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Assistenzarzt mit WG-Zimmer

Abed Sarraf aus Syrien arbeitet seit einem Jahr in der Elblandklinik – und pendelt dafür täglich aus Dresden.

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© Lutz Weidler

Riesa. Die tägliche Visite ist durch, der Papierkram erledigt. Jetzt ist Zeit zum Durchschnaufen. Abed Sarraf geht durch die offenstehende Tür eines Beratungszimmers und lässt sich an einem der Schreibtische in den Stuhl fallen. „Stressig ist das schon“, sagt der junge Assistenzarzt. Seit fünf Stunden ist er bereits im Dienst, es werden noch einige dazu kommen. Es ist einer von diesen 24-Stunden-Tagen: Arbeitsantritt war um 8 Uhr, ab 16 Uhr hat der Assistenzarzt Dienst in der Notaufnahme – bis in den nächsten Morgen hinein. Wenig Schlaf, aber eine große Verantwortung, sagt Sarraf. „Ich muss am Ende des Dienstes genauso konzentriert sein wie zu Beginn.“ Schließlich hänge davon die Gesundheit seiner Patienten ab.

Seit rund einem Jahr ist der Mann mit den schwarzen Locken und dem dichten Bart Assistenzarzt in der Klinik für Innere Medizin I am Riesaer Krankenhaus. Zu den anstrengenden Schichten kommt für ihn noch die weite Anfahrt: Der junge Syrer pendelt seit Juni jeden Tag mit dem Zug von Dresden nach Riesa. Die Dresdner Neustadt hat es ihm angetan, dafür nimmt der 26-Jährige gern die lange Anfahrt zur Arbeit in Kauf.

WG mit Lehrerin und Anwalt

Wenn er nach der 24-Stunden-Schicht nach Hause kommt, wartet dort aber nicht die eigene Wohnung auf ihn, sondern ein WG-Zimmer. „Ich wohne mit einer Medizinstudentin, einer Lehrerin und einem jungen Rechtsanwalt zusammen“, erzählt Sarraf. Dass er keine Lust auf seine eigenen vier Wände hatte, liegt vor allem an seinem ersten längeren Deutschland-Aufenthalt im Jahr 2013. „Damals habe ich in einem Studentenwohnheim in Oldenburg gewohnt.“ Vor allem sprachlich habe ihn das sehr weitergebracht, sagt Sarraf. Bei der Wohnungssuche in Dresden stand für ihn deshalb schnell fest: Es sollte erst einmal wieder eine WG werden.

Abed Sarrafs Chefs im Riesaer Krankenhaus dürften froh sein, dass sich der junge Arzt überhaupt für das Klinikum entschieden hat. Mit dem medizinisch-technischen Fortschritt seien auch die Anforderungen an die Ärzteschaft gestiegen, erklärt der Verwaltungsdirektor der Klinik, Peter Zeidler. Die Folge: Es wird mehr und spezialisiertes Personal benötigt. „Wir hatten noch nie so viele Ärzte wie jetzt“, sagt Zeidler. Und trotzdem herrsche eigentlich immer ein Mangel, weil der Bedarf weiter steigt. Zusätzlich sei es für Krankenhäuser im ländlichen Raum schwer, mit den Kliniken in großen Städten wie Leipzig und Dresden um die Assistenzärzte zu konkurrieren. Auch deshalb ist Zeidler froh darüber, dass zu den deutschen noch Bewerber aus dem Ausland kommen.

40 Ärzte aus dem Ausland

„Wir könnten unseren Betrieb ohne sie nicht aufrechterhalten.“ Derzeit beschäftige das Riesaer Klinikum 122 Ärzte. „Von denen kommen 40 aus dem Ausland, also fast ein Drittel“, sagt Verwaltungsdirektor Peter Zeidler. Dem Krankenhaus liege deshalb auch viel daran, junge Ärzte wie Abed Sarraf zu halten.

Dass ihm Dresden als Wohnort letztlich attraktiver erschien, deutet auch Sarraf an. An der Dresdner Neustadt gefalle ihm die offene und multikulturelle Atmosphäre, sagt er. Wenn das Gespräch auf seine Heimatstadt kommt, wird der Mann nachdenklich.Wenn er an Syrien denke, bekomme er manchmal ein schlechtes Gewissen, sagt Abed Sarraf. „Ich würde gerne helfen, so wie die Ärzte ohne Grenzen – aber ich bin dafür nicht mutig genug.“ Seine Eltern leben mittlerweile in Saudi-Arabien, die Großmutter und andere Verwandte sind noch im Land.