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Amokläufer erschoss sich vor Polizisten

Die Bluttat eines jungen Amokläufers schockt Deutschland. Eine Verbindung zum islamistischen Terrorismus sehen die Ermittler nicht.

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© action press

München/Berlin. Der kaltblütige Anschlag von München geht auf das Konto eines vermutlich psychisch kranken Amokläufers. Den befürchteten Bezug der Bluttat zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gebe es nach bisherigen Erkenntnissen nicht, bestätigte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Samstag in Berlin.

Tote bei Amoklauf in München

Naim Zabergja steht mit einem Foto seines getöteten Sohnes Dijamantvor Medienvertretern am Olympia-Einkaufszentrum in München (Bayern), das die Polizei nach einer Schießerei mit Toten und Verletzten am Vortag abgesperrt hat.
Naim Zabergja steht mit einem Foto seines getöteten Sohnes Dijamantvor Medienvertretern am Olympia-Einkaufszentrum in München (Bayern), das die Polizei nach einer Schießerei mit Toten und Verletzten am Vortag abgesperrt hat.
Die Polizei sichert Beweise aus einer Wohnung in der Dachauer Straße in München (Bayern).
Die Polizei sichert Beweise aus einer Wohnung in der Dachauer Straße in München (Bayern).
Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer bei der Sondersitzung des bayerischen Kabinetts nach der Schießerei in München.
Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer bei der Sondersitzung des bayerischen Kabinetts nach der Schießerei in München.
Trauer in München: Blumen liegen am Sonnabendmorgen am Zugang zur U-Bahnstation Olympia-Einkaufszentrum, den die Polizei nach einer Schießerei am Vortag abgesperrt hat. Die tödlichen Schüsse hat ein 18-jähriger Deutsch-Iraner abgegeben. Zehn Menschen starben, darunter der Täter. Der Schütze, ein 18-jähriger Deutsch-Iraner, habe mit hoher Wahrscheinlichkeit alleine gehandelt und sich danach selbst erschossen, teilten die Ermittler am frühen Samstagmorgen mit.
Trauer in München: Blumen liegen am Sonnabendmorgen am Zugang zur U-Bahnstation Olympia-Einkaufszentrum, den die Polizei nach einer Schießerei am Vortag abgesperrt hat. Die tödlichen Schüsse hat ein 18-jähriger Deutsch-Iraner abgegeben. Zehn Menschen starben, darunter der Täter. Der Schütze, ein 18-jähriger Deutsch-Iraner, habe mit hoher Wahrscheinlichkeit alleine gehandelt und sich danach selbst erschossen, teilten die Ermittler am frühen Samstagmorgen mit.
Eine Frau entzündet Kerzen  am Zugang zur U-Bahnstation Olympia-Einkaufszentrum in München (Bayern), den die Polizei nach einer Schießerei mit Toten und Verletzten am Vortag abgesperrt hat.
Eine Frau entzündet Kerzen am Zugang zur U-Bahnstation Olympia-Einkaufszentrum in München (Bayern), den die Polizei nach einer Schießerei mit Toten und Verletzten am Vortag abgesperrt hat.
In der französischen Hauptstadt Paris erstrahlte der Eiffelturm am Samstagabend in Gedenken an die Opfer in den deutschen Nationalfarben Schwarz, Rot und Gold.
In der französischen Hauptstadt Paris erstrahlte der Eiffelturm am Samstagabend in Gedenken an die Opfer in den deutschen Nationalfarben Schwarz, Rot und Gold.
Fahrzeuge von Feuerwehr und Polizei stehen am Freitagabend in München auf der Zufahrt zu dem Einkaufszentrum, in dem Schüsse gefallen sind.
Fahrzeuge von Feuerwehr und Polizei stehen am Freitagabend in München auf der Zufahrt zu dem Einkaufszentrum, in dem Schüsse gefallen sind.
Polizisten in Spezialausrüstung am Olympia-Einkaufszentrum.
Polizisten in Spezialausrüstung am Olympia-Einkaufszentrum.
Die Lage war zunächst sehr unübersichtlich.
Die Lage war zunächst sehr unübersichtlich.
Nach Angaben der Polizei erschoss ein 18-jähriger Deutsch-Iraner neun Menschen und dann sich selbst.
Nach Angaben der Polizei erschoss ein 18-jähriger Deutsch-Iraner neun Menschen und dann sich selbst.
Die Polizei ging anfangs von drei Tätern aus.
Die Polizei ging anfangs von drei Tätern aus.
Im Internet kursierten Videos, die angeblich den Täter auf dem Dach eines Gebäudes zeigen.
Im Internet kursierten Videos, die angeblich den Täter auf dem Dach eines Gebäudes zeigen.
Ein Polizist mit Spezialausrüstung am Olympia-Einkaufszentrum.
Ein Polizist mit Spezialausrüstung am Olympia-Einkaufszentrum.
Über das Smartphone-Warnsystem Katwarn rief die Landeshauptstadt München den "Sonderfall" wegen einer "Amoklage" aus. Die Bürger wurden aufgefordert, ihre Wohnungen nicht zu verlassen.
Über das Smartphone-Warnsystem Katwarn rief die Landeshauptstadt München den "Sonderfall" wegen einer "Amoklage" aus. Die Bürger wurden aufgefordert, ihre Wohnungen nicht zu verlassen.
Das Einkaufszentrum am Freitagabend.
Das Einkaufszentrum am Freitagabend.
Der Ausschnitt aus Google Earth zeigt das Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) in München.
Der Ausschnitt aus Google Earth zeigt das Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) in München.
Ein Hubschrauber der Polizei kreist über dem Olympia-Einkaufszentrum.
Ein Hubschrauber der Polizei kreist über dem Olympia-Einkaufszentrum.
Polizisten am Karlsplatz in München: Nach den Schüssen im Münchner Norden hat es auch Spekulationen über einen Zwischenfall am Karlsplatz (Stachus) gegeben, woraufhin Panik ausbrach. Die Polizei bezeichnete die Berichte schließlich als falsch.
Polizisten am Karlsplatz in München: Nach den Schüssen im Münchner Norden hat es auch Spekulationen über einen Zwischenfall am Karlsplatz (Stachus) gegeben, woraufhin Panik ausbrach. Die Polizei bezeichnete die Berichte schließlich als falsch.
Polizisten am Stachus reden mit einer Passantin.
Polizisten am Stachus reden mit einer Passantin.
Polizisten patrouillieren in München in der Fußgängerzone.
Polizisten patrouillieren in München in der Fußgängerzone.
Der Hauptbahnhof wurde am Freitag vorübergehend geräumt.
Der Hauptbahnhof wurde am Freitag vorübergehend geräumt.

