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Anwohner klagen gegen neues Baugebiet

In Pesterwitz soll ab kommendem Jahr eine neue Eigenheimsiedlung entstehen. Wird das Projekt nun gekippt?

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Tobias Winzer

Freital. Das derzeit größte Vorhaben der Stadt für Wohnungsbau könnte von einem Gericht noch gestoppt werden. An der Dölzschener Straße in Pesterwitz will die städtische Freitaler Projektentwicklungs-gesellschaft FPE ab dem kommenden Jahr insgesamt 56 neue Baugrundstücke erschließen. Nachdem der Freitaler Stadtrat den dazu ausgearbeiteten Bebauungsplan im Sommer beschlossen hat, liegt das Konzept nun zur Genehmigung beim Landrat. Eine Interessengemeinschaft von Anwohnern will das Vorhaben nun noch einmal auf seine Rechtmäßigkeit gerichtlich prüfen lassen. Im äußersten Fall könnte das Millionenprojekt verändert oder gar gekippt werden.

Hinter der Interessengemeinschaft steht eine Handvoll Anwohner. Ihr Sprecher ist Ulrich Naumann. „Derzeit ist eine Normenkontrollklage in Vorbereitung“, sagt er. Um einen Anwalt zu bezahlen, sei von den Mitgliedern der Interessengemeinschaft und von anderen Pesterwitzern eine „erhebliche Summe“ aufgebracht worden. Als Normenkontrolle bezeichnet man die Überprüfung von Rechtsnormen daraufhin, ob sie mit höherrangigem Recht, also zum Beispiel mit dem Verfassungsgesetz, vereinbar sind. Normenkontrollen werden in Deutschland von Verfassungsgerichten vorgenommen.

„Es soll einfach geprüft werden, ob dieser Bebauungsplan unter Berücksichtigung aller Notwendigkeiten einwandfrei ist“, sagt Naumann. „Wir wollen wissen, ob die Verwaltung sauber gearbeitet hat.“ Wann genau die Klage eingereicht wird, konnte er nicht sagen.

Die FPE plant auf dem etwa sechs Hektar großen Grundstück – das entspricht der Größe von zehn Fußballfeldern – 56 Baugrundstücke. Die Erschließung übernimmt das städtische Tochterunternehmen. Für den Rest sind die Häuselbauer verantwortlich. Die Grundstücke sollen durchschnittlich 735 Quadratmeter groß sein. Sie können mit Einfamilien- und Doppelhäusern bebaut werden. Die neue Siedlung ist in zwei Teile gegliedert. Die Zufahrt zum südlichen und weitaus größeren Teil erfolgt über die Dölzschener Straße. Der nördliche Teil kann über die Straße Schöne Aussicht erreicht werden. Zwischen den beiden Wohngebietsteilen ist ein Park geplant. Durch den Verkauf der 56 Baugrundstücke sind Einnahmen zwischen fünf und sechs Millionen Euro zu erwarten. Das Interesse von Häuselbauern an den Grundstücken sei groß, hieß es zuletzt.

Kritik gibt es schon lange an dem Vorhaben. Bevor der Bebauungsplan verabschiedet worden ist, gab es im Rahmen des gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligungsverfahren insgesamt 43 Stellungnahmen von beteiligten Behörden, von Nachbargemeinden und auch Bürgern. Die weitreichendste Kritik kam aus dem Umweltamt des Landkreises. Die Behörde bemängelte, dass die Stadt zu wenig tut, um die Eingriffe in die Natur auszugleichen.

Reicht die Infrastruktur im Ort?

Bei den Kritikpunkten der Bürger ging es um verschiedene Dinge: Einige kritisieren, dass die Einfamilienhäuser zu hoch sind. Andere befürchten, dass die Architektur der Häuser nicht zu Pesterwitz passt. Die direkten Anwohner kritisieren außerdem, dass ihnen beim Kauf ihrer Grundstücke ein freier Elbtalblick versprochen worden sei. Sie fühlen sich nun getäuscht. Befürchtungen gibt es auch, dass die Vorschriften im Bebauungsplan nicht eingehalten werden. Der Grund: Bei ganz ähnlichen Vorhaben in Pesterwitz wurden Grundstücke verkauft, die nicht hätten verkauft werden dürfen. Außerdem wurden Straßenbäume nicht gepflanzt, die aber vorgeschrieben waren.

