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Arbeiten mit Handicap

Vor 25 Jahren übernimmt der Martinshof die Nieskyer Behindertenwerkstatt. Jetzt werden neue Aufgaben gesucht.

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© André Schulze

Von Katja Schlenker

Niesky. Stolz zeigt Andreas Luft die Stanzmaschine. Dort stellt er zum Beispiel Gummieinlagen für Spülbecken her. Seit 2001 arbeitet der Fünfzigjährige an dem Gerät, das in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung in Niesky steht. Diese wird vom Martinshof betrieben. Bereits zuvor hat Andreas Luft Aufgaben für das Rothenburger Diakoniewerk erledigt, etwa im Bereich Landschaftspflege. Im Juli 1990 hat er in der Nieskyer Werkstatt angefangen.

Diese befindet sich damals noch an der Horkaer statt an der Bahnhofstraße. Es sind unruhige Zeiten. Nach der politischen Wende werden Träger gesucht, welche die bisher kommunal geführten und geschützten Werkstätten übernehmen. Auch der Martinshof bietet zu der Zeit Arbeitstherapie für Menschen mit Behinderung an. Anfang 1991 kommt es zum Zusammenschluss beider Einrichtungen.

Gruppenleiterin Silke Höer hat diese Zeit miterlebt. Im Hinterhof des Gymnasiums befindet sich die Werkstatt damals. Über die offizielle Adresse Horkaer Straße 4 gibt es keinen Zugang. Stattdessen müssen die Behinderten über eine Außentreppe hoch in die erste Etage, um in den Gruppenraum zu gelangen. „Die Rollstuhlfahrer haben wir immer hoch und runter getragen“, erinnert sich die Fünfzigjährige. Von Mai 1988 bis Januar 1997 arbeiten die Menschen mit Behinderung dort. Die Gruppe ist relativ klein, nicht einmal zwanzig Menschen arbeiten damals in der Werkstatt. Zwei davon sind bis heute dabei.

Anfang 1997 folgt der Umzug in die neue Werkstatt an der Bahnhofstraße. Das Gebäude verbessert die Arbeitsbedingungen enorm. „Hier haben wir mehr Platz“, sagt Silke Höer. „Alles ist neu gebaut und ebenerdig.“ Das ist vor allem für Rollstuhlfahrer wichtig. Da in Niesky nun mehr Platz ist, ziehen einige Bereiche mit unters Dach. Zum Beispiel wird die Wäscherei von Rothenburg nach Niesky verlegt. Heute arbeiten in den Werkstätten des Martinshofes 270 Menschen mit Behinderung an den vier Standorten Niesky, Rothenburg, Kodersdorf und Kreba, erklärt Werkstattleiter Volkhard Schmidt. Rund fünfzig Mitarbeiter kümmern sich um die Beschäftigten.

Doch die Arbeit wird nicht einfacher. Zum einen erreichen immer mehr der Beschäftigten das Rentenalter. Sie müssen den Tag über anders betreut werden, wenn sie nicht mehr in der Werkstatt arbeiten. Zum anderen sinkt die Zahl von Menschen mit Behinderung, etwa durch pränatale Diagnostik und daraus folgende Abtreibungen. Stattdessen kommen junge Leute aus sozial schwachen Familien hinzu, die überall durch den Rahmen fallen, sagt Volkhard Schmidt. Beide Gruppen zusammenzubringen, ist kompliziert.

Die Menschen mit Behinderung kommen gerne in die Werkstatt, erzählt Silke Höer. Sie identifizieren sich mit ihrer Arbeit und fühlen sich wohl in den Gruppen. Diese ist mitunter sogar wichtiger als die Familie, da die Bindung dorthin meist nicht so eng ist. Mit der Gruppe sind die Beschäftigten jeden Tag zusammen, feiern sogar gemeinsam Geburtstage. Die Besuche der Familie sind meist seltener. Die Beschäftigten bekommen ein Grundgehalt von 75 Euro pro Monat. Möglich ist ein Steigerungsbetrag in Höhe von 26 Euro. Etwa ein Drittel der Beschäftigten kommen aus dem Wohnheim, zwei Drittel leben zu Hause bei ihren zum Teil hochbetagten Eltern oder in einer eigenen Wohnung.

Neben der Wäscherei und der Näherei gibt es in der Nieskyer Werkstatt noch die Bereiche Hauswirtschaft, Korbflechterei sowie individuelle Montage und Verpackung. Außerdem gibt es dort den Berufsbildungsbereich. Da werden die Beschäftigten auf ihre Fähigkeiten hin getestet und entsprechend ihrer Tätigkeit ausgebildet. In Rothenburg können die Menschen mit Behinderung neben der individuellen Montage und der Hauswirtschaft auch in den Bereichen Gärtnerei und Landschaftspflege sowie Keramik tätig sein. In Kodersdorf arbeiten zwischen 17 und zwanzig psychisch Kranke sowie in Kreba-Neudorf 15 Beschäftigte für die Lorenz Nuss GmbH.

Mit Firmen wie der Kreba-Neudorfer und anderen Partnern wie Evers Bauelemente in Rothenburg oder der dwt Zelte Niesky GmbH wird das 25-jährige Bestehen am Mittwoch gefeiert. Wenn der offizielle Teil vorbei ist, folgt eine Andacht mit Pfarrerin Petra-Edith Pietz, die theologischer Vorstand des Martinshofes ist. Und danach eine Party für die Beschäftigten.

Tag der offenen Tür: 13. Januar, 10 bis 12 Uhr, Bahnhofstraße 17, Niesky.