Der 18-Jährige Einzeltäter erschoss vor und im Olympia-Einkaufszentrum neun Menschen - darunter sechs Jugendliche - und sich selbst. In der Wohnung des jungen Mannes sei Material gefunden worden, das Verbindungen zum Amoklauf von Winnenden 2009 und zum Massenmord des Norwegers Anders Behring Breivik vor genau fünf Jahren vermuten lasse, sagte de Maizière weiter.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich schockiert. Zugleich lobte sie - wie auch de Maizière - die Einsatzkräfte für ihre „hoch professionelle“ Arbeit: „Sie waren und sind im besten Sinne Helfer und Beschützer der Bürgerinnen und Bürger.“ Die Zusammenarbeit der Behörden Bayerns und des Bundes habe „eng und nahtlos“ funktioniert. Nun gehe es darum, die Morde vollständig aufzuklären. Deutschland trauere „mit schwerem Herzen um die, die nie mehr zu ihren Familien zurückkehren werden“, sagte Merkel. Sie fügte an die Adresse der Angehörigen hinzu: „Wir denken an Sie, wir teilen Ihren Schmerz, wir leiden mit Ihnen.“

Der Amokläufer war für die Sicherheitsbehörden ein unbeschriebenes Blatt. „Gegen ihn waren bisher keine polizeilichen Ermittlungen bekannt“, sagte de Maizière. „Und es gibt auch keine Erkenntnisse der Nachrichtendienste über diese Person.“ Möglicherweise sei der junge Deutsch-Iraner gemobbt worden. Die Frage, wie es zu solchen „Explosionen von Gewalt“ kommen könne und ob die Tat absehbar war, müsse sich möglicherweise eher an das direkte Umfeld des 18-Jährigen richten als an die Sicherheitsbehörden.

Der Bundesinnenminister, der am Samstagabend den Tatort besichtigte, lehnte rasche Debatten über gesetzgeberische Reaktionen auf die Bluttat ab: „Heute ist nicht die Stunde für Konsequenzen, schon gar nicht, wo die Ermittlungsergebnisse noch nicht vollständig vorliegen.“ De Maizière machte brutale Internetvideos und Computerspiele für Gewaltexzesse wie in München mitverantwortlich.

