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Als wären die alten Bewohner noch da

Eine Schatzgrube: Die Meißner Agrarprodukte AG bewahrt auf dem ehemaligen Kaule-Hof das bäuerliche Leben von einst.

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© Kristin Richter

Von Catharina Karlshaus

Gävernitz. Als sich der Schlüssel im Schloss herumdreht, setzt sich die Zeitmaschine in Bewegung: Mobiliar und Geschirr, Spielzeug oder Bücher, Maschinen, Werkzeuge und Utensilien jeglicher Art. In den sorgsam hergerichteten Räumen des geschmackvoll sanierten Dreiseiten-Hofes weht der Hauch vergangener Jahrhunderte. Wie mühevoll es gewesen ist, Wäsche zu waschen? Mit welchem Aufwand die Tiere versorgt worden? Oder wie behaglich die alte Wohnstube alle Generationen um den großen runden Tisch versammeln konnte? Hier, genau hier, werden diese Fragen beantwortet. Zumindest für jene Besucher, die Zutritt zum ehemaligen Kaule-Hof im Priestewitzer Ortsteil Gävernitz erhalten. Denn was sich anfühlt wie ein professionelles, aber liebevoll bestücktes Museum, ist die stille Leidenschaft eines einzelnen Mannes. Norbert Herrmann, Seniorchef und Vorstand der Meißner Agrarprodukte AG, hat vornehmlich die Überbleibsel der Vergangenheit zusammengetragen. Und zwar geräuschlos. Über Jahre hinweg hat er unzählige Überbleibsel vergangener Tage vor dem Müllcontainer bewahrt. So steht die alte Waschmaschine neben dem Holztrog, Lehrbücher aus der jüngeren DDR-Vergangenheit liegen in der Nähe von ehemaligen Stall- und Kassenbüchern. Ein komplett eingerichtetes Kinderzimmer lädt ebenso wie die Küche mit all ihren Töpfen, Geschirr und Besteck zum illustren Kopfkino ein. Ja, so muss es damals ausgesehen haben! Auf dem Kaule-Hof, in welchem Bauern einst nicht nur ihre Familie, sondern auch all ihre Tiere beherbergten. Wo die Pferde über den Hof geführt wurden, dazwischen die Hühner gackerten und die Kühe an sieben Plätzen im Stall ein Zuhause gefunden haben.

Zu bewundern sind verschiedene Zimmer – hier ein Vorratsraum – im Stil von einst.
Zu bewundern sind verschiedene Zimmer – hier ein Vorratsraum – im Stil von einst. © Kristin Richter
Im einstigen Kuhstall findet sich eine Sammlung von Melkutensilien und Milchkannen.
Im einstigen Kuhstall findet sich eine Sammlung von Melkutensilien und Milchkannen. © Kristin Richter
Hemden, Mütze – es ist beinahe so, als wären die ehemaligen Hausherren gleich vom Feld zurück.
Hemden, Mütze – es ist beinahe so, als wären die ehemaligen Hausherren gleich vom Feld zurück. © Kristin Richter

Gut zehn Jahre, so Norbert Herrmann, sei es nun her, dass man das damals noch völlig verfallene Grundstück gekauft habe. Neben der Herrichtung von Wohnungen hat es der 72-Jährige – er findet sich immer noch jeden Tag pünktlich um 7 Uhr in der Firma ein – zum beeindruckenden Sammelort für landwirtschaftliches Leben werden lassen. „Bei Renovierungen oder Umbauten an Häusern oder Scheunen werden all diese großen und kleinen Gegenstände oft einfach schnell entsorgt. Teilweise ist es ja auch nur allzu verständlich, hat doch niemand wirklich Platz für eine ausrangierte Kutsche oder einen alten Traktor“, sagt Norbert Herrmann und lacht.

Nun, im Kaule-Hof ist zumindest noch nicht jede Ecke vollgestellt. Aber auch hier könnte es zugegebenermaßen langsam etwas eng werden. Denn abgesehen vom voll eingerichteten Heuboden, schaut es in der ehemaligen Scheune aus wie beim Oldtimer-Treffen für ländliche Gefährte jeglicher Art.

Eben jene Kutschen, Traktoren, aber auch eine Kartoffelsortiermaschine, eine Schrottmühle, eine Strohpresse, Pflüge und Eggen, eine Dreschmaschine und selbst ein Jauchewagen erinnern an das teilweise mühevolle Einst. „Wir bemühen uns, die alten Geräte, welche für die Arbeit auf dem Feld, im Stall, in der Küche und auf dem Hof notwendig waren, auch wieder zu reparieren. Durch die Funktionsweise ist es dann besser möglich, wirklich nachzuempfinden, wie die Menschen gelebt haben“, sagt Norbert Herrmann. Wie er betont, ginge es dabei allerdings keineswegs um die Verklärung der sogenannten guten alten Zeit. Stattdessen wolle man ein möglichst realistisches Bild vom bäuerlichen Schaffen zeigen und darstellen, wie entbehrungsreich die Produktion der Nahrungsmittel doch gewesen ist. Ein enges Zusammenleben von jungen und alten Menschen und Tieren jeglicher Art, dass so heute gar nicht mehr vorstellbar sei. „Wir möchten gern die Erinnerung daran bewahren und freuen uns deshalb über neue Fundstücke“, bekennt Herrmann.

Wer die Sammlung vervollständigen möchte, kann sich gern an Norbert Herrmann, Tel. 035249 790660, wenden.