Merken

„Als Fußballer lebt man wie in einer Blase“

Marcus Hesse galt als eines der großen Torwart-Talente. Doch nach seiner Rückkehr nach Dresden hatte er viel Pech. Mit 25 beendete er seine Profikarriere und fiel erst mal in ein Loch.

Teilen
Folgen
NEU!
© Robert Michael

Von Daniel Klein

Auf den ersten Blick ist es die klassische Geschichte des Scheiterns: Ein Talent kämpft sich bei einem Verein bis in die Bundesliga hoch, wechselt dann in die Heimat, verliert erst seinen Stammplatz und dann seinen Vertrag. Doch genau genommen ist die Geschichte des Marcus Hesse die eines Um- oder Aussteigers. Erzählt hat der 33-Jährige die während einer einstündigen Autofahrt durch Dresden Thomas Wolf, der im Internet die Nachrichtenplattform DieSachsen.de betreibt. Die beiden kommen dabei auch am DDV-Stadion und am Trainingsplatz im Großen Garten vorbei. Für Hesse war die Zeit bei Dynamo der Knackpunkt in seiner Karriere.

Von 2001 bis 2007 hatte der gebürtige Dresdner bei Alemannia Aachen gespielt, und es dort durch die Nachwuchsteams bis in die Bundesliga geschafft. Zwei Partien absolvierte der Torhüter im Oberhaus. Nach dem Abstieg mit Aachen wollte Hesse zurück nach Dresden, Ralf Minge wurde zu der Zeit Sportdirektor. „Mit dem hatte ich einen guten Draht“, erzählt er. Mit dem Trainer dagegen nicht. „Norbert Meier hielt nicht viel von mir. Das habe ich schnell gemerkt.“ Doch das war nicht das einzige Problem. Hesse beerbte bei den Schwarz-Gelben Ignjac Kresic, der große Fußstapfen hinterlassen hatte. Mit ihm sei er permanent verglichen worden. Der nächste Stolperstein: „Es stimmte in der Mannschaft nicht.“ Die qualifizierte sich für die neugegründete 3. Liga, ein Aufstieg war das aber nicht. „Ich hatte in den zwei Jahren bei Dynamo drei Trainer“, blickt er zurück.

Die größte Schwierigkeit war aber wohl die übertriebene Erwartungshaltung – die öffentliche wie persönliche. Schließlich kam da ein Bundesliga-Torhüter in die Regionalliga. „Den größten Druck habe ich mir selber gemacht. Letztlich bin ich meinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht geworden“, schätzt er ein. Nach 16 Einsätzen und einer kurzen Verletzungspause landete Hesse auf der Ersatzbank – und blieb dort bis zu seinem Ende bei Dynamo. „Rückblickend war der Schritt zurück nach Dresden nicht der richtige“, findet er. Hinzu kamen die häufigen Zwangspausen. „Von 2001 bis 2009 hatte ich 27 Verletzungen. Mein Körper war offenbar nicht für den Leistungssport gemacht.“

Mit 25 beendete er das Kapitel. Der Umstieg allerdings, und dies ist das eigentlich Bemerkenswerte an der Geschichte, sei typisch für einen Ex-Profi verlaufen, nämlich holprig. „Als Fußballer lebt man wie in einer Blase. Die wird alles abgenommen. Dir werden die Koffer getragen, dir wird vorgeschrieben, was du essen und wann du ins Bett gehen sollst. Kurzum: Ich war extrem unselbstständig, musste resozialisiert werden, brauchte ein Dreivierteljahr, um mich zu orientieren.“ Deshalb sieht er auch die Vereine in der Verantwortung, die Spieler besser auf das Leben nach dem Fußball vorzubereiten. Er selbst suchte sich einen Mentalcoach, arbeitete mit ihm seine Stärken und Schwächen heraus, um herauszufinden, in welche Richtung es bei ihm beruflich gehen könnte.

Gemeinsam mit seinem Bruder gründete er eine Internetfirma, arbeitet auf dem Gebiet des Online-Marketings. Fußball spielt er nur noch nebenbei, es ist ein Hobby geworden. Aber eines, das ihm unheimlich viel Spaß mache. Im vierten Jahr steht er beim Sachsenligisten Stahl Riesa zwischen den Pfosten. „Ich möchte gerne ein Stück weit meine Erfahrungen weitergeben“, sagt er. „Und mit den Jungs nach dem Training oder Spiel ein Bierchen zu trinken, tut unglaublich gut.“ Inzwischen hat Marcus Hesse seine Rückkehr nicht bereut.