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Angekommen

Die Sudanesin Negla Osman lebt seit elf Jahren in Dresden und berät heute Flüchtlinge.

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© Christian Juppe

Von Julia Vollmer

Nur in arabischer Sprache oder auch in Englisch? Mit dieser simplen Frage begann vor elf Jahren das Abenteuer Dresden für Negla Osman. Gestellt hatte die Frage eine Kommilitonin und es ging um die Bescheinigung für ihr abgeschlossenes Studium. „Eigentlich dachte ich immer, auf Arabisch reicht die Bescheinigung. Wozu sollte ich die schon auf Englisch brauchen?“, erzählt die heute 38-Jährige. Am Ende überredete sie die Kommilitonin doch und die Sudanesin bewarb sich für ein Master-Stipendium. Mit dem englischen Dokument.

Es klappte, und so kam sie an einem Märztag 2006 in Dresden an. „Das erste, was mir in Deutschland auffiel: Es ist wahnsinnig kalt im Winter“, erzählt sie mit einem Lachen. In Dresden angekommen absolvierte sie vor dem Beginn des Masterstudiums der Erwachsenenbildung erst einen Deutschkurs am Goethe-Institut. „Eine sehr schwere Sprache habt ihr, da musste ich mich ganz schön durchbeißen“, erinnert sich die junge Frau. Heute ist von den Anfangsschwierigkeiten nichts mehr zu spüren, fast perfekt ist ihr Deutsch.

Heute helfen ihr ihre guten Kenntnisse in gleich drei Sprachen bei ihrem Beruf. Sie spricht neben Arabisch und Deutsch auch Englisch. Osman arbeitet seit vielen Jahren als Beraterin bei dem Verein Cabana auf der Kreuzstraße. „Mehrmals in der Woche biete ich Beratungen für Migranten und Geflüchtete an, sie kommen, wenn sie Fragen zu Briefen von Ämtern oder zu den Anmeldebögen von Schule und Kindergarten haben“, erzählt sie.

Die meisten ihrer Klienten stammen aus dem Irak, Syrien, Eritrea und dem Irak. „Da ich selbst weiß, wie es sich anfühlt, in ein neues Land zu kommen und wie es ist, tausend Fragen zu haben, finde ich meist schnell einen Zugang zu den Menschen“, so die Dresdnerin. Sie öffnen sich. Oft kommen Flüchtlinge zu ihr in die Beratung, die dauerhaft in Deutschland bleiben dürfen und nun eine Wohnung suchen. „Die Vermieter haben oft sehr große Vorurteile und lehnen Migranten ab, wenn sie noch andere Interessenten haben“, beobachtet sie. Schwierig sei es auch, für Familien große und bezahlbare Wohnungen zu finden. Besonders am Herzen liegt ihr die Begleitung von geflüchteten Menschen mit einer Behinderung. Mit diesen geht sie gemeinsam zu Ärzten und Therapeuten und dolmetscht die komplizierten medizinischen Begriffe. Gerade in Kontakt mit Ärzten seien viele Flüchtlinge sehr unsicher und ängstlich. Wenn Negla Osman dabei ist, fühlen sie sich sicherer. Sicherer fühlt sich die 38-Jährige inzwischen auch auf Dresdens Straßen. „Als ich neu in die Stadt kam, habe ich in vier Monaten nur eine andere Frau mit Kopftuch gesehen“, erzählt sie, die selbst eines trägt. Das habe sich inzwischen gewandelt und die seltsamen Blicke der Passanten werden weniger. Da sind sie aber noch immer, erzählt Negla Osman.

Sie erinnert sich an eine besonders skurrile und für sie sehr verletzende Situation. „Ich fuhr in den ersten Monaten mit dem Bus zur Universität, da ich die Ansage der Haltestellen nicht richtig verstanden hatte, fragte ich beim Fahrer nach. Er schnauzte mich an“, erinnert sie sich. Nur Augenblicke späte habe er dann mit zuckersüßem Säuseln einen Hund gestreichelt, der mitfuhr. Doch überwiegend, sagt Negla Osman, habe sie gute Erfahrungen gemacht mit den Dresdnern, sie sei schnell angekommen und habe liebe Menschen kennengelernt. „Wie eine Familie haben sich Freunde gekümmert.“ Inzwischen gründete die Sudanesin eine eigene Familie. Vier Kinder brachte sie zur Welt. Zwei Mädchen und zwei Jungen. Sie besuchen alle in Dresden die Schule und den Kindergarten. Die Familie ist angekommen.