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Anstoßen im versteckten Hinterhof

Bei der Hofnacht strömten Tausende Besucher durch die Altstadt. Um Fleckchen zu sehen, die sonst verborgen sind.

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© Marko Förster

Von Katarina Gust

Pirna. Schlange stehen, das müssen die Pirnaer an diesem Abend öfter. Auch Stephanie Jänsch und Robin Jennion müssen sich einreihen. Die Dresdnerin hat ihren Freund aus Australien mit nach Pirna gebracht. Sie will ihm die schöne Altstadt zeigen. Und nicht nur das. Ein Schlückchen Wein wollen die beiden trinken. Doch das haben auch andere Besucher der Pirnaer Hofnacht vor. Im Hof des Tetzelhauses kommen die beiden deshalb nur gemächlich voran. Doch das Warten lohnt sich.

Der Pirnaer Winzer Wolfgang Hübsch schenkt ihnen Spätburgunder aus. Vier Weine speziell aus Pirna hat er im Gepäck. Gereift sind die Reben an einem Hang an der Elbe. Im Sekundentakt reicht er volle Gläser über den Tresen. Hunderte blank polierte Gläser hat Winzer Winn vorbereitet. Ob sie bis zum Ende reichen, weiß er nicht. Zur Hofnacht im letzten Jahr hatte er zu wenige mitgebracht. Zur Not geht auch ein Plastikbecher. Die Pirnaer sind da nicht anspruchsvoll. Ein bunt geschmückter Innenhof, Musik und gut gelaunte Menschen. Mehr braucht es nicht für eine gelungene Hofnacht.

Das Rezept geht auf. Die Stühle im Hof des Tetzelhauses sind schon seit dem frühen Abend besetzt. Eigentlich geht das bunte Treiben erst 19 Uhr los. Doch hier hätten sich die ersten Gäste schon gegen 17 Uhr blicken lassen. Zwischen den Tischreihen hängen Leinen mit Sinnsprüchen zum Thema Wein. Ein alter Brunnen wurde zu einem Blumenbeet umfunktioniert. Auf einer kleinen Terrasse blüht es üppig. Es sind Fleckchen wie dieses, die die Hofnacht so besonders machen.

Purer Stress, aber viel Spaß

Die Stimmung brummt aber nicht nur hinter dem geschichtsträchtigen Tetzelhaus auf der Schmiedestraße. Wenige Hundert Meter nebenan gibt es im Innenhof von Gudrun Brückner und Andreas Nitsche am Abend kaum ein Durchkommen mehr. Eine Leine mit altmodischen Baumwollhosen und Kleidchen baumelt über den Biertischgarnituren. Nur drei Tafeln gibt es hier. Mehr Platz bietet der private Hof nicht. Wer es reinschafft, kann die Rückseite der Katholischen Kirche bewundern. Ein Blick mit Seltenheitswert. „Das sehen sonst nur unsere Mieter“, sagt Gudrun Brückner, der das Haus gehört.

Vier Wohnungen vermietet sie an der Schmiedestraße 26. Zwei Ferienwohnungen gehören dazu. Doch nicht jeder Gast scheint die nahe Kirche wegen des Glockenklangs schön zu finden. „Manche haben schon kehrt gemacht, weil sie einen lauten Glockenschlag befürchten“, erzählt die Dohmaerin. Den Gästen der Hofnacht ist das egal. Ihnen gefällt es. Und genau deswegen machen Gudrun Brückner und Andreas Nitsche seit vielen Jahren mit und öffnen ihren privaten Innenhof. „Der Tag ist purer Stress, aber auch wunderschön“, da sind sich beide einig. Schon früh sind sie auf den Beinen, bauen Tische auf, dekorieren. Abends kommen sie kaum zum Luftholen. Gudrun Brückner kassiert und schenkt Getränke aus. Andreas Nitsche steht ununterbrochen am Grill und bewacht Steaks, Bratwürste und Schaschliks. „Die Resonanz der Leute ist sehr positiv, das motiviert“, sagt Gudrun Brückner.

Skelett im Piratenkostüm

Das sieht auch Ulf Nguyen so. Der groß gewachsene Mann mit markantem schwarzen Hut steht an der Langen Straße 36 am Feuer. Darüber hängt ein Kessel mit Fleisch. Ab und zu muss der Pirnaer umrühren. Ansonsten beobachtet er das Treiben in seinem Hof. Auf zwei Etagen verteilen sich die neugierigen Besucher. Eine Werkstatt und ein Schuppen dienen als Bar. Unter der Werkbank stapeln sich Bierkästen. Unter einem Werkzeugstapel stehen Rum und Limetten. Es ist urig, rustikal, fast schon düster. Auf jeden Fall speziell. So wie einer der Bewohner des Privathauses.

Im Erdgeschoss hat Künstler Alexander Martin Schmitz sein Atelier. So kreativ wie er scheint das ganze Haus zu sein. Die Sitzmöbel sind aus den Privatwohnungen. In der Werkstatt steht ein Skelett im Piratenkostüm. Es wird schnell zum beliebten Fotomotiv. „Wir wollen eine individuelle Wohnzimmeratmosphäre schaffen“, erzählt Ulf Nguyen. Und: „Wir lieben es zu feiern, deshalb machen wir mit.“