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Als der Weihnachtsbaum ans Krankenbett kam

Bekannte Görlitzer Persönlichkeiten erinnern sich an ihre schönsten Weihnachtsgeschenke. Sie haben nichts mit Geld und Prunk zu tun.

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© privat

Irgendwann im Leben sind handfeste Geschenke zum Fest gar nicht mehr so wichtig. Das haben mehrere Menschen geantwortet, die wir nach ihren schönsten Weihnachtsgeschenken gefragt haben. Aber dann kamen doch Erinnerungen hoch. Manchmal aus der Kindheit, manchmal aus den letzten Jahren ...

Siegfried Deinege
In meiner Kindheit war Weihnachten für mich immer ganz eng mit dem Duft der schlesischen Lebkuchensoße verbunden. Wir aßen sie zur Weihnachtsbratwurst oder zum Karpfen. Meine Eltern zelebrierten das Weihnachtsessen ausführlich, und es wurde dabei besondere Aufmerksamkeit der Zubereitung dieser speziellen Soße geschenkt. Es sind mehr die sinnlichen Eindrücke, die mir aus meiner Kindheit von den Weihnachtstagen in Erinnerung geblieben sind. Ich habe meine Jugend in Freiberg, im Erzgebirge, verbracht. Dem Weihnachtsland für mich schlechthin. Da gehörten neben Schnee, der Parade der Bergleute auch die Lichter der vielen Schwibbögen dazu.

Doch an ein Weihnachtsgeschenk erinnere ich mich ganz besonders. Ich war ungefähr zwölf Jahre alt, als ich vom Christkind – bei uns brachte traditionell das Christkind und nicht der Weihnachtsmann die Geschenke – ein Paar Fußballschuhe mit Noppen und ein Paar Stutzen bekam. Ich war ein leidenschaftlicher Fußballer. Da war dieses Geschenk natürlich das Größte für mich.

Andrea F. Behr
Das schönste Weihnachtsgeschenk aller Zeiten war 2010 die Geburt meines Sohnes Ben (am siebenten Dezember), auf den wir lange gewartet hatten! Das schönste Weihnachtserlebnis hatte ich in Namibia. Eine evangelische Kirche dort hatte tatsächlich einen Tannenbaum aufgetrieben – dieses Bild des Baumes (er war echt) werde ich nie vergessen. Er war einfach unglaublich hässlich und hatte nur noch wenige Nadeln, und doch war es so schön, ihn in der Kirche zu haben bei ca. 30 Grad Außentemperatur!

Hans-Wilhelm Pietz
Mein schönstes Weihnachtsgeschenk war ein Foto. Am 21. Dezember 1975 habe ich es erhalten – von der Frau, um die ich über 12 Monate geworben hatte und mit der ich inzwischen seit über 38 Jahren verheiratet bin. Beide waren wir in jener Zeit Schüler am Kirchlichen Oberseminar in Potsdam-Hermannswerder, einer der drei evangelischen Ausbildungsstätten, an denen junge Leute, die wegen ihrer politischen und Glaubenshaltung in der DDR diskriminiert wurden, zur (staatlich nicht anerkannten) Abiturreife geführt wurden. Da traf ich sie nun also: Die junge Frau aus Görlitz, die den aus Berlin Kommenden sogleich faszinierte. Aber alles Werben führte nicht weiter – bis zum 19. Dezember 1975, an dem wir uns in die Arme schließen konnten. Aber schon am 21. Dezember ging es in die Weihnachtsferien – und wir beide wurden je in unserem Elternhaus erwartet und gebraucht. Da war es das Foto, das ich zum Weg in das Weihnachtsfest geschenkt erhielt und das dem Fest mitsamt den Gedanken an die darauf Abgebildete einen Glanz gab, wie er eben mit dem Fest der Liebe ganz tief verbunden ist und verbunden bleibt.

