Merken

Anwohner bauen auf „schlafende Polizisten“

Einige Familien sehen sich durch Raser gefährdet. Abhilfe könnten Fahrbahnschwellen bringen. Ein Teil der Stadträte ist skeptisch.

Teilen
Folgen
© André Braun

Von Heike Heisig

Leisnig/Polkenberg. Sabine Otto wohnt an der Polkenberger Dorfstraße. Das ist eine Sackgasse nach dem ehemaligen Gasthof „Trompeter“, nur wenige hundert Meter lang, die Geschwindigkeit auf 30 Stundenkilometer begrenzt. Trotzdem wird auf der Straße vor ihrer Tür gerast. Zweimal hat ihr Auto Schaden genommen, ein Aufprall hat es zwei Autolängen nach vorn katapultiert. Das schilderte Sabine Otto am Donnerstagabend den Mitgliedern des Technischen Ausschusses. Sie sagte deutlich, dass sie und ihre Nachbarn Angst hätten um die Gesundheit ihrer Kinder und auch die eigene. Selbst parkende Autos könnten, wie passiert, zu Geschossen werden. Kinder hätten dann überhaupt keine Chance. Einen Fußweg als Schutzraum gibt es nicht.

Mit einer Liste, auf der knapp ein Dutzend Anwohner ihrer Straße als Unterstützung unterschrieben haben, wendet sich die Polkenbergerin an die Stadtverwaltung Leisnig. Sie bittet darum, dass über den Aufbau von Fahrbahnkissen oder -schwellen – also Hindernissen, die zum Langsamfahren zwingen – nachgedacht wird. Solche im Volksmund als „schlafende Polizisten“ bezeichneten Huckel gibt es in Leisnig bislang nur an einer Stelle: neben dem Spielplatz am Peter-Apian-Platz. Dort bewähre sich der Einsatz. Von Anwohner habe er nichts Negatives gehört, sagte Uwe Dietrich vom Ordnungsamt den Räten.

Autos beschädigt, Katze überfahren

Er bestätigte, dass es in den zurückliegenden Jahren mehrere Verkehrsunfälle mit Sachschaden gegeben hat, den letzten Anfang 2018. In einem Fall sei Alkohol im Spiel gewesen. Möglichkeiten, in diesem Straßenbereich Verkehrskontrollen zu initiieren, sehe die Kommune selbst nicht.

Aus Sicht des Ordnungsamtes bestehe durchaus die Möglichkeit, Fahrbahnschwellen zu installieren. Auf dem Bauhof seien mobile sogar noch vorrätig, sodass keine Anschaffungskosten entstünden. Lediglich Schilder mit einem Hinweis auf die Schwellen müssten gekauft und aufgestellt werden. Die Idee ist übrigens nicht neu. „Die Straße ist Anfang der 2000er-Jahre ausgebaut worden. Schon damals gab es die Überlegung, dort Fahrbahnkissen einzusetzen“, so Dietrich. Weshalb es nicht dazu gekommen ist, könne er nicht sagen. Damals war die Gemeinde Bockenwitz noch selbstständig.

Die Meinung der Ausschussmitglieder zum „schlafenden Polizisten“ ging auseinander. Uwe Reichel stimmte ohne zu zaudern für den Vorschlag. Mathias Voigtländer (CDU) sagte: „Ich habe im Prinzip nichts gegen die Schwellen. Doch es sind eigentlich alles Anwohner, die auf den 200 bis 300 Metern wohnen“, gab er zu bedenken. Hans-Hermann Schleußner (WG) wohnt selbst in Polkenberg. Er zweifele an der Wirkung. Erster Weg sei für ihn daher, mit den Anwohnern zu reden und auf die Raser einzugehen. Auch Postzusteller sollten angesprochen und zum Langsamfahren angehalten werden. Doch was ist mit anderen Zustellern oder den Entsorgungsdiensten? Diese Frage blieb unbeantwortet.

Dieter Kunadt (Die Linke) erinnerte daran, dass es vor Jahren den Antrag von Einwohnern aus Minkwitz gab, dort Fahrbahnschwellen zu installieren. Der sei abgelehnt worden. Den Wunsch an sich hält er für verständlich. „Nur an das Schild 30 hält sich keiner“.

René Quandt (CDU) scheut nicht davor zurück, ein Exempel zu statuieren. „Wir sollten es nicht darauf ankommen- und zulassen, dass erst jemand zu Schaden kommt“, appellierte er. Auch für Bürgermeister Tobias Goth (CDU) bedürfe es in jeder Situation einer Einzelentscheidung.

Bauamtsleiter Thomas Schröder gab zu bedenken, dass die Fahrbahnschwellen neue Probleme heraufbeschwören könnten. Er sprach von einer Lärmbelästigung durch Abbremsen und Wiederanfahren vor den Hindernissen. Auch Sabine Otto weiß, dass einige ihrer Nachbarn gegen Änderung sind, weil sie Lärm befürchten.

Schröder schlug stattdessen vor, die Sackgasse als verkehrsberuhigte Zone auszuweisen. Auf der sei höchstens Schrittgeschwindigkeit, also zehn Stundenkilometer, zulässig. Nachteil an dieser Lösung sei, warf Uwe Dietrich ein, dass in solch einer Zone das Parken nur auf aufgewiesenen Flächen gestattet sei. Dadurch fielen möglicherweise einige Stellflächen weg. Und zu viele Möglichkeiten, ein zweites Auto abzustellen, bestünden an dieser Straße nicht. Er selbst bezweifelt die Wirkung: „Wer sich nicht an die 30 hält, der ignoriert auch jedes andere Schild.“

Dem Bauamtsleiter zufolge hätten Verwaltung und Polizei andere Möglichkeiten, die Raser zu reglementieren. Dafür müssten die Autonummern aufgeschrieben und dem Ordnungsamt oder der Polizei übermittelt werden. Laut Dietrich zeige die Praxis aber, dass niemand seinen Nachbarn anschwärzt. Sabine Otto jedenfalls führt sich nach der Runde im Ausschuss nur noch ratloser als vorher.

Da es keinen Konsens gab, beauftragten die Stadträte die Verwaltung, nach der günstigsten Lösung für die Polkenberger Dorfstraße zu suchen. Außerdem soll es noch im Mai/Anfang Juni ein Gespräch mit den Anwohnern geben.