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Anarchie im Triebischtal

Ein Gastwirt will sich ums Geschäft kümmern, Behörden müssen Vorschriften durchsetzen – Stoff für Streit.

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© Karl-Ludwig Oberthuer

Von Annett Heyse

Helbigsdorf/Blankenstein. Es war eigentlich nur eine Formsache, die auf der Tagesordnung des Ortschaftsrates von Helbigsdorf/Blankenstein im August 2016 stand. Es ging um die Verlängerung eines längst genehmigten Bauantrags. Kein Thema also. Doch in diesem Fall riss den Ortschaftsräten der Geduldsfaden. Nein, an der Helbigsdorfer Dietrichmühle im Triebischtal solle kein Anbau für eine Umkleide entstehen. Die Räte lehnten ab. „Wir wollten ein Zeichen setzen“, sagt Ortsvorsteherin Karla Horn. Denn was an der Dietrichmühle so vor sich gehe, könne man im Dorf kaum noch nachvollziehen. Horn: „Die Eigentümer setzen sich über alles hinweg, suchen überall Schlupflöcher und pochen auf Ausnahmen. Dabei muss doch gleiches Recht für alle gelten.“

Die Eigentümer – das sind Ute und Matthias Preuß. Die beiden haben es geschafft, als Laien in abgeschiedener Lage ein Reit- und Bauernhofhotel zu etablieren. Sie haben es dabei auch geschafft, möglichst viele Beamte von verschiedenen Behörden gegen sich aufzubringen. Denn die Gastwirte wollen sich ums Geschäft kümmern, die Ämter müssen Vorschriften durchsetzen. Im Falle der Dietrichmühle sorgt das für einen Dauerstreit.

Matthias und Ute Preuß kommen 1995 ins Triebischtal. Er ist Bauunternehmer, infolge schlechter Zahlungsmoral aber finanziell am Ende, wie er selbst sagt. „Wir suchten was Günstiges zum Wohnen“, erzählt der heute 54-Jährige. Sie richten sich die Dietrichmühle her. Weil genug Platz in dem Dreiseithof ist, vermieten sie bald Zimmer mit Frühstück an Monteure. Es ist zunächst ein kleines Zubrot, auch als erste Gäste übers Wochenende kommen.

Die Dietrichmühle spricht sich herum, als Familie Preuß ein paar Pferde und andere Tiere anschafft. Reiter kommen vorbei, Urlauber melden sich an. Die Preußens richten eine Ferienwohnung ein, bieten nun auch Abendessen für ihre Gäste, organisieren Familienfeiern – alles noch in kleinem Rahmen. „Gastronomie war für uns eigentlich keine Option, ich hätte niemals gedacht, in diese Richtung zu gehen“, sagt Matthias Preuß. Doch das Geschäft brummt, der Platz wird knapp. Ende 2001 stellt das Ehepaar einen Bauantrag beim Landratsamt. Es geht um einen Anbau an den Gastraum, die Erweiterung der Küche, um Pferdeboxen und Kutschenunterstände. Dann kommt die Flut 2002 und überspült das Areal.

Als sich die Familie mit damals sechs Kindern wieder berappelt, schlummert der Bauantrag immer noch im Landratsamt. „Da bin ich hin und habe schriftlich einen vorzeitigen Baubeginn genehmigt bekommen“, erinnert sich Matthias Preuß. 2003 legt er los, alles auf eigene Kosten und ganz viel in Eigeninitiative. Weil er zwischenzeitlich neue Ideen hat, reicht er eine Planänderung ein. „Da ging die ganze Maschinerie los.“ Das Landratsamt stellt Forderungen, die Gastwirte können den Papierkram nicht bewältigen.

Eine offizielle Baugenehmigung geht daher nicht raus. „Der Antrag war einfach nicht genehmigungsfähig, weil unvollständig“, begründet Heiko Weigel, zuständiger Beigeordneter im Landratsamt. Inzwischen stehen Anbau, Küche, Unterstände und Pferdeboxen. Doch rein rechtlich ist das Bauprojekt noch nicht genehmigt. 2010 nimmt Familie Preuß einen neuen Anlauf, stellt einen nachträglichen Bauantrag. Nun geht es erst recht hoch her.

Über die nächsten Jahre entsteht ein regelrechter Papierkrieg. Es geht um Gutachten, Nachweise, Stellungnahmen. Das Landratsamt droht mit Zwangsgeld, Auflagen und schließlich einer Nutzungsuntersagung. Die Gastwirte reichen Widersprüche ein, bitten um Verlängerungen, halten aber Abgabetermine nicht ein. Es ist ein Geduldsspiel für beide Seiten, auch der Ortschaftsrat und die Stadtverwaltung Wilsdruff sind nun involviert, zwischendurch taucht die Steuerfahndung auf. Der ganze Fall wird von Monat zu Monat größer.

Bald geht es um Brandschutz, Abwasserentsorgung, Naturschutz. Um Landes-, Bundes- und EU-Gesetze. Zwischendurch kommt 2013 abermals ein Hochwasser. „Ganz ehrlich: Ich habe mit dem Betrieb voll zu tun, dann ist da noch das Grundstück, die Tiere und die Familie“, schildert Matthias Preuß. Mit den ganzen bürokratischen Forderungen kann er nicht mehr Schritt halten, will er vielleicht auch nicht. Dafür wird er mit zahlreichen Zwangsgeldern abgestraft, gegen die Bescheide geht er – natürlich – in Widerspruch. Zeitweise muss er sich wie Don Quijote vorgekommen sein.

Ein Don Quijote, über den man im Wilsdruffer Rathaus gar nicht schmunzeln kann, sondern eher genervt reagiert. So wie Andreas Clausnitzer zum Beispiel. Der Beigeordnete der Stadt ist auch Vorsitzender des Abwasserzweckverbandes. Der Verband muss auf Anweisung des Landratsamtes die Kläranlage der Dietrichmühle leeren, weil die im Januar 2016 immer noch nicht wie vorgeschrieben vollbiologisch arbeitet.

Die Kosten für die Entsorgung stellt der Abwasserverband Familie Preuß in Rechnung. Genau an dem Punkt beginnen neue Probleme. Genaues darf Andreas Clausnitzer mit Verweis auf den Datenschutz nicht sagen. Nur soviel: „Sobald es um die Dietrichmühle geht, wird es schwierig. Man wird dem nicht habhaft. Das ist extrem frustrierend.“

Auch für die Preußens. Auf die Frage, was er sich in der Hinsicht für die Zukunft wünsche, weiß Matthias Preuß sofort eine Antwort: „Ein besseres Verhältnis zur Stadtverwaltung. Und dass Beamte nicht überall das Haar in der Suppe suchen.“ Die Baugenehmigung ist übrigens trotz Ablehnung des Ortschaftsrates verlängert worden. Rein rechtlich, heißt es aus dem Landratsamt, spreche nichts gegen einen Anbau von Umkleiden.