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An ein altes Görlitzer Denkmal erinnern nur noch wenige Zeichnungen

Eine Serie widmet sich den bestehenden und den vergessenen Denkmalen. Heute: Denksäule für Franz Hermann Schulze-Delitzsch

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Von Erich Feuerriegel

In einem Seitengärtchen des damaligen Görlitzer Waaren-Einkaufs-Vereins – auf das doppelte a wurde Wert gelegt – in der Rauschwalder Straße wurde im Jahr 1884 zu Ehren des Genossenschaftsgründers, Sozialreformers und deutschen Politikers Franz Hermann Schulze (genannt Schulze-Delitzsch) ein großes Büstendenkmal aus Marmor aufgestellt und eingeweiht. Über den Verbleib dieses Denkmals der Görlitzer Stadtgeschichte ist nichts bekannt, und die Archive schweigen auch über den Zeitpunkt, an dem es aus dem Gelände des Einkaufsvereins verschwand.

Der am 29. August 1808 in Delitzsch bei Leipzig geborene Franz Hermann war der Gründer der in den Auswirkungen der Märzunruhen 1848 und der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Bevölkerung im damaligen Preußen sich entwickelnden Wirtschaftsgenossenschaften. Von Hause aus als Jurist tätig, war er zudem Abgeordneter der Verfassungsgebenden Preußischen Nationalversammlung und an der Gründung des „Deutschen Volksvereins“ in Delitzsch beteiligt.

Notizen für das Gewerbeblatt

1849 regte er erste Rohstoffassoziationen für Tischler und für Schuhmacher an. Ebenfalls war er journalistisch tätig. Er schrieb ab 1854 Artikel für die „Deutsche Gewerbezeitung“, aus denen sich ab 1866 dann die „Blätter für das Genossenschaftswesen“ entwickelten. Ab 1858 wirkte er im „Volkswirtschaftlichen Kongress“ mit. Das war die Vereinigung deutscher Volkswirte. Mit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 schließlich war er Mitglied des deutschen Reichstages.

Nach der Sicherung der organisatorischen Grundlagen für das Genossenschaftswesen widmete sich Franz Hermann Schulze (Schulze-Delitzsch) dem Verhältnis zur Arbeiterbewegung und dem Bemühen um ein Genossenschaftsgesetz. Unter seiner Mitarbeit trat dieses im Jahr 1869 für den Norddeutschen Bund in Kraft und besaß seit dem 1. Januar 1871 Gültigkeit für das gesamte Deutsche Reich. Politik und Sozialpolitik, eine freiheitliche Verfassung, nationale Einheit, wirtschaftliches Wachstum und soziale Stabilität gehörten für ihn untrennbar zusammen. Am 29. April 1883 starb Franz Hermann Schulze in Potsdam. Sowohl mit der Organisation des Genossenschaftswesens, als auch mit seinen politischen und sozialpolitischen Ideen setzte er zukunftsweisende Impulse.

Expansion einer Handelsidee

Die Rauschwalder Straße in Görlitz war in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts entstanden. Durch den Tuchmacher Ernst Jurisch und zehn weitere Tuchmacher wurde am 6. April 1861 nach dem Muster einer englischen Vereinigung von 28 Webern in Rockchale der „Waaren-Einkaufs-Verein zu Görlitz A.G.“ gegründet, welcher sich die Beschaffung billiger Lebensmittel zum Ziel setzte.

Begünstigt durch die Zeitverhältnisse stiegen bald sowohl der Umsatz als auch die Mitgliederzahl dieses Vereins. In einer Generalversammlung gab sich dieser eigene Statuten und deklarierte sich im Sinne von Franz Hermann Schulze als Genossenschaft. Aufgrund des Genossenschaftsgesetzes von 1889 erfolgte dann die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. Damit besaß das Unternehmen keine Mitglieder mehr, sondern Aktionäre. Der Aufstieg des Unternehmens ging ohne Unterbrechung weiter. Es entstanden Zweigniederlassungen in Franfurt/Oder, Dresden und Cottbus. 1930 gab es bereits 94 Verkaufsstellen in Görlitz.

Die Ausdehnung seiner Betriebe veranlasste den Waaren-Einkaufs-Verein 1872 zum Ankauf des Grundstücks neben dem damals modernsten Bäckereigebäude in Niederschlesien, des 1887 gegründeten Konsum-Vereins an der Kreuzung Berliner Bahn und Rauschwalder Chaussee. Dort fand auch das Büstendenkmal Aufstellung. Heute existieren von diesem nur noch sehr wenige Abbildungen.