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Anschlag auf Flüchtlingshelfer?

Nach einer Demonstration in Laubegast hat ein Ehrenamtler vier platte Reifen. Die Polizei ermittelt.

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© Sven Ellger

Von Tobias Wolf

Sein Gesicht kennen nicht nur Freunde und Unterstützer. Das ist Claus Dethleff nun möglicherweise zum Verhängnis geworden. Der 58-Jährige könnte Opfer eines Anschlags geworden sein. Unbekannte Täter haben mutmaßlich am Mittwochabend alle vier Reifen seines Wagens aufgestochen. Seit 2014 engagiert er sich mit dem Netzwerk „Laubegast ist bunt“ in der Flüchtlingshilfe – zum Missfallen „besorgter Bürger“ im Stadtteil und immer im Visier rechter Gruppen, wie der Freien Kameradschaft Dresden. Dethleff geht davon aus, das auch sein roter Kompaktwagen bei diesen bekannt ist.

Die Polizei will sich zu einem möglichen politischen Hintergrund derzeit noch nicht äußern. Für Claus Dethleff ist die Situation klarer. „Ich empfinde das als einen Anschlag“, sagt er. „Wenn mir jemand die Reifen zersticht und in Kauf nimmt, dass ich damit losfahre, ist das ein Angriff auf mich persönlich.“ Dethleff hat einen Verdacht, wo die Täter zu suchen sind.

Für den Mittwochabend hatten mehrere Initiativen vor dem früheren Hotel „Prinz Eugen“, das die Stadt als Asylunterkunft nutzen möchte, für eine nicht angemeldete Demonstration um 19 Uhr und einen „Abmarsch ohne Ansprache“ mobilisiert. Unter ihnen ist auch die Facebook-Gruppe „Nein zum Viersterneheim in Laubegast“, die mittlerweile unter dem Namen „Laubegaster Wellenlänge“ auftritt und die Asylunterkunft verhindern will. Wie die Gruppe auf Facebook mitteilte, sei eine Anmeldung der Versammlung erst später bei den alarmierten Polizeibeamten erfolgt. Insgesamt elf Polizeifahrzeuge sollen nach einem Hinweis vor Ort gewesen sein, um die Demo zu begleiten.

Die rechte Gruppe Freie Kameradschaft Dresden hatte ebenfalls über Facebook „Zum Aufstand!“ aufgerufen und den Besuchern der Seite suggeriert: „Ihr wisst Bescheid, (das ist) eine Bewegung die wir schon immer gern unterstützt haben!“

Als die Demonstranten – Rechte und Laubegaster Anwohner – mit ihrem Aufzug beginnen, steht bei Claus Dethleff Flüchtlingsunterricht auf dem Plan. Im Jugendhaus Chili an der Österreicher Straße unterrichtet er mit anderen ehrenamtlichen Helfern Migranten in deutscher Sprache. Das Gebäude ist keine drei Minuten zu Fuß von der geplanten Asylunterkunft entfernt. Genau in der Mitte der Strecke hat Dethleff seinen Wagen am Kronstädter Platz geparkt. Bis halb neun wird der Unterricht dauern. Mit einer Attacke auf sein Auto rechnet er nicht.

Der Marsch ist ein Stelldichein der Asylprotestgruppen Dresdens. Initiativen aus Niedersedlitz und Striesen haben zum Protestmarsch ebenso aufgerufen, wie auch Anwohner aus Übigau, die im vergangenen Jahr über Wochen die Turnhalle an der Thäterstraße blockiert hatten, weil dort Flüchtlinge einziehen sollten. Der Marsch ist längst vorbei, als Dethleff ahnungslos in sein Auto steigt. Die durchstochenen Reifen bemerkt er nicht gleich, fährt noch die kurze Strecke nach Hause.

Wie Polizisten ihm am Donnerstagmorgen erklären, seien die Einstichstellen sehr klein, so dass die Luft nur sehr langsam entweichen konnte. Wäre er eine längere Strecke gefahren – beispielsweise über die Autobahn – hätte es zu einem schweren Unfall kommen können.

Die Kriminalpolizei ermittelt nun wegen Gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. Dabei wird auch geprüft, ob das Zerstechen der Reifen in Zusammenhang mit den Demos am Mittwochabend steht. Am Donnerstagvormittag ist der mutmaßliche Tatort am Kronstädter Platz inspiziert und fotografiert worden, teilt Polizeisprecherin Jana Ulbricht mit. Dabei haben die Beamten auch versucht, ein Tatwerkzeug zu finden.

Möglicherweise steht der Angriff auf Dethleffs Auto in Zusammenhang mit drei Strafanzeigen wegen Verleumdung, die er gegen die Betreiber und zwei Kommentatoren der Facebook-Seite „Nein zum Viersterneheim in Laubegast“ erstattet hat. Er habe nichts gegen freie Meinungsäußerungen. „Das Demonstrationsrecht gilt für alle, auch in Laubegast“, sagt Dethleff. „Das muss die Demokratie aushalten.“ Anschläge gegen Andersdenkende aber nicht.

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