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Als Drogen ein Geschäft bekamen

Der 12. Juni 1467 gilt als Geburtstag der ersten Dresdner Apotheke. Die gibt es heute nicht mehr, die zweite dafür schon.

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© Sammlung Holger Naumann

Von Lars Kühl

Dresden. Es klingt unglaublich. Immerhin 550 Jahre ist es her, als am 12. Juni 1467 der Grundstock für Dresdens erste Apotheke gelegt wurde. Der Leipziger Johannes Huffener erhielt vom Rat der Stadt das alleinige Recht dazu. Genau ist es nicht überliefert, aber es ist davon auszugehen, dass der Mann seine Apotheke an der Südseite des Altmarktes nahe der Kreuzkirche errichten ließ. Doch um eines der ältesten Spezialgeschäfte für Heilmittel in Deutschland handelt es sich dabei längst nicht.

Auf der Postkarte ist die Löwen-Apotheke um 1920 zu sehen. Das Gebäude am Altmarkt war unter Hans Erlwein umgebaut worden.
Auf der Postkarte ist die Löwen-Apotheke um 1920 zu sehen. Das Gebäude am Altmarkt war unter Hans Erlwein umgebaut worden. © Sammlung Holger Naumann

Mönche, die sich mit Heilkunde beschäftigten, hatten sich schon im 8. und 9. Jahrhundert mit Gewürz- und Drogenhändlern aus der arabischen Welt arrangiert. Im 13. Jahrhundert legte Stauferkaiser Friedrich II. die Trennung zwischen Arzt und Apotheker offiziell per Edikt fest. 1241 ist das Jahr, für das die Existenz der ersten Apotheke Europas verbürgt ist. Sie steht heute noch an derselben Stelle in Trier und verkauft Pillen. Im 14. Jahrhundert ließen sich dann zunehmend die einst fliegenden Händler in Städten nieder und begannen neben dem Verkauf von Heilpflanzen, Drogen sowie Gewürzen auch selbst Arzneimittel herzustellen.

Huffener etablierte die Branche in Dresden also erst, als Apotheken nichts Außergewöhnliches mehr waren. Er durfte zudem noch Weine brennen sowie ausschenken und sogar eine Krämerei betreiben. Das Geschäftsfeld war anfangs also ziemlich breit aufgestellt. Es lief gut, zudem machte sich der Neu-Dresdner auch als Politiker einen Namen. Ab 1471 war er Ratsmitglied und wurde mehrfach zum Bürgermeister bestimmt. Später, wahrscheinlich in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts, wurde die Apotheke an die Ostseite des Altmarktes verlegt. Einen speziellen Namen hatte sie damals noch nicht – obwohl es inzwischen Konkurrenz gab –, nur den Zusatz „alte“.

Zacharias Peissker änderte das 1645. Er nannte sein Geschäft „Apotheke zur Marien“, was sich in den nächsten 50 Jahren zur Marien-Apotheke manifestierte. Während des Siebenjährigen Krieges wurde das Gebäude im Juli 1760 von preußischen Truppen beschossen, musste aber „nur“ umgebaut und nicht abgerissen werden. Den Angriff im Februar 1945 überstand es dann nicht mehr. Der letzte Besitzer Hans Neumke führte die Apotheke zwar bis 1959 auf der Julius-Otto-Straße in Strehlen in seinem Wohnhaus weiter, danach war sie aber für immer Geschichte.

Nicht so die heutige Löwen-Apotheke, die ihren Platz seit der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg an der Wilsdruffer Straße am südwestlichen Pirnaischen Platz hat. Sie ist die älteste existierende Apotheke Dresdens. Johannes unter den Linden erhielt am 3. Februar 1560 das Privileg dafür. Zunächst an der Altmarktnordseite, zog das Spezialgeschäft 1631 zur „Vogelecke“ um, nachdem der neue Besitzer Jodokus Müller das dortige Haus erworben hatte. Die Bezeichnung verdankt die Stelle, an der heute der nordöstliche Eingang zur Altmarkt-Galerie ist und zu DDR-Zeiten das Intecta-Möbelhaus war, den Vogelhändlern, die hier ihre Tiere feilboten. „Vogel-“ hieß zuerst auch die Apotheke im Volksmund.

Am 24. Februar vor 210 Jahren brannte das alte Gebäude aber komplett ab. Ratsmaurermeister Johann Gottfried Fehre ließ das Haus dann in zweijähriger Bauzeit bis 1725 neu errichten. Die fünf Fensterachsen zum Altmarkt und die zehn zur Wilsdruffer Straße hin sowie der fünfgeschossige Eckerker als Hauptschmuck verleiteten den Kunsthistoriker Cornelius Gurlitt später zu der Aussage, dass es sich dabei um eines der herausragendsten und architektonisch wertvollsten Gebäude Dresdens gehandelt habe. Dies trifft auch zu, nachdem Hans Erlwein die Apotheke 1914 neu bauen ließ. Dies war unter anderem notwendig, um die Wilsdruffer Straße zu verbreitern. Die heute für den Altmarkt typischen Laubengänge wurden von Erlwein erstmals als Gestaltungsmittel eingesetzt.

Sieben Jahre vorher, also noch im Fehre-Bau, hatte Ottomar Heinsius von Mayenburg in seinem Labor, welches wie der Verkaufsraum traditionell zu einer Apotheke gehört, etwas Bemerkenswertes erfunden: die Zahnpaste „Chlorodont“. 20 Jahre später war sie auf dem Weltmarkt führend, nachdem 1917 die Leo-Werke (heute Dental Kosmetik) in der Neustadt errichtet wurden. Chlorodont wird dort nicht mehr produziert, dafür aber Putzi & Co. Ins Jetzt hat sich dagegen der Name Löwen-Apotheke gerettet. So heißt die Vogelapotheke seit 1740 – als das erste von später mehreren Wahrzeichen vor dem Eingang platziert wurde: ein liegender König der Tiere.