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Apotheker in der Abmahnfalle

Tausende Apotheker sollten hohe Zahlungen leisten. Darunter auch etliche aus der Oberlausitz. Sie wehren sich.

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© Thomas Eichler

Von Anja Beutler & Reiner Hanke

Apotheker Stefan Gänsler ist sofort im Bilde: „Welche Abmahnbriefe meinen Sie denn?“, sagt der Apotheker aus der Oberlausitz. Er habe nämlich nicht nur den Brief eines Leipziger Anwalts bekommen, der ihn zur Zahlung von reichlich 2 600 Euro aufgefordert hat, sondern noch weitere Post von einem Versand-Apotheker. In letzterem Fall sollte er kurz vor Weihnachten einige Hundert Euro zahlen, weil er angeblich nicht dafür gesorgt hatte, dass bei einer bestimmten Sorte Bonbons, die er vertreibe, die Inhaltsstoffe nicht ausreichend ausgewiesen seien. Im ersten Fall betrafen die Vorwürfe den Internetauftritt der Apotheke. „Ich habe mich mit meinem Anwalt beraten und dann beschlossen, über beide Fälle zu lachen und sie zu ignorieren“, sagt Gänsler. Nicht alle seine Kollegen, die vor einigen Wochen die sechs Seiten voller Vorwürfe erhalten haben, reagierten so locker.

Karsten Drobny ist Chef der Kamenzer Stadtapotheke. Auch er hat nicht zum ersten Mal Abmahnpost von Anwälten bekommen. Die Masche werde immer wieder probiert, um Geld abzuzocken. Jüngst sei die Königsbrücker Filiale betroffen gewesen. Dabei ging es um Internethandel. In dem Fall ging es um ein Betäubungsmittel, das nicht versandt werden darf. Allerdings war übersehen worden, dass „wir gar keinen Shop betreiben“, so Drobny. Es handelt sich um ein Vorbestellsystem. Die Arzneien müssen dann in der Apotheke abgeholt werden. Dennoch lasse sich so eine Abmahnung nicht einfach abtun. Drobny habe einen Anwalt einschalten müssen, und sei am Ende auch noch auf den Kosten sitzengeblieben. Denn der Abmahn-Apotheker sei inzwischen pleite. Eines rät der Kamenzer Fachmann: keinesfalls gleich einzuknicken und zu zahlen. Denn es gebe immer wieder solche Versuche auf betrügerische Weise Geld zu erschleichen. Manchmal geht es um Kleinigkeiten. Bei einer Kollegin aus dem Kamenzer Raum wurde zum Beispiel bemängelt, dass in einem Apotheken-Adressportal eine Bezeichnung hinter dem Namen fehle. Branchen-Kollege Wieland Schäfer aus Löbau ließ ein solches Schreiben sofort von einem Juristen bewerten. Ihm war vorgeworfen worden, gegen wichtige berufsrechtliche Standards verstoßen zu haben: zum einen wäre das Impressum auf seiner Internetseite fehlerhaft. Zum anderen könne man bei ihm – ähnlich wie bei seinem Kamenzer Kollegen – über das Internet Präparate bestellen, die unter das Betäubungsmittelgesetz fielen.

Schreiben professionell gemacht

Aus Schäfers Sicht sei das Schreiben des Anwaltes, der angeblich einen Mandanten in Schwäbisch Hall vor unlauterem Wettbewerb im Internet schützen wollte, durchaus professionell gemacht gewesen. Professionell war es aber auch auf andere Weise – es war ein Massenprodukt, um möglichst viel Geld zu erhalten: Denn außer Schäfer bekamen etwa 3 000 Apotheker in ganz Deutschland wortgleiche Briefe, nur Adresse und Apotheken wurden angepasst.Alle Angeschriebenen sollten reichlich 2 600 Euro pro Apotheke zahlenOft dreht sich die Anwaltspost um Onlineangebote. Dabei spiele das Online-Geschäft bei den hiesigen Apothekern eine eher geringe Rolle. Eine Versandhandelslizenz und auch eine Internetseite haben zwar etliche Apotheker. Rezepte würden aber selten online eingelöst. Das hat Gründe: Selbst wenn jemand über das Internet ein verschreibungspflichtiges Medikament anfordert, muss das Rezept in die Apotheke geschickt werden.Und auch beim Onlinehandel sei die Beratung des Kunden Pflicht, zum Beispiel per Telefon, bevor das Medikament zugestellt werde‚ heißt es.

Jener Apotheker, der mit seinem Anwalt offenbar das große Geld machen wollte, ist laut Apothekerzeitung übrigens nicht nur pleite. Gegen ihn laufen jetzt auch Ermittlungen, auch wegen versuchten gewerbsmäßigen Betruges.