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Amateure boxen als Profis

Trotzdem können sie sich für die Sommerspiele in Rio qualifizieren, Wladimir Klitschko nicht. Neue Regeln wollen es so.

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© dpa

Von Franko Koitzsch

Der olympische Boxsport legt endgültig sein Amateurmäntelchen ab. Der Weltverband Aiba veranstaltet an diesem Wochenende erstmals Profikämpfe. Geboxt wird in mehreren Städten der Welt. Die Schwergewichtler sind in Rom, die Leichtgewichtler in Almaty, die Fliegengewichtler in Nowosibirsk, die Superschweren in Baku, die Halbschweren in Sofia. Andere Kategorien folgen in Brasilien, der Türkei und Österreich.

Das ganze Programm nennt sich Aiba Pro Boxing (APB). In den zehn olympischen Klassen sind jeweils acht Boxer rund um den Erdball auserkoren worden, die zunächst in vier Sechs-Runden-Kämpfen um Ranglistenpunkte streiten und ihre Weltmeister küren. Darunter sind Medaillengewinner von Olympia und WM. Die zehn Champions sind für Rio qualifiziert, wo erstmals in der Geschichte Profiboxer in den olympischen Ring steigen. In einer zweiten Serie wetteifern die neuen Berufskämpfer um weitere zehn Olympia-Plätze.

Neben APB existieren unterm Aiba-Dach die Amateure namens AOB (Aiba Open Boxing) und die halbprofessionelle Weltliga WSB (World Series of Boxing). Auch sie vergeben Olympia-Startplätze. Die Vielzahl der Wettbewerbe ist verwirrend. Die Spannung jedoch steigt.

Aus Deutschland sind sechs Boxer fest für APB nominiert, darunter die WM-Dritten Arayk Marutyan aus Schwerin im Weltergewicht und Erik Pfeifer aus Lohne im Superschwergewicht. Marutyan kann erst später einsteigen, weil er sich einer Mandeloperation unterziehen musste.

„Durch AOB, WSB und APB haben wir gute Chancen, mit mehreren Leuten nach Rio zu kommen“, sagt Jürgen Kyas, Präsident des Deutschen Boxsport-Verbandes (DBV). Olympia ist ein attraktives Zubrot für APB, nicht jedoch Kern der Unternehmungen. Im Vordergrund steht der eigene Profizirkus, das Halten der Talente und damit das Geldverdienen. Die Aiba will vermeiden, dass die fast durchweg im Amateurbereich ausgebildeten Boxer ins arrivierte Profilager abwandern und damit den olympischen Verband um Einnahmen bringen.

Aiba-Profis erhalten Vertrags-, Antritts- und Siegprämien. Im Schnitt kassieren sie pro Kampf 10 000 Euro. Für Titelduelle gibt es mehr. Bis auf Steuern muss der Athlet nichts abgeben. Die Profis der bekannten Weltverbände haben dagegen die Kosten für ihren Trainer- und Mitarbeiterstab sowie Sozialversicherungen selbst zu tragen. Top-Weltmeister und Millionär Wladimir Klitschko, der nicht zur APB wechseln darf und damit kein Olympia-Comeback erlebt, lacht über die Einnahmen der Aiba-Profis. Doch manche seiner Kollegen ohne TV-Ruhm finden das neue Modell interessant. Der frühere Sauerland-Boxer Marcos Nader, einst EU-Meister im Mittelgewicht, wechselte zu den APB-Kämpfern. Das durfte der Österreicher, weil er nur 20 Profikämpfe bestritten hat. Das ist die Höchstgrenze. Klitschko hat 65.

Da sie weiterhin zu einem olympischen Verband gehören, kassieren die deutschen Aiba-Profis zudem Sportförderung, sind versichert, werden sportmedizinisch betreut und beziehen als Bundeswehr-Angehörige Gehalt. „Es ist manchmal eine IQ-Frage, wer dennoch zu den anderen Profis geht“, meint DBV-Sportdirektor Michael Müller. Und Kyas beteuert: „Das ist ein echtes Konkurrenzangebot zu Sauerland.“

Anschubfinancier ist die Aiba. Die hat einen chinesischen Geschäftsmann im Schlepptau, der 35 Millionen Schweizer Franken investiert. Zwei weitere Sponsoren sollen bereitstehen. In einigen Jahren will sich die Profiabteilung selbst tragen. „Die Refinanzierung muss über TV-Übertragungen erfolgen“, sagt Müller. In boxbegeisterten Ländern wie Kasachstan, Russland, Aserbaidschan, China oder Italien überträgt das Fernsehen bereits. „Wir sind mit ARD und ZDF im Gespräch. Es gibt Interesse“, versichert Müller. (dpa)