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Alte Mühle bekommt was aufs Dach

Seit mehr als 350 Jahren gibt’s die Hainmühle in Prietitz. Familie Hantsche saniert sie – ökologisch und denkmalsgerecht.

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© René Plaul

Norbert Pietschmann und Stefan Schneller nageln verwitterte alte Holzschindeln an Dachbalken der Hainmühle. Allerdings von innen. Kein Versehen, sondern pure Absicht. Besucher sollen die uralte hölzerne Eindeckung bewundern können, ohne aufs Dach kraxeln zu müssen. Selbiges ist inzwischen ohnehin längst mit Schiefersteinen statt mit Holz eingedeckt. Doch vor über 350 Jahren lag das Oberstübchen der Hainmühle noch unter eben solchen Holzschindeln.

Dank einer ganzen Reihe glücklicher Zufälle ist die Hainmühlein sehr großen Teilen im Original erhalten.
Dank einer ganzen Reihe glücklicher Zufälle ist die Hainmühlein sehr großen Teilen im Original erhalten. © René Plaul

Ulrich Hantsche und seiner Lebensgefährtin Ilka Zessin ist es zu verdanken, dass die Schindeln nicht auf dem Müll landeten, sondern für die Nachwelt erhalten bleiben. So wie die Hainmühle auch. Denn die Prietitzer retten das besondere Kulturdenkmal vor dem Verfall. Seit Jahren sanieren sie die über 350 Jahre alte Wassermühle, in der der letzte Müller Paul Hommel noch bis 1962 Korn gemahlen hatte – und zwar absolut denkmalgerecht. Die neuen Besitzer richten das Gemäuer so her, wie es früher war. Zumindest versuche man das, erklärt Ilka Zessin. Nur einmal wurde erheblich in den Bestand eingegriffen: Als die Toilette ins Haus kam. Einen Anschluss ans zentrale Wasser- oder Abwassernetz sucht man allerdings vergeblich. Das kühle Nass kommt aus dem Brunnen, Schmutzwasser wird in eine Pflanzenkläranlage geleitet.

Unternehmen in fünfter Generation

Dass Familie Hantsche die Mühle kaufte, hängt mit ihrem Faible für Technik zusammen. Schließlich ist Ulrich Hantsche Chef eines traditionsreichen Maschinenbauunternehmens in Prietitz, welches er in fünfter Generation führt. Dank einer ganzen Reihe glücklicher Zufälle ist die Hainmühle in sehr großen Teilen im Original erhaltenen. Vom Walzenstuhl über Getreideschütten und Schälmaschine bis hin zum Schrotgang mit Steinkran. Das habe Seltenheitswert, so Ilka Zessin. Darum wollten die Besitzer das technische Denkmal als Zeitzeugnis bewahren. Denn die Mühle sei bester „Beweis für den Fleiß, das handwerkliche Geschick und den Erfindergeist unserer Vorfahren“. Allerdings hatte der Holzwurm über die Jahrhunderte in den dicken Balken nach Nahrung gesucht. Deshalb musste ihm zunächst mit Gas der Garaus gemacht werden.

Vier Gebäude gehören zum Denkmal. Neben der Wassermühle sind dies der Stall, das Backhaus und die Ölmühle. Von Letzterer ist allerdings nur noch ein Trümmerhaufen übrig. Aufgebaut wird zunächst nur die Mühle. Dafür bekommen die Bauherren auch Fördermittel. Die reichen natürlich nicht. Schon gar nicht, wenn man so originalgetreu und detailverliebt saniert wie die Prietitzer. Und so haben Ulrich Hantsche und Ilka Zessin eine sechsstellige Summe aus der eigenen Tasche in den Bau investiert. Wände und Decken bekamen Kalk- beziehungsweise Lehmputz, gedämmt wurde mit alten, natürlichen Baustoffen. Die vorgefundenen Türen ließen die Bauherren aufarbeiten, die morschen Türfutter wurden nach altem Vorbild neu gebaut. Für den Fußboden im Getriebekeller wurden alte, gebrauchte Ziegel aufgetrieben und verbaut. Und, und, und. Die Eigentümer rekonstruieren gründlicher, als die Denkmalbehörde verlangt. Inzwischen ist die uralte Wassermühle – zumindest von außen – schon ein richtiges Kleinod. Drinnen müssen Zimmerleute und Maler noch ein paar Kleinigkeiten richten. Doch gerade die halten bekanntlich besonders auf. Zum Beispiel der Neubau des Wasserrades. Mühlenbauspezialist Gottfried Schumann aus Mulda wird das abhanden gekommene Rad ersetzen.

Chefrestaurator plaudert aus dem Nähkästchen

Allerdings gibt’s für den Nachbau kein Fördergeld. „Weil es weg war“, erklärt Ilka Zessin. Die Generalüberholung der noch vorhandenen Technik hingegen wurde umfangreich gefördert. Deshalb trieben die Bauherren erst einmal alle Arbeiten voran, für die Fördermittel abzurufen waren. Doch nun steht ein wichtiger Termin ins Haus. Am 17. September, dem Vorabend der Einweihung der sanierten Elstraer Orgel, gibt’s am Denkmal einen Mühlenabend. Bei dem plaudert Andreas Hahn, Chef-Restaurator der bekannten Dresdner Orgelbaufirma Jehmlich, aus dem Nähkästchen. Schließlich hat Abraham Strohbach – einer der früheren Hainmüller – seinerzeit das barocke Instrument gebaut. Ilka Zessin, die sich auch im Förderkreis Strohbachorgel engagiert, wundert der Doppel-Einsatz nicht. „Müller waren handwerklich sehr gut ausgebildet und erfahren, denn eine Mühle hat viele mechanische Teile, die ständig gepflegt und repariert werden mussten.“ Bis zum Mühlenabend wollen die Bauherren noch vieles schaffen. Ein Ziel sei es beispielsweise Besuchern alle drei Antriebsarten zu zeigen. Als das Wasserrad ausgedient hatte, wurde die Mahltechnik mit einem stationären Dieselmotor und später mit Strom betrieben. Eindeutig Chefsache, erklärt Ilka Zessin augenzwinkernd. Zum einen sei ihr Lebensgefährte gelernter Kfz-Schlosser, zum anderen spiele Motoreninstandsetzung in der über 150-jährigen Geschichte der Firma Druckluft Hatsche eine große Rolle.

Dass der Termin drängt, sieht die Prietitzerin als etwas Positives. Das sei schon in der Vergangenheit hilfreich gewesen. Fördermittel gab es nur nach Baufortschritt. Doch dieser Druck half. „Sonst würde man ja nur bauen, wenn man mal Zeit hat. Und Zeit hat man eigentlich nie.“ Schon jetzt können Neugierige die Mühle an Wochenenden besichtigen und Einblick in damalige Arbeits- und Lebensbedingungen bekommen. Auch als Seminar- oder Feierraum kann das Gebäude gemietet werden. Die Bauherren haben selbst schon schöne Stunden in den liebevoll sanierten Räumen verbracht. „Das ist ganz und gar niedlich. Aber wohnen möchte ich hier nicht.“ Es sei zu dunkel, die Wände zu nass. Dafür ist es auch nicht gedacht. Die Mühle wird eine Technische Schauanlage, die ihresgleichen sucht.