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Anders, aber bereichernd

An diesem Sonnabend ist Welt-Down-Syndrom-Tag. Familie Reinhardt lebt seit fast sechs Jahren damit.

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© Norbert Millauer

Von Juliane Richter

Mit ihrer kleinen Digitalkamera geht Isabella auf Entdeckungsreise. Sie fotografiert ihren großen Bruder Maximilian oder das Klettergerüst auf dem Spielplatz. „Bella ist unglaublich neugierig“, sagt Mutter Susanne Reinhardt. Ohne Scheu nimmt sie so auch seit Kurzem an einem Tanzkurs für Kinder im Heinrich-Schütz-Konservatorium teil. Mit ihrem strahlenden Lächeln gewinnt sie dabei schnell die Sympathien.

Nur ab und zu wird sie doch einen Tick zu lange angeschaut. Denn Bella hat das Down-Syndrom. Weil das 21. Chromosom drei- statt zweimal vorhanden ist, wird ihr Leben einen anderen Verlauf nehmen, als es ihre Eltern einst gedacht hatten. Schlimm finden das Susanne und Karsten Reinhardt aber keineswegs. „Das Down-Syndrom schränkt uns kaum ein. Es ist nur so, dass wir einfach mehr Geduld aufbringen müssen“, sagt der 33-jährige Vater. Während andere Kinder nach einem Jahr durch die Gegend flitzen, konnte Bella erst mit zweieinhalb Jahren laufen. Ihr Bruder Maximilian ist mit fünf Jahren jeden Tag mit dem Rad zur Kita gefahren, Bella beherrscht mit fast sechs das Laufrad. „Mittlerweile spricht sie auch Zwei- oder Dreiwortsätze. Man muss sich halt ein bisschen hineinhören“, sagt ihre Mutter.

Keine Lust auf Förderschule

Ab Herbst soll Bella die Grundschule besuchen. Ihre Eltern haben sich bewusst dafür entschieden, sie nicht zurückstellen zu lassen. Das aufgeweckte Mädchen soll lernen dürfen und ihre Erfahrungen machen. Dass das nicht einfach wird, ist ihren Eltern bewusst. Inklusion ist für sie ein Thema mit besonderer Bedeutung. Denn wie sie von anderen Eltern wissen, die ein Kind mit Down-Syndrom haben, wird ihnen der Besuch einer normalen Schule oft erschwert. „Die Kinder werden von der Bildungsagentur schnell in eine Förderschule abgeschoben, weil für Inklusionshelfer nicht immer das Geld da ist“, sagt die 31-jährige Susanne Reinhardt. Bisher geht sie jedoch davon aus, dass Bella an der Montessorischule in Leuben lernen darf. Und sie hofft, dass in der Zukunft alternative Beschulungskonzepte entstehen.

Zwischen gleichaltrigen Kindern fällt das kleine Mädchen schnell auf. „Sie hat eher die Größe einer Vierjährigen“, schätzt ihr Vater. Die Eltern glauben, dass Bella wegen ihrer zierlichen Gestalt häufig auch noch einen „Kleinkindbonus“ hat. Denn wirklich schlechte Erfahrungen habe die Familie wegen der Behinderung bisher nicht gemacht. Nur vor kurzem hat ein Mann mit Blick auf Bella gefragt, „ob denn das heutzutage noch sein muss“. Bellas Eltern können darüber nur den Kopf schütteln. Natürlich kann bei der Pränataldiagnostik schon früh während der Schwangerschaft das Down-Syndrom diagnostiziert werden. Das Paar hat diese Untersuchung nicht machen lassen, auch weil Susanne Reinhardt mit Mitte 20 eine junge Mutter war. „Aber was wäre denn auch die Konsequenz gewesen, wenn wir es gewusst hätten? Ich könnte mein Kind niemals töten und hätte deshalb auch nicht abgetrieben“, sagt Susanne Reinhardt.

Im Kreißsaal hatte das Paar die Diagnose erhalten. Viel größer waren jedoch ihre Sorgen, weil Bella blau angelaufen war und auf die Intensivstation gebracht werden musste. Der Auslöser war ein Herzfehler, der schon nach kurzer Zeit mit einer Operation behoben werden konnte.

Häufig leiden Menschen mit Down-Syndrom auch an anderen körperlichen Einschränkungen. Weil sie teilweise schlecht hören oder sehen, sind regelmäßige Untersuchungen nötig. Darüber, welcher Arzt für die Kinder genau der richtige ist, tauschen sich die Eltern in ihrer Selbsthilfegruppe „Upside down“ aus. Mehr als 40 Paare aus Dresden und Umgebung gehören schon dazu. Viele von ihnen treffen sich am heutigen Sonnabend zum Welt-Down-Syndrom-Tag um 15.30 Uhr im Hygienemuseum. Dort können die betroffenen Kinder mit ihren Geschwistern und anderen Besuchern im Kinder-Museum ihre fünf Sinne erforschen. „Es gibt viele Menschen mit Down-Syndrom. Weltweit sollen es etwa fünf Millionen sein“, sagt Susanne Reinhardt. Die Biologie-Doktorandin kann mittlerweile ohne zu Zögern aussprechen, dass sie ein behindertes Kind hat. Das sei ein Prozess gewesen. Nun redet sie aber ohne Scheu über das Syndrom und sieht es positiv, wenn andere Menschen sie danach fragen. Für die Zukunft wünschen sich die Eltern, dass Bella so normal wie möglich leben kann. „Immer mehr Menschen mit Down-Syndrom haben ihre eigene Wohnung und können auch arbeiten. Sie müssen nicht in einer Behindertenwerkstatt bleiben“, sagt sie. Weil die Betroffenen oft einen besonderen, sehr fürsorglichen Umgang mit anderen Menschen haben, könnten sie zum Beispiel toll in Kitas oder Altenheimen aushelfen. „Wenn man ihnen eine konkrete Aufgabe gibt, sind sie auch sehr zuverlässig“, sagt die junge Mutter.