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Artour rettet Rietschener Seniorenclubs

Weil Ehrenamtler fehlen, soll nun bis zum Jahresende das kommunale Unternehmen einspringen.

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© André Schulze

Von Alexander Kempf

Mit zwei großen Präsentkörben und Blumen hat sich Rietschens Bürgermeister Ralf Brehmer am Montagabend bei Gisela Höfchen und Ingrid Bienst bedankt. Beide haben in den vergangenen Jahren die drei Seniorenclubs in Rietschen selbst, Daubitz und Hammerstadt betreut. „Die Senioren waren voll zufrieden damit. Herzlichen Dank“, sagt Ralf Brehmer mit einem Lächeln.

Weniger zufrieden dürfte der Bürgermeister darüber sein, dass er für beide Damen noch keinen Ersatz gefunden hat. Obwohl er höchstpersönlich eine Liste mit möglichen Kandidaten abtelefoniert hat, gebe es bisher keinen Freiwilligen, der die Treffen der Senioren organisieren möchte. „Ich habe oft gehört, dass dies eine wichtige und sinnvolle Aufgabe ist“, erzählt Ralf Brehmer. Bereit erklärt, diese zu übernehmen, habe sich aber noch niemand. Zwar soll sich ein Kandidat die Arbeit sogar angeschaut haben. Doch wegen des hohen Zeitaufwandes hat auch er abgesagt.

Da ein Inserat im Rietschener Anzeiger ebenfalls erfolglos geblieben ist, hat der Bürgermeister nun die Artour Rietschen um ein Angebot für die Betreuung gebeten. Das kommunale Unternehmen würde die Seniorenclubs ab April für rund 3300 Euro weiterführen. Zwei Mitarbeiter könnten dann die monatlich stattfindenden Treffen der drei Clubs organisieren und betreuen. Ausgenommen der beiden Urlaubsmonate Juli und August.

Dass die Artour einspringt, begrüßen alle Rietschener Gemeinderäte. Einstimmig stimmen sie dem Vorschlag der Verwaltung zu. „Ich finde die Lösung für den Übergang gut“, sagt etwa Torsten Lorenscheit. Trotzdem regt er an, dass Rietschen auch weiterhin die Stellen für das Ehrenamt ausschreibt und das Thema nicht in Vergessenheit gerät. Karl-Heinz Nicko wünscht sich, dass die Betreuung nicht anonym vergeben wird. Denn bisher hat es mit Gisela Höfchen und Ingrid Bienst zwei konkrete Ansprechpartner gegeben. „Ist es möglich, Personen zu benennen? Das wäre mir lieber“, sagt der Gemeinderat.

Die Artour will das beherzigen. Am Montagabend hat aber noch nicht festgestanden, wer sich künftig um die Senioren kümmert. Das kommunale Unternehmen weiß derzeit auch noch nicht genau, für wie viele Stellen es in diesem Jahr eine Förderung erhält, erzählt Mitarbeiterin Stefanie Tusche. „Wir haben 20 Personen beantragt. Es ist aber noch nicht klar, ob wir diese auch bekommen“, sagt sie. Eingesetzt werden sollen die Mitarbeiter unter anderem auf dem Erlichthof, in der Kita und bei Rietschener Vereinen, darunter auch erstmalig beim Rietschener Kinoverein.

Aufgrund der anhaltenden Kritik von Gemeinderat Helmut Perk am Unternehmen hat Stefanie Tusche am Montagabend die Artour und deren Aufgabenbereiche noch einmal ausführlich vorgestellt. In ihrem Vortrag ist sie unter anderem auf die Auftraggeber und die Mitarbeiterstruktur des Unternehmens eingegangen. Die Arbeitsschwerpunkte sind neben der Landschaftspflege vor allen Dingen Reinigungsarbeiten. Für Rietschen reinigt die Artour unter anderem die Kindertagesstätte in Rietschen und die Sporthalle in Daubitz. Die Gemeinde ist mit Abstand der Hauptauftraggeber seiner kommunalen Tochter.

Die Einnahmen durch Auftragsarbeiten für den Landkreis Görlitz, die Niederschlesische Entwicklungsgesellschaft oder die Sparkasse machen nur etwas mehr als zehn Prozent des Umsatzes aus. Die Präsentation am Montag hat Helmut Perk nicht versöhnlich gestimmt. „Die Artour kriegt eine Menge Geld, und in meinen Augen ist das zu viel. Wir reden hier von fast 200000 Euro“, sagt der Gemeinderat. Er bemüht sich seit geraumer Zeit um eine Offenlegung der Bücher der Firma. Das Angebot der Geschäftsführung für ein gemeinsames Treffen will er annehmen.

Insbesondere nach dem Wegfall des Kunden Vattenfall fürchtet Helmut Perk, dass die Verwaltungskosten der Artour deutlich zu hoch sind und Rietschen so zu viel zahlt. In der Vergangenheit hat er immer wieder kritisch angemerkt, dass das kommunale Unternehmen sich zudem von seinem eigentlichen Zweck entfremdet hat. Ursprünglich wollte Rietschen damit nämlich seinen Tourismus ankurbeln und Arbeitsplätze schaffen.

Stefanie Tusche verteidigt das Unternehmen am Montagabend. So sei es der Artour bereits gelungen, vier Menschen aus der Langzeitarbeitslosigkeit zu führen. „Und das werden auch nicht die letzten sein“, sagt sie zuversichtlich. Das Unternehmen beschäftigte zuletzt 21 Festangestellte. Darunter sind drei Vollzeitstellen, elf Teilzeitstellen sowie sieben geringfügig beschäftigte Mitarbeiter.