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Anonyme Briefe in Radebeul verteilt

Eine „Bürgerinitiative-Asyl“ fordert Einwohner auf, Fragebögen ins Rathaus zu schicken. Das sorgt für Unmut.

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© Norbert Millauer

Von Peter Redlich

Radebeul. In Radebeuler Briefkästen taucht seit voriger Woche ein Brief mit der Aufschrift „Wichtige Mitteilung! An alle erreichbaren Haushalte in Radebeul“ auf. In dem Briefumschlag steckt ein Din-A4-Blatt mit dem Absender „Bürgerinitiative-Asyl Radebeul, 01445 Radebeul“ und der in roter Schrift hervorgehobenen Überschrift „Bürgerbefragung zum Thema Asyl“.

Darin werden sechs Fragen gestellt, die mit Ja, Weiß nicht oder Nein beantwortet werden sollen. Darin werden die Bürger aufgefordert, ihre Meinung zur derzeitigen Asylpolitik der Bundesregierung und der Verteilung von Flüchtlingen auf die Kommunen zu äußern. In einer auf der Rückseite des Fragebogens gedruckten und an OB Wendsche gerichteten Petition stehen folgende Sätze: „Ihre jahrelangen Erfahrungen im sozialen Bereich bei der Flüchtlingsunterbringung zeigen die integrationsfördernde Wirkung der dezentralen Unterbringung. Lassen Sie bitte nicht nach, weiteren vermietbaren Wohnraum zu akquirieren. Auf keinen Fall eine Lösung ist es, Flüchtlinge auf Dauer in Turnhallen oder Containerbauten u. a. Massenflüchtlingsheimen unterzubringen.“ Sollten nicht genügend und geeignete Unterkünfte bereitstehen, solle OB Wendsche die Zuweisung von weiteren Asylbewerbern nach Radebeul ablehnen. Die Verfasser der Petition schreiben von „weiteren 1 000 geplanten Asylbewerbern“, die Radebeul zu erwarten hätte.

Zurück ans Rathaus schicken

Die Bürger der Stadt, die diesen Brief erhalten, werden darin aufgefordert, ihn ausgefüllt an OB Wendsche und die Stadtverwaltung zu senden. Angegeben wird außerdem, dass das Ergebnis der Umfrage im Radebeuler Amtsblatt veröffentlicht werden soll. Mit dem Ergebnis solle der Rathausführung und dem Stadtrat Rückhalt für künftige Entscheidungen gegeben werden, heißt es in der Einleitung zur Umfrage.

Doch genau diese Sätze sorgen bereits einige Tage im Radebeuler Rathaus für Missstimmung. Zuvor hatten die Briefschreiber noch versucht, ihre Umfrage übers Amtsblatt verteilen zu lassen, ohne sich allerdings zu erkennen zu geben. „Wir verteilen nichts, von dem wir nicht den Absender kennen“, hieß es aus dem Rathaus.

Oberbürgermeister Bert Wendsche: „Mit uns ist das nicht abgestimmt. Gerade in der derzeit brisanten Situation müssen solche Aktionen klar erkennbar sein.“ Im Rathaus sei man weder gegen Bürgerinitiativen oder gegen Befragungen, aber anonym, das gehe gar nicht. „Wer etwas bewegen will, soll den Mut haben und seine Adresse nennen“, sagt Wendsche. Auf diese Art und Weise würde sogar das Wort Bürgerinitiative in Misskredit gebracht.

Ab in den Papierkorb

Eine SZ-Blitzumfrage unter Fraktionschefs und Mitgliedern im Stadtrat ergab, dass dort der genannte Brief offenbar noch nicht angekommen ist. Eva Oehmichen, Heinz-Jürgen Thiessen (beide Bürgerforum/Grüne), wie auch Roland Schreckenbach (Freie Wähler) haben den Brief noch nicht bekommen oder nur davon gehört. Auch Ulrich Reusch (CDU) und Christian Fischer (Die Linke) hatten ihn noch nicht im Briefkasten. Reusch: „Ohne Absender, das halte ich für unseriös.“ Thomas Gey (SPD) sagt sogar, dass eine solche Methode, sich eine Verteilung übers Amtsblatt zu erschleichen, ohne sich zu erkennen zu geben, unverschämt sei, unabhängig vom Inhalt.

Ein Einwohner, der am Augustusweg wohnt, hatte die Post allerdings schon vorige Woche im Briefkasten. Seine Meinung: „Wer sich nicht zu erkennen gibt, landet bei mir im Papierkorb.“

Auch im Internet – zum Beispiel auch bei Facebook – gibt es zwar drei Dutzend Namen von Bürgerinitiativen, die in irgendeiner Weise das Thema Asyl aufgreifen, aber unter „Bürgerinitiative-Asyl Radebeul“ ist nichts zu finden.

Zahlen aus der Luft gegriffen

Dieser dubiose Absender sagt in seinem Schreiben an OB Wendsche gewandt: „Sollten nicht genügend und geeignete Unterkünfte bereitstehen, lehnen Sie bitte die Zuweisung von weiteren 1000 geplanten Asylbewerbern nach Radebeul ab.“

Radebeuls Stadtoberhaupt dazu: „Diese Zahl kennen wir nicht. Das ist aus der Luft gegriffen.“ In der Stadt werden derzeit etwa 150 Asylbewerber im Heim an der Kötitzer Straße und etwa 50 weitere in Wohnungen beherbergt. Die letzten Zahlen vom Landratsamt besagten, dass Radebeul bis zu 800 Asylbewerber aufnehmen soll.

Bis Montagnachmittag sind auf den offenbar unterschiedlich dicht in der Stadt verteilten Brief einige Reaktionen im Rathaus eingegangen. Dazu zählen etwa ein halbes Dutzend ausgefüllte Fragebögen, die im Original oder als Fax ankamen. Einige Bürger erkundigten sich, ob das mit der Stadt zusammenhänge und seriös sei. Was im Radebeuler OB-Büro verneint wurde.