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Apollo ist wieder nackt

Von den Sandsteinfiguren im Schlosspark Rammenau wurde die Verkleidung entfernt. Nicht alle sind unbeschadet.

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© Steffen Unger

Constanze Knappe

Rammenau. Endlich sind sie wieder nackt. Na ja, nicht ganz im wörtlichen Sinne. Denn Apollo und Merkur haben jeweils einen langen wallenden Umhang um ihre Schultern gelegt, der den Blick auf ihre wohlgeformten Körper ermöglicht, die Männlichkeit jedoch verhüllt. Dennoch sind die beiden Männer nackter als sonst. Nach dem Winter wurden sie jetzt „enthaust“, also die vor dem Frost schützenden Holzhäuser um die Sandsteinfiguren herum entfernt. Die auch in anderen Schlössern üblichen Überbauten weisen in Rammenau eine Besonderheit auf. Die Sandsteinfiguren im Schlosspark sind nur an drei Seiten von Holz umhüllt. An der Vorderseite ist eine Glasscheibe angebracht. „Damit die Figuren raus- und die Besucher reingucken können“, so die gästefreundliche Begründung. Jetzt präsentieren sich die beiden Herrn wieder ohne Verkleidung. Quasi so, wie Gott sie geschaffen hat oder besser gesagt der Dresdner Bildhauer Andreas Böhmer, in dessen Werkstatt die mannshohen Sandsteinfiguren um 1740 entstanden sind.

Apollo und Merkur sind Zugewanderte, wie man heute sagen würde. Sie befanden sich ursprünglich im Schlosspark von Elstra. Ernst Ferdinand von Knoch (1677 – 1745), der von seinem Onkel das dortige und andere Rittergüter geerbt hatte, gab die Figuren einst in Auftrag bei dem Dresdner Bildhauer, der auch einige Skulpturen für die Katholische Hofkirche in Dresden schuf. Knoch ersteigerte 1717 das Rittergut Rammenau und ließ das Schloss errichten. Dabei übernahm er sich jedoch finanziell, weshalb sich der Bau in die Länge zog und 1744 die Immobilie erneut zwangsversteigert werden musste.

Beschützer von Musik und Gesang

Der rechts der Treppe stehende Apollo, dem ein Unterarm fehlt, gilt in der griechischen und römischen Mythologie als Gott des Lichts, der Heilung, der Weissagung und der Künste. Als Beschützer von Musik und Gesang wurde er oft mit der Kithara abgebildet, einem Saiteninstrument aus der griechischen Antike. Im Rammenau hält er sie links hinter dem Körper. Apollo wurden wegen seiner künstlerischen Neigungen gute Eigenschaften zugeschrieben.

Andererseits soll er auch Unheil und Verderben gebracht haben. Diese Zwiespältigkeit fasziniert Schlossleiterin Ines Eschler an der Figur. Schon als Teenager habe sie sich gern mit den Göttersagen beschäftigt, erzählt sie. Zum Beispiel mit den Flügeln, die Merkur wahlweise am Hut oder an den Sandalen trägt. Griechisch Hermes genannt, gilt Merkur als Gott der Herden, der Diebe und des Handelns.

Der Sage nach soll er Apollos Rinderherde gestohlen haben. „Er durfte sie behalten, nachdem er für Apollo aus einer Schildkrötenschale eine Lyra angefertigt hatte“, sagt Ines Eschler. Abbildungen griechischer und römischer Götter finden sich im Schloss an etlichen Stellen. Die Gemälde über den Türen des Humboldtzimmers zeigen solche Götterszenen. Der Raum wurde zu DDR-Zeiten als Jagdzimmer genutzt. Bei der Restaurierung 2010 wurden die Gemälde aufgearbeitet. Auf Grundlage von Bildern, die der Zittauer Maler Hans Lillig Anfang der 1920er-Jahre im Auftrag der letzten Schlossbesitzerin Margarethe von Helldorff (1876 – 1948) von den Wänden der einzelnen Zimmer des Schlosses malte.

Von Elstra nach Rammenau

Dass Apollo und Merkur von Elstra nach Rammenau umzogen, ist Heinrich Ferdinand von Helldorff (1870 – 1937), Ehemann der letzten Schlossbesitzerin, zu verdanken. Er veranlasste dies 1922. „Anfang des 20. Jahrhunderts war es offenbar modern, sich mit Figuren der römischen oder griechischen Geschichte zu umgeben“, erklärt Ines Eschler. Seit jener Zeit stehen auch die „Vier Jahreszeiten“ im Rondell des Ehrenhofs vor dem Rammenauer Schloss. Die Figuren Frühling, Sommer, Herbst und Winter schmückten zuvor gleichfalls den Schlossgarten in Elstra und stammen ebenso aus der Werkstatt von Andreas Böhmer.

Abgesehen von der Überdachung im Winter sind die Sandsteinfiguren ganzjährig speziell geschützt. Damit kein Wasser in den Sandstein eindringen kann und um das Vermoosen zu verhindern. 2014 wurden an allen Figuren die Poren gereinigt und die Oberfläche versiegelt. Die Architekten des Sächsischen Immobilien- und Baumanagements (SIB) haben regelmäßig ein Auge darauf. Jetzt wurde festgestellt, dass der Oberflächenschutz an den Statuen der „Vier Jahreszeiten“ stellenweise beschädigt ist. Deshalb sollen noch in diesem Jahr steinkonservatorische Arbeiten ausgeführt werden. Bei Apollo und Merkur besteht in dieser Hinsicht aber kein Handlungsbedarf.

Barockschloss Rammenau hat täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet; die Gastronomie erst ab 12 Uhr mit Ruhetag am Dienstag; Eintritt: Erwachsene fünf, Familienkarte zehn Euro.

www.barockschloss-rammenau.com

Damit endet die Serie der SZ. Sie wird zu gegebener Zeit mit neuen Geschichten fortgesetzt.