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Anwohner kämpfen gegen Müll

Weniger Verpackungen – weniger Abfall. So lautet die simple Rechnung einer Initiative. Sie hat ihren ersten Erfolg erzielt.

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© Sven Ellger

Von Sarah Herrmann

Papp- und Plastikbecher, Pizzakartons, Verpackungsreste – auf den Neustädter Straßen bietet sich häufig ein unschöner Anblick. Gerade an den Wochenenden ist das Fassungsvermögen der Papiercontainer oft zu klein für die Hinterlassenschaften zahlreicher Partygäste. Eine Gruppe von Dresdnern hat dem Müll nun den Kampf angesagt und die Bürgerinitiative zur Förderung alternativer Verpackungen (BiFaV) gegründet. Der Name ist kompliziert, das Ziel einfach: Die Mitglieder um die Vorsitzenden Thomas Alexander Leikauf und Josefine Svensson wollen Müll vermeiden. Nun haben sie den ersten Erfolg erzielt.

Deswegen gibt Metin Arslan (kl. Foto) von Pink Pizza auf der Alaunstraße jetzt die erste Pizza zum Mitnehmen ohne Karton heraus.
Deswegen gibt Metin Arslan (kl. Foto) von Pink Pizza auf der Alaunstraße jetzt die erste Pizza zum Mitnehmen ohne Karton heraus. © René Meinig
Müll auf den Neustädter Straßen.
Müll auf den Neustädter Straßen. © BiFaV

Gemeinsam mit Metin Arslan, dem Besitzer von Pink Pizza auf der Alaunstraße, hat die BiFaV die erste verpackungslose Pizza entwickelt. Die „Pizzgo“ gibt es in zwei verschiedenen Größen. Sie wird wie eine Calzone zusammengeklappt und auf einer Serviette mitgegeben. Der sperrige Karton, der meist wegen seiner Größe nicht in, sondern neben den Mülleimern landet, ist somit nicht mehr notwendig. „Wir haben festgestellt, dass ein Großteil des Mülls in der Neustadt durch das To-Go-Geschäft produziert wird“, erklärt Leikauf. Acht Wochen lang hat die Initiative ein sogenanntes Abfall-Monitoring durchgeführt. Dabei haben die Mitglieder in Schrift und Bild festgehalten, wo sich welcher Müll türmt.

Das Ergebnis: Meist sind es Pizzakartons, Becher und Nudelboxen, die auf den Straßen und in den Gebüschen landen. Die prekärsten Ecken sind die Alaun-, die Louisenstraße sowie der Platz am Artesischen Brunnen, der von vielen als Treffpunkt vor der Kneipen- oder Clubtour genutzt wird. Trotzdem rückt die Stadtreinigung dort nur zweimal wöchentlich zum Putzen an – für die Initiative zu wenig. Sie teilen ihre Beobachtungen dem Amt für Abfallwirtschaft und dem Neustädter Ortsamtsleiter André Barth mit.

Neben der Verwaltung sind es vor allem die Gewerbetreibenden, auf die BiFaV Einfluss nehmen will. „Wir haben die Gewerbetreibenden darauf angesprochen. Habe Bilder von ihren Verpackungen gezeigt, die in der Neustadt rumliegen“, berichtet Leikauf. „Die meisten waren überrascht, sich des Problems vorher nicht bewusst.“ Bei Arslan hat die Schocktherapie gewirkt. Andere Händler sind zumindest von der Plastik- auf die Papiertüte umgestiegen. Das ist eines der Ziele der Initiative. Außerdem soll vermehrt Holzbesteck herausgegeben werden. Obwohl die BiFaV sich erst im Mai dieses Jahres gegründet hat, gibt es schon über 100 Mitglieder. Die meisten von ihnen sind Gewerbetreibende aus dem Ausgehviertel – darunter auch ein Pionier in Sachen Müllvermeidung.

2015 öffnete Berit Heller ihren verpackungsfreien Supermarkt „Lose“ auf der Böhmischen Straße. Das Konzept gab es damals nur vereinzelt in anderen Städten, für Dresden war es komplettes Neuland. Bei Heller sind alle Artikel ohne Verpackung erhältlich. Vom Müsli bis zur Zahnpasta wird alles in mitgebrachte Dosen abgefüllt.

Auch Leikauf und Svensson kaufen dort ein. Generell versuchen sie, mit gutem Beispiel voranzugehen. Beide nutzen Stoffbeutel, greifen zur Glas- statt zur PET-Flasche. „Verpackungen komplett wegzulassen, ist aber schwierig“, räumt Svensson ein. Darum gehe es der Initiative auch nicht. „Man muss einen guten Mittelweg finden.“ Das kann jeder Einzelne: Obst und Gemüse lose einkaufen statt in den Plastikbeuteln, die in den entsprechenden Supermarktabteilungen zu finden sind. Den eigenen Thermobecher mit Kaffee befüllen lassen, statt zum Modell aus Pappe zu greifen.

Letzteres ist auch der Stadtverwaltung ein wichtiges Anliegen. Sie hat in diesem Jahr eine Papierkorbanalyse durchgeführt. Demnach landen schätzungsweise 50 000 Becher pro Tag in den Dresdner Mülleimern. Das macht pro Jahr 18 Millionen Pappgefäße. Dabei füllen bereits jetzt mehr als 70 Cafés, Bäckereien und Gaststätten die Getränke auch in mitgebrachte Gefäße. Das hat eine Umfrage der Stadt ergeben. Viele von ihnen geben dann sogar Rabatt. Trotzdem nutzen bisher nur etwa fünf bi zehn Prozent der Kunden das Angebot. Die Stadt will das befeuern und hat zunächst Aufkleber an die Händler verteilt.

Auch Leikauf und Svensson werden sich mit ihrer Initiative weiter für alternative Verpackungen einsetzen. Damit unschöne Bilder auf den Neustädter Straßen bald seltener werden.