Merken

Amtsgericht verurteilt drei Kuriere der Automafia

Sie sollten gestohlene Fahrzeuge ins Ausland bringen. Polizisten konnten sie auf der A 4 rechtzeitig stoppen. Ohne die Hehler würde das System nicht funktionieren.

Teilen
Folgen
NEU!
© Bundespolizei

Von Jana Ulbrich

Bautzen. Es ist eine tränenreiche Szene im großen Saal des Bautzener Amtsgerichts: Nach der Urteilsverkündung darf Jacek D. noch einmal kurz seine Freundin und die Eltern umarmen, ehe zwei Justizbeamte dem 27-Jährigen wieder die Handschellen anlegen. Amtsrichter Dirk Hertle schickt den Breslauer für ein Jahr und drei Monate ins Gefängnis. Und das wegen vergleichsweise läppischer 400 Euro. Die hatten ihm die Auftraggeber der osteuropäischen Automafia als Lohn versprochen, wenn er ein Auto aus Westdeutschland nach Polen bringt. Jacek D. hat gewusst, worauf er sich einlässt. Dass der 70 000 Euro teure BMW, zu dem er keinen Schlüssel und keine Papiere bekommen hat, gestohlen war. Für die in Aussicht gestellten 400 Euro hat sich der arbeitslose Pole trotzdem hinters Steuer gesetzt. Doch zur geplanten Übergabe in Breslau ist es nicht gekommen. Polizisten der Gemeinsamen Fahndungsgruppe (GFG) Bautzen haben Jacek D. am Rastplatz Löbauer Wasser das Handwerk gelegt. Statt des schnell verdienten Geldes hat der 27-Jährige eine Gefängnisstrafe bekommen: Schuldig der versuchten Hehlerei.

„Der Hehler ist so schlimm wie der Stehler“, macht Richter Hertle dem Angeklagten unmissverständlich deutlich. Denn ohne die Kuriere, die sich immer wieder anheuern lassen, würde das System der osteuropäischen Automafia nicht funktionieren. An diesem Dienstag sind es gleich drei Urteile, die das Amtsgericht gegen solche Kuriere fällen muss.

Nach Jacek D. aus Breslau ist Julian T. aus Legnica dran. Er hat in Frankfurt/Main einen gestohlenen VW T5 übernommen, den er für nur 200 Euro Lohn nach Polen bringen sollte. Der Mann ist schon 57 Jahre alt und herzkrank. Seit seiner Festnahme Anfang Dezember sitzt er in Untersuchungshaft. In Anbetracht seines Alters und der Krankheit setzt der Richter die verhängte Haftstrafe von einem Jahr auf Bewährung aus. Der 57-Jährige muss nicht mehr zurück ins Gefängnis.

Auch Algis I. aus Litauen darf nach viereinhalb Monaten Untersuchungshaft nach Hause zu seiner Frau und seinen drei Kindern. Er bricht ungehemmt in Tränen aus, als der Richter das dritte Urteil dieses Tages verkündet: Ein Jahr und sechs Monate Haft, die ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt werden. Mit der Festnahme des Mannes aus Litauen ist den Polizisten der GFG ein großer Schlag gegen die Autodiebe gelungen. Der 49-Jährige ist selbstständiger Spediteur. Seine Auftraggeber, deren Namen auch er nicht kennt oder nicht kennen will, hatten ihn zu einem Parkplatz in die Nähe von Köln bestellt. Erst als die beiden jeweils rund 100 000 Euro teuren Luxusautos der Marke Tesla auf seinem Sattelauflieger verstaut waren, er aber keine Schlüssel und Fahrzeugpapiere bekam, sei ihm klar geworden, dass die Teslas gestohlen waren, erklärt er dem Gericht. Er sagt auch, dass er Angst hatte, die Polizei zu rufen. In Litauen hört man, dass die Automafia nicht zimperlich mit Verrätern ist. Unter Tränen sagt der Mann, der bisher noch nie in seinem Leben vor Gericht stand, dass es ihm leid tue, und dass die viereinhalb Monate in Untersuchungshaft ein sehr großer Denkzettel für ihn gewesen seien.

Die drei Hehler, die den Beamten der GFG Ende 2017 innerhalb von nur wenigen Tagen ins Netz gingen, sind nur „die Spitze eines Eisbergs“, wie es Richter Dirk Hertle formuliert. Sie sind aber auch meistens die Einzigen, die am Ende dafür bezahlen müssen. Die Diebe selbst und ihre Auftraggeber kommen in der Regel ungeschoren davon.