Die Stadt hatte auf die Kritik des Umweltamtes reagiert und will nun noch mehr für die Umwelt tun als ursprünglich geplant – als Ausgleich für die Bebauung der Brache. Vom Freistaat sollen ein altes Stallgebäude an der Straße Am Neubauernhof in Pesterwitz und eine alte Melkstation, die sich an der Kohlsdorfer Straße zwischen Pesterwitz und Wurgwitz befindet, gekauft, abgerissen und die Flächen renaturiert werden. Außerdem sollen an vier Stellen in Burgk und Zauckerode Streuobstwiesen und Wildobst-Haine entstehen.

Nach Ansicht der Interessengemeinschaft reicht das aber nicht. „Es hat sehr viele Einwände gegeben“, sagt Naumann. „Es ist eine außergewöhnliche Sache, dass praktisch keine einzigen Einwände zur Kenntnis genommen werden.“ Dabei gehe es den Kritikern nur nachrangig um den freien Blick, der jetzt verbaut werde. „Das spielt die allergeringste Rolle.“

Die Anwohner befürchten eine Überlastung der Infrastruktur des Ortsteils. In den vergangenen Jahren seien die Hälfte aller neuen Baugrundstücke für Freital in Pesterwitz entstanden. Der Ortsteil habe aber nur sieben Prozent der Fläche Gesamt-Freitals. „Von einer angemessenen Entwicklung kann man da nur schwerlich sprechen“, so Naumann.

Wenn immer mehr Menschen nach Pesterwitz ziehen, könnten Schulen, Kitas, Einkaufsmöglichkeiten, Straßen nicht mehr ausreichen. „Außerdem werden Ausgleichsmaßnahmen nicht in dem Maße umgesetzt wie notwendig“, so Naumann. Die Anwohner fordern unter anderem, dass die Umweltprojekte nicht in anderen Freitaler Ortsteilen, sondern direkt vor Ort umgesetzt werden. Bei dem Grundstück handele es sich um die letzte noch unbebaute, große und zusammenhängende Fläche in Pesterwitz. „Wir wollen so viel öffentliche Fläche wie möglich erhalten“, sagt Naumann.

Das Problem mit der fehlende Infrastruktur hat auch die Stadt erkannt und wollte es mit einem groß angelegten Förderprogramm lösen. Eigentlich sollten 14 Vorhaben mit Fördermitteln umgesetzt werden. Das Rathaus wollte den Ortsteil zum Fördergebiet im Bund-Länder-Programm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ machen – und so etwa 2,3 Millionen Euro in die Infrastruktur investieren. Doch Pesterwitz wurde nicht in das Programm aufgenommen. Jetzt ist fraglich, ob die Stadt die Maßnahmen aus dem eigenen Haushalt finanzieren kann.

Unter anderem soll auf dem Grundstück neben dem Edeka-Markt und der Freifläche am Gutshof ein neuer Ortsmittelpunkt entstehen. Gefordert wird ebenfalls ein neuer Bolzplatz im neuen Wohngebiet Dölzschener Straße. Außerdem soll der Pesterwitzer Sportverein einen neuen Kunstrasenplatz bekommen. Mehr Grünflächen und Parks könnten durch die Umgestaltung des ehemaligen „Neuen Friedhofs“ geschaffen werden.

Die Interessengemeinschaft der Anwohner glaubt nicht daran, dass die Forderungen tatsächlich umgesetzt werden. „Mit der Normenkontrollklage wollen wir einfach unser Recht in Anspruch nehmen – nicht mehr und nicht weniger“, sagt Naumann. Er persönlich hält es für unwahrscheinlich, dass das Vorhaben noch gänzlich gestoppt werde. „Aber wir erhoffen uns mehr, als der jetzige Bebauungsplan vorsieht.“ Die Stadt will mögliche Folgen der Klage zunächst nicht kommentieren. Derzeit bestehe für die Fläche noch kein Baurecht, sagt Rathaussprecher Matthias Weigel. Das Planverfahren befinde sich gegenwärtig zur Prüfung im Landratsamt. „Bis zur Erteilung eines Bescheides können keine weiterführenden Aussagen zum Fortgang des Projektes getroffen werden.“