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Alte Weberei macht Platz für moderne Industrie

Die Gemeinde Neukirch plant neue Jobs mit Zukunft. Dafür ersteigert sie eine marode Fabrik.

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© Steffen Unger

Von Ingolf Reinsch

Neukirch. Im Erdgeschoss riecht es beißend nach Maschinenöl. Doch produziert wird in dem großen Fabriksaal an der Neukircher Leibingerstraße schon seit vielen Jahren nicht mehr. Statt dessen Schrott, wohin man schaut: Reste von Möbeln, alte Transportwagen, Paletten, Bauschutt, ein ausrangierter Kühlschrank, verstaubte Kisten mit noch verstaubteren Gläsern, aus denen niemand mehr trinken möchte. Inmitten des Saals sammelt sich das Regenwasser. Es bahnt sich durch mehrere Etagen seinen Weg bis ins Erdgeschoss.

Ein Teil des historischen Fabrikgebäudes, welches 1896 als Weberei errichtet wurde. Später wurden hier Koffer und Rucksäcke, ab 1960 Teile für Landmaschinen produziert.
Ein Teil des historischen Fabrikgebäudes, welches 1896 als Weberei errichtet wurde. Später wurden hier Koffer und Rucksäcke, ab 1960 Teile für Landmaschinen produziert. © Steffen Unger
Ein Foto aus den Anfangsjahren. Es zeigt die Belegschaft der mechanischen Weberei Eckold im Jahr 1902 vor dem Betriebstor. Dr. Harry Thonig, Geschäftsführer der Trumpf Sachsen GmbH, stellte die Aufnahme der SZ dankenswerterweise zur Verfügung.
Ein Foto aus den Anfangsjahren. Es zeigt die Belegschaft der mechanischen Weberei Eckold im Jahr 1902 vor dem Betriebstor. Dr. Harry Thonig, Geschäftsführer der Trumpf Sachsen GmbH, stellte die Aufnahme der SZ dankenswerterweise zur Verfügung. © privat

Im Saal darüber sieht es nicht viel besser aus. Der ist zwar weitgehend beräumt. Doch ein weiß-rotes Band versperrt den Zutritt: Lebensgefahr! Die Decke könnte einstürzen. Erste Löcher gibt es schon. Im benachbarten Raum ist die Decke bereits herabgebrochen. Ein schwerer, morscher Balken liegt inmitten des Schutthaufens aus Ziegeln, Mörtel und Holz.

Bis zum Sommer gehörte die Immobilie einem in Neukirch tätigen Unternehmer. Die Gemeinde ersteigerte sie mit dem Ziel, die verfallenen Gebäude abzureißen, das Areal zu planieren und auf rund 12 000 Quadratmetern Voraussetzungen für weitere Industrieansiedlungen in unmittelbarer Nachbarschaft zum Hochtechnologieunternehmen Trumpf zu schaffen. Nachfragen gibt es; Unternehmer stehen in den Startlöchern, sagt Bürgermeister Jens Zeiler (CDU). Der Gemeinderat stimmte zu, im Haushalt fürs nächste Jahr 400 000 Euro für den Abriss bereitzustellen, vorausgesetzt, es gibt dafür auch Fördergelder. Zurzeit ist die Gemeinde dabei, Programme zu prüfen, die einen staatlichen Zuschuss zur Revitalisierung der Brachfläche zwischen 85 und 90 Prozent vorsehen. Für die dafür notwendigen Planungen bewilligte der Gemeinderat bereits 50 000 Euro und vergab den Auftrag an ein Dresdener Büro. Die Gemeinde finanziert diese außerplanmäßige Ausgabe aus zusätzlichen Gewerbesteuer-Einnahmen. Man wolle die Gebäude „zeitnah“ abreißen, sagt Jens Zeiler. Nach Möglichkeit schon im Jahr 2018.

Das Hauptgebäude steht unter Denkmalschutz. Mit einem vertretbaren baulichen Aufwand ist es jedoch nicht mehr zu retten. Die Denkmalschutzbehörde stimme deshalb dem Abriss zu, sagt Neukirchs Bauamtsleiterin Cornelia Würz-Lehmann. Allerdings muss die Gemeinde vor dem Abriss eine Dokumentation erstellen, wozu auch zig Fotos gehören. Eine Herausforderung in dem maroden Gebäude. Eine weitere Herausforderung sind Schadstoff-Gutachten, die für die Entsorgung erstellt werden müssen.

Das Fabrikgebäude wurde 1896 als mechanische Weberei errichtet. Die Firma C.H. Eckold fertigte dort Leinenerzeugnisse – vom Matratzenstoff bis zu Damasttischtüchern. Die Weberei, zu der auch eine Färberei gehörte, bestand bis um das Jahr 1927. Danach nutzten Max Sommer und dessen Nachfolger die Gebäude als Rucksack- und Kofferfabrik. Ab dem Jahr 1960 gehörte der Betrieb zum DDR-Erntemaschinenbaukombinat Fortschritt. Produziert wurden bis zur Wende Zulieferteile für Landmaschinen. Nach der Wende in der DDR erwarb ein Unternehmer aus Westdeutschland die Immobilie. Genutzt wurde sie in den vergangenen Jahren von der „Heinrich-Pingert-Stiftung“.