?

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© Norbert Millauer

Von Sven Görner

Moritzburg. Auf einigen Fensterbrettern der neuen Asylunterkunft stehen fein säuberlich Joghurtbecher gestapelt. Daneben Salat- und Saftpackungen. Wer beim Tag der offenen Tür in der Vorwoche die zahlreichen Kühlschränke in den Zimmern gesehen hat, wundert sich. Die Erklärung liefert der Heimleiter. „Am Ankunftstag der Asylbewerber am Dienstag war am Nachmittag auch die Tafel im Haus und hat erst einmal für reichlich Verpflegung gesorgt.“ Dazu gehörten neben zahlreichen Kisten Joghurt auch beutelweise Äpfel, die sich jetzt in den Zimmern stapeln. „Die Männer waren sehr überrascht und haben dankbar reagiert“, ergänzt der 33-Jährige.

Für ihn ist es der erste Job in einem Asylbewerberheim. Davor arbeitete der junge Mann unter anderem im Personalmanagement. Und so müssen sich nicht nur die Bewohner auf die neuen Begebenheiten einstellen. Bisher hat der Hausleiter mit seinen Bewohnern nur gute Erfahrungen gemacht. „Am ersten Tag haben sie gleich die noch fehlenden Schränke vom Lkw abgeladen und ins Haus gebracht, sie putzen selber, waschen ihre Wäsche, einige haben auch gefragt, ob sie noch andere Dinge machen können.“

Probleme scheint da eher anderes zu bereiten. So funktionieren offenbar in dem als Notunterkunft sanierten Haus nicht alle Toilettenabflüsse so, wie sie sollten. Und auch die Waschmaschinen können nur begrenzt genutzt werden. Zwar wurden in einem speziellen Waschraum fünf Geräte aufgestellt, doch mehr als drei können wohl nicht gleichzeitig laufen, weil sonst die Sicherungen kommen. Darauf angesprochen, sagt der Heimleiter: „Mit den Bewohnern gibt es keine Probleme, aber die anderen Sachen habe ich so eigentlich nicht erwartet.“ Dazu gehört auch der Zustand vor dem Haus.

Zwei zusätzliche Straßenlampen für mehr Licht

Ein paar Meter Fußweg, die zeitgleich mit der Instandsetzung der alten Heimschule von der Haustür in Richtung Vorplatz gebaut wurden, enden direkt im Schlamm. Als die Moritzburger in der vergangenen Woche für zwei Stunden das Heim besichtigen konnten, sorgte der Frost für Begehbarkeit. Ganz anders jetzt. Wer rein- oder rauswill – egal, ob Bewohner, Betreuer oder Helfer – muss durch den Matsch waten. Ursprünglich sollte der Platz schon längst befestigt sein. „Der Landkreis will das jetzt so schnell wie möglich nachholen“, sagt Bürgermeister Jörg Hänisch (parteilos).

Doch auch die Gemeinde ist noch im Rückstand. Den Eltern der Kita Samenkorn war versprochen worden, dass dort zwei zusätzliche Straßenlampen für mehr Licht und damit auch Sicherheit sorgen sollen. „Der Auftrag dafür ist schon lange erteilt. Die Firma Nehlsen hat jetzt zugesagt, dass die Lampen in der ersten Februarwoche aufgestellt werden“, sagt der Bürgermeister.

Die Asylbewerber hindert der Schlamm vor dem Haus indes nicht, erste Spaziergänge durch den Ort zu unternehmen. Eine kleine Gruppe steht vor dem Gestüt und schaut zum Schloss hinüber. Eine andere ist in Richtung Einkaufsmarkt unterwegs. Zwei der Männer bleiben vor der Kirche stehen. Der eine zückt sein Handy und fotografiert den anderen vor dem Gotteshaus.

Im Markt versucht einer der Neuen offenbar herauszubekommen, was sich in den Plastikverpackungen im Kühlregal verbirgt. Schließlich greift er zum Telefon, ohne den Becher aus der Hand zu legen. Fast sieht es so aus, als ob er sich Rat holt. Zwei andere haben China-Salat und Tomaten in ihren Einkaufswagen gelegt. Die Küche, so konnte Jörg Hänisch bei seinem Besuch beobachten, wird rege genutzt. Dort stehen den derzeit 64 Bewohnern acht Elektroherde zur Verfügung.

Deutschkurse beginnen

Donnerstagvormittag gab es in der Unterkunft auch die erste Sprechstunde der Sozialbetreuerin, die von der Produktionsschule Moritzburg zu Jahresbeginn neu eingestellt wurde. „Viel gab es noch nicht zu klären“, sagt die junge Frau. „Bisher sind alle nur registriert.“ Die Männer wollen daher vor allem wissen, wann sie ihren Anhörungstermin beim Bundesamt für Migration haben. Eine konkrete Antwort kann die Betreuerin darauf nicht geben.

Nachdem am Freitag eine Helferin von der Initiative Vielfalt Moritzburg noch ein fehlendes Kabel besorgt hatte, sollte nun auch der Fernseher in dem kleinen Gemeinschaftsraum funktionieren. Er bietet derzeit so gut wie die einzige Abwechslung. „Denn ein Smartphone haben durchaus nicht alle der hier Wohnenden“, sagt der Heimleiter. „Es ist darum ganz wichtig, Beschäftigung zu organisieren. Dass es hier so viele engagierte Unterstützer gibt, ist super.“

So sollen voraussichtlich in der nächsten Woche die vorbereiteten Deutschkurse beginnen. Zunächst muss aber erst einmal herausgefunden werden, wie die Voraussetzungen bei den Flüchtlingen sind – wer kann welche Sprache, gibt es Analphabeten. Anbieten wollen die Helfer von der Initiative mehrere Kurse. Geplant sind diese an verschiedenen Wochentagen und zu unterschiedlichen Zeiten. Stattfinden sollen sie außerhalb der Unterkunft. Auch ein Teil der von Moritzburgern gespendeten Bekleidung soll voraussichtlich in der nächsten Woche übergeben werden. Geplant sind von den Vielfalt-Leuten zudem kleine Ortsbegehungen, zu denen möglichst viele der Moritzburger mit eingeladen werden, die angeboten haben, als Patenschaften für die Fremden bereitzustehen.

Der Heimleiter hofft, dass das Café International, das Studenten in der Evangelischen Hochschule eingerichtet haben, möglichst bald in Betrieb geht. „Das ist eine super Idee.“ Der Probebetrieb soll im Februar starten, die offizielle Eröffnung ist für März geplant. Möglichst gemeinsam mit Studenten und Asylbewerbern.