Der Täter hatte nach ersten Erkenntnissen von Ermittlern eine Erkrankung „aus dem depressiven Formenkreis“. „Wir haben einige Hinweise dafür, dass eine nicht unerhebliche psychische Störung bei dem Täter vorliegen könnte“, sagte auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU).

Die Getöteten stammten nach Angaben des Münchner Polizeipräsidenten Hubertus Andrä alle aus München und Umgebung. Zwei 15-Jährige und drei 14-Jährige seien ums Leben gekommen, so die Ermittler. Weitere Opfer seien 17, 19, 20 und 45 Jahre alt gewesen. Unter den neun Todesopfern seien drei Frauen gewesen.

Der Täter führte den Angaben zufolge eine illegale Pistole des Kalibers 9 Millimeter bei sich, die Seriennummer war ausgefräst. Der junge Mann habe über 300 Schuss Munition bei sich gehabt, sagte der Präsident des bayerischen Landeskriminalamtes, Robert Heimberger. Im Magazin habe sich noch Munition befunden. Etwa zweieinhalb Stunden nach der Tat hat er sich vor den Augen von Polizisten getötet.

„Gegen 20.30 Uhr hatte demnach eine Streife der Münchner Polizei nördlich des Olympia-Einkaufszentrums Kontakt zum mutmaßlichen Täter“, teilte die Polizei mit. Als Reaktion auf die Ansprache habe er sich erschossen. Eine Zivilstreife hatte den Täter zuvor bereits am Parkhaus des Einkaufszentrums entdeckt und auf ihn geschossen, doch der junge Mann war unverletzt geblieben und konnte zunächst fliehen.

Der 18-Jährige war Schüler, er ist in München geboren und aufgewachsen. Die Ermittler fanden in seiner Wohnung Bücher wie „Amok im Kopf. Warum Schüler töten“. Auch eine Verbindung zum Massenmörder Breivik „liegt auf der Hand“, sagte Andrä.

Die Tat sei umso schwerer zu verkraften, als sie in eine Zeit der Schreckensnachrichten falle, sagte Kanzlerin Merkel. Sie verwies auf die Terrorattacke mit einem Lastwagen in Nizza vor gut einer Woche und auf den „unfassbar grausamen Axtangriff in einem Zug bei Würzburg“ am vergangenen Montag. Merkel erinnerte aber auch an viele Gesten der Hilfsbereitschaft von Bürgern in München. Es sei angesichts der Beileidsbekundungen aus anderen Ländern „gut zu wissen, dass es auch unter Völkern diese Solidarität gibt“.

Die bayerische Landesregierung will nach dem Amoklauf die Polizei besser ausstatten, wie Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) nach einer Sondersitzung des Kabinetts in München sagte. „Die Bevölkerung kann sich darauf verlassen, dass wir als politisch Verantwortliche alles Erdenkliche tun werden, um unsere Bevölkerung zu schützen.“ Seehofer ließ durchblicken, dass es mehr Geld für die Polizei geben soll - sowohl für zusätzliche Stellen als auch neue und bessere Ausrüstung. Am Freitagabend waren etwa 2300 Polizisten im Einsatz gewesen, darunter auch die Spezialeinheit GSG 9 der Bundespolizei.

In der Innenstadt von München war am Freitag Panik ausgebrochen. An mehreren Stellen war von Schüssen die Rede. Dabei handelte es sich aber um Fehlalarme. Zwischen 18.00 und 24.00 Uhr zählte die Münchner Polizei 4310 Notrufe. Das sei das Vierfache eines normalen Tages gewesen, sagte Polizeipräsident Andrä.

Die Polizei ermittelt, ob auch absichtliche Falschinformationen aus der Bevölkerung eingingen, wie Bayerns Innenminister Herrmann erklärte: „Wir müssen schon auch überprüfen, inwieweit hier Leute meinten, sie würden etwas Witziges tun, indem sie solche Behauptungen ins Netz stellen oder deswegen die Polizei anrufen. Auch am Samstagabend kam es in der Münchner Innenstadt zu einer erneuten Terrorwarnung von Unbekannten, die sich als Fehlalarm herausstellte.

Am kommenden Samstag wird es im Münchner Maximilianeum einen gemeinsamen Trauerakt des Landtags, der Landesregierung und der Stadt München geben. Zum Gedenken an die Opfer und Verletzten gibt es am Sonntag kommender Woche zudem einen ökumenischen Gottesdienst im Münchner Liebfrauendom. Seehofer sagte den Staatsempfang zum Beginn der Bayreuther Festspiele am Montagabend ab. Dies gebiete der Respekt vor den Opfern und ihren Angehörigen, sagte er. (dpa)