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Am Seil hängen können viele – einer kann mehr

Bauwerksingenieur Eric Kuhn kümmert sich mit seiner Firma Alpin Technik um Brücken, Kraftwerke und Stadien.

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© Robert Michael

Von Sven Heitkamp

Eine handtellergroße, zerbrochene Schraubenmutter aus Südafrika, eine Hartholzplatte aus Peru, Kunststoff in Tuben aus Norwegen: Im Büro von Eric Kuhn hoch über dem Lindenauer Hafen in Leipzig sammeln sich kuriose Andenken aus aller Welt. Keine Urlaubssouvenirs, sondern Erinnerungsstücke an die Arbeit seiner Firma Alpin Technik, die rund um den Globus im Einsatz ist. Im Fußball-WM-Stadion des südafrikanischen Durban hat Kuhn mit seinem Team Zigtausende unbrauchbare Muttern ausgetauscht, in Peru ein Hilfsprojekt zum Bau von Fußgängerbrücken etabliert und mitten in Norwegen ein weltweit einmaliges Korrosionsschutzverfahren samt Luftentfeuchtung für die Tragseile einer überalterten Hängebrücke eingeführt.

Kuhn betreibt von seinem alten Lindenauer Speicher aus ein international aktives Ingenieurbüro, dessen Mitarbeiter nicht nur auf eine Vielzahl von Bauwerks-prüfungen und Montagen spezialisiert sind wie andere auch. Sie sind ganz nebenbei in der Lage, in schwindelnde Höhen zu klettern und dort zu arbeiten oder besser noch: Sich neue technische Lösungen für ihre Auftraggeber einfallen zu lassen. Roboter zum Beispiel, die die stark befahrene Köhlbrandbrücke über dem Hamburger Hafen empor sausen, ihre Seile haarklein abfotografieren und flicken, wo nötig. Kuhn hat die Methode, die Technik und die Software selbst entwickelt. So sind die Jobs in aller Welt kein Zufallstreffer. Kuhns Telefonnummer haben große Energiekonzerne wie Eon und RWE, die Hamburger Hafenmeisterei, Stadionbetreiber in London und Straßenbaubehörden von Dresden bis Sydney. Die Bauwerks-Szene kennt ihn von internationalen Fachzeitschriften und Konferenzen. Auch auf der Elbbrücke Niederwartha und der Molenbrücke in Dresden-Pieschen waren seine Leute im Einsatz.

Wenn keiner mehr hilft, hilft Kuhn

Neben den Brücken, Seilkonstruktionen und Tunneln sind die Arbeitsplätze seiner Spezialisten die Anlagen und Schlote von Energieerzeugern und Chemieunternehmen. Sie alle eint, dass die Bauwerke schwer zugänglich sind und Lösungen für scheinbar unlösbare Aufgaben verlangen. Egal, ob im stillgelegten Kernkraftwerk Lubmin, an einer Schrägseilbrücke in Sydney oder dem 400 000 Quadratmeter großen Membran-Dach eines Flughafens in Saudi-Arabien. „Wir werden meist gerufen, wenn kein anderer mehr helfen kann“, sagt Kuhn. „Im Seil hängen und Messgeräte bedienen, können viele. Wir gehen einen Schritt weiter.“ Denn Alpin Technik erfindet ständig neue Verfahren.

So hat der ruhelose 43-jährige Unternehmer seit diesem Jahr die Palette seiner Möglichkeiten wieder erweitert. Er schickt seine selbst kreierten Roboter in Straßen- und Bahn-Tunnel, um dort kilometerlange Panorama-Bilder anzufertigen. Im Leipziger City-Tunnel waren die mobilen Maschinen ebenso wie im alten Hamburger Elbtunnel und in den acht Kilometer langen dänischen Große-Belt-Röhren. Dort entstehen endlos lange, digitale Fotos mit Hunderten Gigapixeln. Sie versetzen die Tunnel-Betreiber in die Lage, ihre Infrastruktur millimetergenau auf Schäden zu überprüfen, ohne dass diese tagelang für den Verkehr gesperrt werden muss. Langwierige Prüfungen vor Ort können entfallen. 1997 gegründet, macht Alpin Technik heute durchschnittlich vier Millionen Euro Umsatz im Jahr, Kuhn hat 18 festangestellte Mitarbeiter, dazu rund 80 Freiberufler, die je nach Art und Aufwand des Auftrages eingesetzt werden. Gerade waren sie in London, wo das Olympia-Stadion für den Fußballclub West Ham United zurückgebaut werden musste. Es galt, das Dach und jenes tonnenschwere Stahlseilnetz zu demontieren, an denen Kameras und Darsteller über das Olympia-Publikum hinweggesaust waren. Weil das noch nie einer gemacht hatte, baute Alpin Technik auf seinem Firmengelände ein Modell des Stadions nach und fand schließlich eine Lösung. Für solche Innovationen leistet sich Kuhn eine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung mit riesigem Technikpark. „Wir brauchen vielleicht viel Vorbereitungszeit und sind nicht billig. Aber dafür halten wir unsere Zeiten ein und stellen keine Nachträge“, sagt der Geschäftsführer. Dieser Tage liegt auf der Rampe seines Betriebs ein armdickes Stahlseil, das mit einer neuartigen Kunststoff-Ummantelung Wind und Wetter trotzt. Wenn der Test gelingt, wird es an einer Brücke in Indien eingesetzt.

Kuhn kann viele solcher Geschichten erzählen. Geschichten, die man am besten versteht, wenn man seinen Werdegang kennt. Als junger Mann lernt er Kfz-Schlosser, versucht sich in einem Studium in Luft- und Raumfahrttechnik, das ihm aber zu abstrakt ist. „Ich bin eher ein praktischer Typ“, sagt der geübte Cessna-Pilot. An der Leipziger Hochschule HTWK macht er 1997 seinen Abschluss als Wirtschaftsingenieur und startet mit anderen Kollegen die Firma. „Seile haben mich immer fasziniert“, sagt der Kletterer, der gern in Skandinavien unterwegs ist. Als er mit seinem damaligen Kompagnon Erhard Klingner über eine wunderschöne Brücke in Schweden fährt, sagt der unvermittelt: „Ich möchte nur noch schöne Projekte machen!“

Kuhn hat den Traum wahr gemacht. Und nebenbei stellt er sein Knowhow in den Dienst sozialer Projekte: Beim Bau von Fußgängerbrücken in Peru ebenso wie beim Wiederaufbau nach der Jahrhundertflut im Müglitztal, wo er 2002 etliche Tage mit schwerem Gerät im Einsatz war. „Ich finde“, sagt Kuhn, „es gehört sich nicht auf dem Material und dem Wissen zu hocken und es nicht herzugeben.“

Außerdem wurden unter anderem vorgeschlagen: Tina Hösel, Pflege DAHEIM GmbH Netzschkau, Reichenbach; Torsten Hammer, Auto Hammer GmbH Radebeul.

Unternehmerpreis 2014:

Bewerbungen um den Preis: www.sz-unternehmerpreis.de

Der Preis „Sachsens Unternehmer des Jahres“ ist eine Gemeinschaftsinitiative von Sächsischer Zeitung, Freier Presse sowie von Volkswagen Sachsen, der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft PwC, der Sachsen Bank und der Sparkassen-Versicherung Sachsen.