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Angeklagter verweigert Aussage – Prozess geplatzt

Sie sagte es nicht, doch die Botschaft der Vorsitzenden Richterin war klar: Das Gericht lässt sich nicht erpressen.

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Von Alexander Schneider

Kleine Bemerkungen verraten viel darüber, wie es derzeit in der Justiz läuft. „In diesem Jahr haben wir noch keine Verhandlung pünktlich begonnen“, sagte Beate Ibler-Stretz, die Vorsitzende Richterin der 3. Strafkammer am Landgericht Dresden, zum Prozessauftakt gegen einen 30-Jährigen Mann. Seine Hauptverhandlung begann pünktlich – am Freitag um 15.30 Uhr.

Iulian V. muss sich wegen Betruges und Urkundenfälschung in 160 Fällen verantworten. Der Rumäne soll mit einer Bande über Internet-Portale wie Amazon, Ebay oder Autoscout24 im großen Stil Waren verkauft, aber nie geliefert haben – vom Handy bis zur Waschmaschine, vom Rasenmäher bis zum Wohnmobil. Unter Aliasnamen und mit gefälschten Papieren habe V. seit 2014 viele Konten eröffnet, auf die Käufer eingezahlt hatten. Der durch die Bande verursachte Schaden geht in die Hunderttausende. V. wurde im Juni 2016 in einer Dresdner Sparkasse verhaftet, weil den Bankern die falschen Dokumente aufgefallen waren. Bei einer Wohnungsdurchsuchung fanden die Ermittler dann eine Festplatte, auf denen ein Großteil der Taten dokumentiert war.

Eine Stunde dauerte die Verlesung der Anklage. Danach sagte die Vorsitzende Richterin, das Gericht habe Anfang Juni dem Angeklagten, der ein Geständnis angekündigt hatte, bis zu fünf Jahre und vier Monaten Haft in Aussicht gestellt. Doch inzwischen ist eine andere Situation eingetreten. V. sagt, das Vertrauensverhältnis zu seinem Verteidiger Roman Sommer sei zerstört. Er werde gar nichts mehr sagen, so lange er keinen anderen Anwalt bekomme.

Eine knappe Stunde dauerte der Schlagabtausch, V. drohte sogar mit Hungerstreik. Richter Ibler-Streetz ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken. Die Kammer setzte das Verfahren aus. Denn: Ohne Geständnis sei nun eine weit längere Hauptverhandlung notwendig als die zunächst terminierten sechs Sitzungstage, auch ein dritter Berufsrichter sei nun erforderlich. Kurz: Was pünktlich beginnt, muss deswegen noch nicht zur Freue aller enden.