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Altes Bier in neuen Flaschen

Jahr für Jahr wird in Deutschland weniger Bier getrunken - und die Biertrinker werden wählerischer. Die Brauer müssen sich etwas einfallen lassen.

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© dpa

Jasmin Sarwoko

Goslar. Schon im Eingangsbereich ist die Wärme aus den Kesseln spürbar. Es riecht nach Malz. An der Wand hängen Schwarz-Weiß- Fotografien aus dem 19. Jahrhundert. Sie erzählen eine Geschichte über Handwerk und Bier. „Es ist wie beim Essen. Den einen schmeckt’s, den anderen nicht“, sagt Brauer Arne Kosik vom „Brauhaus Goslar“. Der 25-Jährige steht am Zapfhahn und wartet, bis das bernsteinfarbene Bier ins Glas fließt. Kosik zapft eine Gose, ein naturtrübes Pils mit Salz und Koriander.

Tradition und Individualität sind für viele Biertrinker wichtige Kaufargumente. Bei den Spezialitätenbieren sei der Umsatz im vergangenen Jahr um rund acht Prozent auf gut 400 Millionen Euro gestiegen, sagt Bier-Experte Marcus Strobl vom Marktforschungsunternehmen Nielsen. Pils, Weizen und Exportbiere haben dagegen Marktanteile verloren. Dennoch sind die Spezialitätenbiere noch ein Nischenprodukt: Ihr Anteil am Gesamtbierumsatz von rund 7,25 Milliarden Euro liegt bei 5,5 Prozent.

Vieles drehe sich um Authentizität und Glaubwürdigkeit der Marke, erklärt Bierexperte Günter Birnbaum vom Marktforschungsinstitut GfK. Gerade die Generation der Millennials - also die heute etwa 20- bis 30-Jährigen - habe das Bedürfnis nach einer Marke, die eine Geschichte erzählt: „Ein Biermarke transportiert Welten“, sagt Birnbaum.

Ein Mittel sei die Wiederbelebung von Traditionen und der Verweis auf die Herkunft. Das ist quer durch die Republik sichtbar, durch Biere wie das Bayreuther Aktien Zwick’l, das ebenfalls oberfränkische Mönchshofer Kellerbier oder das nordrhein-westfälische Warburger Landbier.

Für Marken wie die Gose, die sich ohnehin über die regionale Braukunst definieren und eine lange Historie aufweisen, ist der Trend nichts Neues. Der Bierumsatz mit der Gose wächst seit 2009 jährlich um zehn bis fünfzehn Prozent.

Die Großbrauerei Veltins hat vor drei Jahren eine komplett neue Marke mit altem Image eingeführt. Mit dem Grevensteiner greift die Großbrauerei auf ein älteres Brauverfahren und ein Design zurück, das an das 19. Jahrhundert erinnern soll. Im vergangenen Jahr gingen die Verkäufe um knapp 55 Prozent nach oben.

„Back to the roots zieht nur als Ergänzung zu den gängigen Biersorten“, sagt Veltins-Sprecher Ulrich Biene. Denn Pils ist weiter die beliebteste Biersorte, auch wenn der Absatzanteil sinkt. Er liegt Nielsen zufolge immer noch bei rund 50 Prozent.

Große Pils-Brauereien stünden vor einer Herausforderung, wenn sie eine neue Marke entwickeln, meint Nielsen-Bier-Experte Strobl. Er interpretiert den Konsumwandel als eine Art Gegenbewegung zum Pils. „Es ist so, dass die Verbraucher jetzt auch beim Bier nach links und rechts schauen.“ Konsumenten seien neugierig und hätten Lust auf etwas Neues, auch aufgrund des oft als einheitlich wahrgenommenen Geschmacks der Pilsbiere.

Die weltweit größte Brauereigruppe Anheuser-Busch Inbev sieht die Verkaufszahlen beim Pils nicht durch den Erfolg der Spezialitäten in Gefahr. Generell liege die Zukunft des Biermarktes aber „im Bereich Premium“, sagt Sprecher Oliver Bartelt.

Die Brauereien wollen den sinkenden Bierabsatz auch mit teureren Bieren ausgleichen. 1991 wurden in Deutschland laut Statistischem Bundesamt noch knapp 113 Millionen Hektoliter Bier getrunken - im vergangenen Jahr waren es nur noch knapp 80 Millionen. Auch die jüngsten Zahlen besagen, dass der Absatz im ersten Quartal 2017 um weitere 2,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken ist.

Es werde zwar weniger getrunken, sagt AB-Inbev-Sprecher Bartelt, aber dafür seien die Konsumenten bereit, mehr Geld auszugeben. Im Durchschnitt haben die Deutschen 2016 nach einer Erhebung von Nielsen rund 74 Liter Bier und Biermix-Getränke gekauft und dafür knapp 90 Euro ausgegeben.

„Die Deutschen waren lange Zeit Schnäppchenjäger“, sagt GfK-Experte Günter Birnbaum. Aber für die nachwachsenden Konsumgenerationen stellten die steigenden Preise für neue Biere kein Hindernis dar - denn das nötige Geld sei vorhanden. (dpa)