Von Susanne Sodan
Der Name für seine Tochter ist Marco Jakob im Keller eingefallen, zwischen Sägen, Bohrern und Fahrradwerkzeug. „Mein Mann hat darüber nachgedacht, was er als Nächstes basteln will“, erzählt Cornelia Jakob. Sie wollte lieber eine andere Frage klären. Wie soll ihr Kind heißen? Marco Jakobs Antwort: Gerda. Das alte Haus, das alte Werkzeug an der Wand hatten ihn darauf gebracht: Hier lebte doch einst schon eine Gerda. Das Haus in Oppach hat die Familie vor einigen Jahren gekauft. Marco Jakob kennt es genau, er ist in der Nachbarschaft aufgewachsen. Eine Schusterei war das Gebäude einst, und die letzte Bewohnerin hieß Gerda. „Meine ältere Tochter war von dem Vorschlag auch sofort begeistert. Da hatte ich nichts mehr zu melden“, erzählt Cornelia Jakob und lacht. Am 29. September wurde Gerda Jakob geboren. Mutter Cornelia ist zufrieden mit der Namenswahl. „Gerda ist ein kurzer, knapper, bündiger Name. Er ist schön, wie er ist.“ Und er ist alt. „Wir haben ohnehin eine Vorliebe für alte Dinge.“
Neugeborene aus Löbau-Zittau
Zittauer Eltern mögen Fritz
Damit ist die Familie nicht alleine. Man braucht nur auf die Babyseiten in der SZ zu schauen: Arthur findet sich dort, Martha, Theo, Gustav und Oskar sind dabei, Emma, Therese, Johanna. „Diese Namen wurden in letzter Zeit sehr häufig vergeben“, bestätigt Lisa Otto vom Klinikum „Oberlausitzer Bergland“ den Trend zu Namen, die vor vielen Jahren schon modern waren, dann aber fast verschwanden. Außerdem beliebt auf den Geburtsstationen in Ebersbach-Neugersdorf und Zittau: Frieda, Selma, Mathilda. Die Stadt Zittau hat genaue Zahlen: Dieses Jahr stehen bei den Mädchen bis jetzt Mia und Sophie ganz oben. Ebenfalls vertreten in den Zittauer Top 10: alte Namen, wie Johanna und Käthe. Bei den Jungen zeigt sich der Trend noch deutlicher. Platz eins geht an Fritz. Ebenfalls weit oben vertreten: Alfred, Arthur, Karl.
„Viele Eltern suchen nach etwas Besonderem im Alltäglichen“, erklärt Frauke Rüdebusch von der Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden. Einerseits, so erklärt sie, sind alte Namen nichts Außergewöhnliches. „Man kennt diese Namen von den Vorfahren.“ Andererseits sind sie eben doch besonders – weil sie lange nicht vergeben wurden. „Wenn solche traditionellen Namen heute wieder auftauchen, denkt man eben doch: Ach, wie ungewöhnlich.“
Ostdeutsche liegen vorne im Trend
Auch die Sprachgesellschaft ermittelt jedes Jahr, welche Namen bei den Eltern am beliebtesten sind. Gerda ist derzeit noch selten. 2013 stand der Name deutschlandweit auf Platz 410, in Sachsen deutlich weiter vorne: Platz 205. Auffällig an der Liste: In den östlichen Bundesländern sind alte Namen bereits viel stärker verbreitet als in Westdeutschland. Martha lag 2013 zum Beispiel deutschlandweit auf Platz 58, in Sachsen auf Platz 43. Theo landete in der bundesweiten Zählung auf Platz 37, in Sachsen auf Platz 19. Oskar rangierte deutschlandweit auf Platz 23, in Sachsen sogar auf Platz drei. Frauke Rüdebuschs Vermutung, warum das so ist: „Ich könnte mir vorstellen, dass sich Eltern in Ostdeutschland schneller umorientiert haben, weil sie mit modernen Namen aus dem englischsprachigen Raum schon schlechte Erfahrungen gemacht haben.“ Mandy und Kevin hatten sich nach ihrer Hochphase schnell zu beinahe verpönten Namen entwickelt. „Ich frage die Eltern bei jedem Taufgespräch, warum sie sich für den Namen ihres Kindes entschieden haben“, erzählt der Bernstädter Pfarrer Thomas Markert. Dass alte Namen wieder modern sind, bemerkt er bereits seit Jahren. „Manche sagen, sie hätten ihr Kind nach dem Urgroßvater benannt.“ Öfter aber gehe es einfach um die Ästhetik – und um praktische Gründe. „Anders als die ausgefallenen Namen vergangener Jahre soll der Name wieder eindeutig und für das Kind später leicht zu schreiben sein“, so Markert.
Gabriele Rodríguez von der Namensberatungsstelle der Universität Leipzig untersucht Namen wissenschaftlich. Erstmals aufgefallen ist ihr die Rückkehr alter, deutscher Namen 2005. „Allerdings gibt es nie nur einen Namenstrend, sondern mehrere, die parallel verlaufen“, erklärt Gabriele Rodríguez. Zum Beispiel Namen aus dem englischsprachigen Raum, wie Simon, Noah, Jonathan oder Elias oder auch Fantasienamen wie Arya oder Arwen. Insgesamt wachse der Vornamenbestand ständig. „Man muss auch bedenken, dass jedes vierte Kind in Deutschland mit Migrationshintergrund geboren wird“, sagt Gabriele Rodríguez. „Dadurch kommen wieder neue Namen aus verschiedenen Kulturen dazu.“ Jasmin, Samira, Deniz – Namen, die auch deutsche Eltern übernehmen. „Da findet ein Austausch in beide Richtungen statt“, sagt Gabriele Rodríguez.
Für welchen sich die Eltern am Ende entscheiden, hänge von mehreren Faktoren ab, unter anderem Bildungsstand und medialer Einfluss. Eine allgemeine Faustregel gibt es aber, sagt Gabriele Rodríguez. „Die Vornamensgeschichte verläuft immer wellenartig. Etwa alle hundert Jahre kehren Namen wieder.“ Demnach wäre Familie Jakob mit ihrer Gerda früh dran. Zuletzt hatte der Name etwa von 1915 bis 1935 eine Hochphase. Aber in ein paar Jahren könnte es noch viel mehr Gerdas geben. (mit SZ/hoe)