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Am Anfang steht das Wagenrad

Seit 1889 bearbeitet der Familienbetrieb Stenzel Holz in Hartmannsdorf. In den vielen Jahren gab es jedoch einige Herausforderungen.

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© Karl-L. Oberthür

Von Stephan Klingbeil

Hartmannsdorf. Der Blick von Ur-Ur-Opa Robert Stenzel ist noch immer auf die alte Werkstatt gerichtet. 1889 hatte er das Haus in Hartmannsdorf von einem Stellmacher übernommen und legte den Grundstein für den Familienbetrieb. Dort, wo einst die Stellmacher der Tischlerei Stenzel Wagen, Räder und andere landwirtschaftliche Geräte aus Holz hergestellt haben, befindet sich aber mittlerweile das Büro von Peter Stenzel.

Auch allerlei Werkzeug brauchte man zur Herstellung.
Auch allerlei Werkzeug brauchte man zur Herstellung. © Karl-L. Oberthür

Der 36-Jährige führt seit 2009 die Geschäfte in dem Familienbetrieb – in fünfter Generation. Er mag das traditionelle Handwerk, kann sich aber ebenso für neue Kreationen begeistern. „Ich probiere auch mal etwas aus, arbeite gerne mit neuen Dingen, schaue, was mit dem vorhandenen Werkzeug und Material möglich ist“, sagt er.

Die Kreationen und Ideen aus der Tischlerei sind mit verschiedenen nationalen Preisen ausgezeichnet worden, unter anderem mit dem Sächsischen Staatspreis für Design in den Jahren 2007 und 2009.

Dass Peter Stenzel wie sein ein Jahr älterer Bruder Frank in die Fußstapfen von Vater Horst tritt, hatte sich schon abgezeichnet. „Ich bin in der Tischlerei aufgewachsen, habe täglich mit Holz zu tun. Es lag nahe, dass ich das hier irgendwann übernehme.“ Anders als sein Bruder Frank absolvierte er seine Lehre nicht in der väterlichen Tischlerei, sondern in Paulsdorf. Nachdem Peter Stenzel 2004 in Dresden seinen Meister gemacht hatte, schloss er sein Studium in Form- und Raumgestaltung in Bayern ab.

Sein Wissen kommt nun dem Familienbetrieb zugute. „Inzwischen erwarten Kunden, dass man ihnen vorab Entwürfe und Bilder zeigt“, erklärt der kreative Hartmannsdorfer. Zum Tischlern gehört heute nicht nur der Herstellungsprozess in der Werkstatt, sondern auch das Planen am Computer im Büro – und vor allem vor Ort.

„Wir machen meist Einzelstücke“, erklärt Peter Stenzel. Da müsse man individuell Maß nehmen. „Die Kunden kommen kaum hierher raus.“ Darum fährt er zu den Kunden. Absprachen werden bei ihnen getroffen. Gebaut wird in Hartmannsdorf.

Auch Peter Stenzel hat schon mal Wagenräder gezimmert. Doch solche Arbeiten seien schon längst nicht mehr gefragt. Vater Horst ist aber noch Stellmachermeister. Die Kunst oder besser die Schwierigkeit dabei sei es, ein Holzrad so hinzubekommen, dass es mehrere Tonnen Last tragen kann. Komplett verabschiedet von der Stellmacherei hat sich die Familie aber nicht. Den alten Radstock gibt es noch immer. Er wird gerne bei Aktionstagen gezeigt.

In dem Radstock wurden früher die einzelnen Holzteile für das neue Rad sorgsam zusammengezimmert. Später kamen noch Metallverschläge drauf. Es war wie ein Puzzle. Bis in die 1960er-Jahre gab es noch Anfragen von den Bauern aus der Gegend für die Stellmacher. Dann waren Stahlräder gefragt. Räder aus Holz wollte niemand mehr.

Massive Eckbänke und Schränke

Der Betrieb setzte dann für ein paar Jahre auf die Herstellung von Schneeschuhen. Mit dem verstärkten Einsatz von Kunststoff in der Produktion ging es auch hier bergab.

Die Stenzels setzten vor allem auf den Bau von Sesselgestellen – in der Regel für den Export. In der 1980er-Jahren wurden hier viele Bauernmöbel hergestellt, massive Eckbänke, Schränke waren erwünscht. „Teilweise hatten wir hier aber gar nicht das Material, um die Möbel anzufertigen, da hieß es schon mal länger Warten“, erinnert sich Peter Stenzel. Einst stapelte sich das Holz hoch vor der Tischlerei, musste pro Zentimeter ein Jahr trocknen, ehe es verarbeitet werden konnte. „Heute ist das mit den technischen Möglichkeiten ganz anders, geht fix“, sagt der Tischlermeister.

Nach der Wende richteten die Stenzels mehrere Gaststätten ein, zum Beispiel den Obertorgrill in Dippoldiswalde. Inzwischen fertigt und repariert die Tischlerei zu 80 Prozent Möbel, baut sie ein. 20 Prozent machen aktuell Fenster und Türen aus. Dabei trotzen die Stenzels auch der Billigkonkurrenz. Die Auftragsbücher sind gut gefüllt.

„Es ist dennoch nicht einfach, bei den niedrigen Preisen, zum Beispiel in Möbelhäusern, die ich oft selbst nicht nachvollziehn kann“, erklärt Stenzel. „Dafür halten die massiven Möbel hier ein Leben lang.“

In der neuen Werkstatt gegenüber vom Büro wird indes gesägt. Bruder Frank, ein weiterer Mitarbeiter und die zwei Lehrlinge aus Dippoldiswalde und Dresden bearbeiten das Holz. Der Holzspan wird dann zu Pellets gepresst und verkauft. Mensch und Maschine bilden bei den Stenzels eine Einheit. Dennoch ist hier vieles noch Handarbeit. Ab und zu kommen sogar alte Tischlerwerkzeuge wie die Raubank, ein großer Hobel, zum Einsatz. Der Radstock wird aber wieder auf dem Dachboden verstaut.