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Als Straßenbahnen durch Zittau bimmelten

15 Jahre leistete sich die Stadt einen Nahverkehr auf Schienen. Doch die Kosten waren zu hoch. 1919 kam das Aus.

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© Sammlung H. Schwalbe

Von Heike Schwalbe

Zittau. Mit Zittaus Stadtbussen ist man heutzutage auf drei Linien gut unterwegs. Von einem gut funktionierenden Stadtverkehr wurde bereits vor 120 Jahren geträumt, denn das Aufstreben Zittaus war unverkennbar. Immer mehr Fabriken und Gründerzeitbauten entstanden. Auch die Einwohnerzahl stieg schnell. Doch der Stadtverkehr wurde vornehmlich von Kutschen und Fuhrwerken bestimmt, nur selten knatterte ein Automobil durch die Straßen, von denen die wenigsten eine Pflasterung hatten.

Vor der Verschrottung eines der letzten Wagen im Jahre 1929 stellten sich ehemalige Straßenbahner noch einmal dem Fotografen.
Vor der Verschrottung eines der letzten Wagen im Jahre 1929 stellten sich ehemalige Straßenbahner noch einmal dem Fotografen. © Sammlung H. Schwalbe

Deshalb gab es schon 1895 erste Überlegungen zum Bau einer Bahn innerhalb Zittaus. Angebote wurden eingeholt und bereits 1900 Verträge mit einem Bauunternehmen geschlossen. Doch die Firma sagte ab. 1902 ging es einen entscheidenden Schritt voran. Zittau konnte in der Weinau eine Gewerbe- und Industrieausstellung ausrichten. Damit Besucher schnell hierherkamen, erhielt die Stadt erneut die Genehmigung zu Bau und Betrieb einer elektrischen Straßenbahn als Provisorium für kurze Zeit. Die Bahn fuhr viertelstündlich ab Haberkornplatz bis zum Eingangsportal der Ausstellung an der Bismarckallee für einen Fahrpreis von 15 Pfennigen. An insgesamt 86 Tagen wurde die Bahn von exakt 270 979 Fahrgästen genutzt, danach erfolgte ihr Abbau.

Da sich die Zittauer mit der Straßenbahn angefreundet hatten, wünschten sie sich auf Dauer solch ein Verkehrsmittel. Bereits 1904 beschloss der Stadtrat mit dem Bau eines Elektrizitätswerkes gleichzeitig den Bau der Bahn. Das Konzept sah zwei Linien vor mit einer Spurbreite von einem Meter. Der Auftrag für Straßenbahn und Leitungsnetz ging an die AEG, während den für das Werk die Siemens-Schuckert-Werke bekamen. Am 4. April begann die Schienenverlegung vom Bahnhof zum Markt. Die Bauzeit für diese ersten 700 Meter betrug eine Woche. Am 14. Dezember 1904 war es soweit: Die „Städtische Straßenbahn Zittau“ (SSZ) nahm auf der roten und weißen Linie ihren fahrplanmäßigen Betrieb auf. Die „Weiße Linie“ fuhr vom Bahnhof zur Grottauer Straße, die „Rote Linie“ von der Äußeren Weberstraße zur Görlitzer Straße. Zehn mit Gleichstrom mit je 12 PS fahrende Wagen verkehrten dabei durch Zittaus Zentrum mit Umsteigemöglichkeit auf dem Markt. Erwachsene zahlten 10 Pfennige für eine Fahrt, Kinder bis 14 Jahre die Hälfte. Auch Zahlmarken, 12 Fahrten für eine Mark, gab es. Das war bei den damaligen Verdiensten ein recht hoher Preis. Die Bahn erwies sich jedoch in den ersten Jahren als rentabel für die Stadt.

Bald wurde der Wunsch der Bürger nach einer dritten Linie laut. Die neue Strecke wurde als „Blaue Linie“ 1905 in Betrieb genommen. Sie verlief vom Bahnhof über den Töpferberg, die Äußere Weberstraße zur Olbersdorfer Stadtgrenze. Vier Jahre später kam noch eine Verlängerung der roten Linie zur Weinau hinzu. Weitere Wünsche der Bürger nach Verlängerungen bis Olbersdorf, Hörnitz und Eichgraben lehnte die Stadt ab. Die Straßenbahn hatte nun eine Gesamtstreckenlänge von über neun Kilometern, 20 Motorwagen mit 25 PS fuhren auf den drei Linien. Jeder konnte Fahrgäste im Passagierraum auf 14 Sitz- und 12 Stehplätzen befördern. Die Straßenbahnwagen waren an den Enden offen. Doch 1912 meldete eine Zeitung, dass probeweise ein Wagen mit Glasschutzscheiben für den Führer eingesetzt wurde. Damit wurden später auch andere Wagen ausgestattet.

Mittlerweile betrieb die Stadt die Straßenbahn nur mit starken Verlusten. Während am Wochenende viele Fahrgäste befördert werden wollten, ging deren Zahl an den Wochentagen stark zurück. Nach dem Ersten Weltkrieg erfolgte die Abwertung des Geldes, es fehlte Personal. Hinzu kamen Lohnkämpfe, auch unter den Angestellten der Zittauer Straßenbahn. Die Anhebung des Fahrpreises auf 25 Pfennig folgte. Bald wurden auch weniger Fahrten angeboten. So war für Zittau die Bahn nicht mehr zu halten. Nach lediglich 15 Jahren Betriebszeit fuhr am 17. November 1919 die letzte Straßenbahn durch die Stadt.

Die Zittauer bedauerten das sehr. Doch die Ausgaben für eine Wiederinbetriebnahme wären zu hoch gewesen, da ein Teil der Wagen bereits nach Spanien, Rumänien und Tschechien verkauft war. Der andere Teil wurde verschrottet. In den 1930er Jahren wurde mit dem Abbau der Schienen begonnen. Aber noch in den 1960er Jahren ließen sich an einigen Stellen Schienenreste der einstigen Zittauer Straßenbahn entdecken.

Doch längst hatten die Stadtväter die Weichen für die Zukunft gestellt. Fast auf den Tag genau vor 90 Jahren, am 25. November 1927, wurde nicht nur die endgültige Stilllegung der Straßenbahn, sondern auch die Einführung eines Stadtbusverkehrs beschlossen.