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Arbeiterwohlfahrt gibt Döbelner Tafel auf

Die Sozialeinrichtung an der Bahnhofstraße ist von der Schließung bedroht. Der Leiterin wurde gekündigt.

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© DA-Archiv/André Braun

Von Jens Hoyer

Döbeln. Seit 17 Jahren leitet Elvira Illgen die Döbelner Tafel. Ende des Jahres hatte ihr der Awo-Kreisverband Mulde-Collm gekündigt. „Kurz vor Weihnachten“, sagte die fast 61-Jährige. Die Arbeiterwohlfahrt will die Trägerschaft der Döbelner Tafel loswerden. Die Einrichtung versorgt bedürftige Menschen in Döbeln, Roßwein, Waldheim und Leisnig mit günstigen Lebensmitteln. Bis Mitte des Jahres geht es noch weiter. Was danach wird, steht in den Sternen.

Die Arbeiterwohlfahrt hatte die Tafel vor 15 Jahren übernommen. Jetzt soll damit Schluss sein. Der Vorstand des Kreisverbandes hatte einstimmig beschlossen, die Trägerschaft aufzugeben, sagte der Vorsitzende Olav Chemnitz. Betroffen ist nicht nur die Tafel in Döbeln, sondern auch die Tafel in Grimma. Die Personalsituation gibt die Awo als einen der Hauptgründe an. Die Arbeitsämter stellen nicht mehr so viele Kräfte zur Verfügung und die Gewinnung von freiwilligen Helfern sei schwierig und rückläufig, antwortete Geschäftsführer Daniel Schippan eine Anfrage des DA. Arbeit gibt es eine Menge. Die Ware muss abgeholt, sortiert, gelagert und verteilt werden, dazu kommen Verwaltung und Überwachung. Die Leiterin komme kaum zum Anleiten der Mitarbeiter, weil sie viel selbst erledigen muss. Auch eine Vertretung bei Urlaub oder Krankheit sei kaum abzusichern. Zudem seien die „ordnungspolitischen Betriebsvorschriften“ verschärft worden, so Schippan. „Unter diesen Umständen können wir die gebotene Qualität der ausgegebenen Lebensmittel mittelfristig nicht sicherstellen.“ In der jüngeren Vergangenheit hatte es eine Beschwerde bei der Lebensmittelüberwachung wegen abgelaufener Lebensmittel gegeben. Die Behörde bemängelte nach einer Kontrolle auch noch andere Punkte und wies darauf hin, dass der Personalstand nicht ausreichend sei, um die Lebensmittel ausreichend sortieren, kühlen und lagern zu können.

„Für unseren Verband ist das Betreiben der Tafeln ein Kraftakt ohnegleichen“, sagte der Vorsitzende Olav Chemnitz. „Wir bekommen auch keine Förderung und keine Spenden mehr. Und mit der Grundsicherung muss in Deutschland auch kein Mensch mehr hungern.“ Der Aufwand sei groß. Um Obst und Gemüse heranzuholen, fahren die Döbelner jeden Tag nach Dresden.

Die Döbelner Tafel versorgt etwa 500 Familien und Personen in Döbeln, Roßwein, Waldheim, Hartha und Leisnig mit kostengünstigen Lebensmitteln. Bis zum Sommer läuft der Betrieb noch weiter. „Wir haben ja ein Pflichtbewusstsein“, meint Elvira Illgen. Die Begründungen des Kreisverbandes sind für sie nicht nachvollziehbar. Die Döbelner Tafel habe weitgehend selbstständig gearbeitet und auch den größten Teil der Kosten selbst erwirtschaftet. „Und nach Dresden sind wir auch schon lange gefahren“, sagte sie.

Frank Götzel, Vorsitzender des Awo-Ortsvereins, empfindet die Entscheidung des Vorstandes und den Umgang mit Elvira Illgen als skandalös. „Wir haben nur durch Gerüchte davon erfahren und mussten beim Kreisverband erst anfragen. Wir hatten mit Elvira Illgen manche Meinungsverschiedenheit, aber sie war immer fleißig.“ Er kreidet dem Verband an, sich nicht genügend ums Personal und einen Nachfolger gekümmert zu haben. „Die Awo ist ein Sozialverband und die Tafel ist auch ein Kommunikationsort in Döbeln“, sagte Götzel. Der Ortsverein nutze einmal in der Woche die Räume für Treffen und Veranstaltungen. „Da kommen bis zu 25 Leute.“

Im kommenden Monat will der Kreisverband die Döbelner Mitglieder bei einem Treffen informieren. Die Frage ist, wie es weitergeht. Nach Ansicht von Geschäftsführer Schippan könnte ein bestehender Verein die Trägerschaft übernehmen oder ein „Tafel e.V.“ durch lokale Akteure gegründet werden. Der Awo-Kreisverband würde dafür die gesamte Ausstattung einschließlich Fahrzeuge zur Verfügung stellen, und auch bis Ende des Jahres die Miete für die Räume der Döbelner Tafel übernehmen.