Rolf Weidle
Es war Weihnachten 2005: Unsere beiden Söhne und unsere Tochter und die Schwiegertochter unseres ältesten Sohnes waren wie jedes Jahr bei uns in Görlitz. Auf dem festlich gedeckten Frühstückstisch am 1. Weihnachtstag entdeckten meine Frau und ich zwischen den vielen Leckereien einen Kinder-Schnuller. Diese überraschende Geste führte blitzartig zu einem Jubelschrei und einer stürmischen Umarmung unserer Schwiegertochter und unseres großen Sohnes. Rückblickend war diese Überraschung in der Tat unser schönstes Weihnachtsgeschenk. Im Mai darauf wurde unser erstes Enkelkind, eine Enkeltochter, geboren.

Willi Xylander
Ich erhielt „Der Name der Rose“ von Umberto Echo unmittelbar nach dem Erscheinen des Buches vor 35 Jahren. Und ich begann noch am 24. zu lesen. Ich stürzte in dieses Buch und verschwand drei Tage lang geradezu darin. Es war ein Weihnachten mit wenig Schlaf und kurzen „Aufwachphasen“ zum Essen. Bis zum 26. abends hatte ich es ausgelesen.

Joachim Rudolph
Heiligabend 2013: ein Weihnachtstag, den ich nicht vergesse. Ein Unfall, der mich monatelang im Görlitzer Klinikum ans Bett fesselte, bedingte, dass ich auch zu Weihnachten im Krankenhaus verbleiben musste. Nicht einfach für mich, der ich zu den eher quirligen, immer in Bewegung seienden Typen zähle. Wehmütig dachte ich an all die Abläufe, die sonst bei den Rudolphs zum Heiligen Abend gehörten: Die Familie trifft sich, Besuche, die Krippenandacht in der Kirche, das traditionelle Abendessen mit der traditionellen Bratwurst, dann wird es aufregend: Nach dem Lesen des Weihnachtsevangeliums und dem Singen eines Weihnachtswunschliedes öffnet sich die Tür zur Weihnachtsstube, der Christbaum strahlt und die Bescherung folgt. Am späteren Abend bricht die ganze Familie auf zum Weihnachtsgottesdienst in der Kirche. Daran dachte ich, während ich still im Krankenbett lag. Es war Nachmittag. Auf einmal öffnete sich die Tür zum Krankenzimmer, in dem ich allein lag und herein kamen meine Frau, die Kinder und die Enkelin und trugen einen geschmückten Christbaum herein und eine Weihnachtskrippe. Hinter ihnen drängelten noch Sängerinnen und Sänger des Kirchenchores ins Zimmer. Es wurde gesungen, gelacht und auch ein bisschen geweint, ein unvergesslicher Heiligabend. Gern schauten auch die Schwestern und Pfleger vorbei, nur um einen Blick auf das weihnachtlich geschmückte Zimmer mit einem glücklichen Patienten zu werfen. Am späteren Abend wurde ich noch beschenkt mit dem Besuch des Kaplans und einem Gottesdienst zu zweit im Krankenzimmer. Als wir zusammen Weihnachtslieder sangen, ging leise die Tür auf, sodass andere andächtig zuhörten und sogar mitsangen. So wurde dieser Heiligabend 2013 für mich zu einem außergewöhnlichen wunderbaren Weihnachtsgeschenk.

Arne Myckert
Für mich ist schon seit Langem die Mischung aus Weihnachtsgerüchen, Weihnachtsmusik, Weihnachtsschmuck und der Freude der Kinder das Besondere an Weihnachten. Das war natürlich früher (als Kind) anders. Doch auch hier war es eher die gesamte Atmosphäre, die mich eingenommen hat, als einzelne Geschenke. Tatsächlich gab es aber doch ein spezielles Weihnachten für mich. Ich hatte mir schon seit Längerem eine Modelleisenbahn gewünscht. Doch dieser Wunsch hatte sich bis dahin nicht erfüllt.

Doch an diesem Weihnachtsabend (ich muss 10 Jahre alt gewesen sein) lag ein riesiger Karton unter dem Weihnachtsbaum. Als ich den Karton aufgeregt auspackte, entdeckte ich darin eine elektrische Eisenbahn (Spur N). Ich war überglücklich, dass sich mein lang gehegter Wunsch schließlich doch erfüllt hatte.

Renate Winkler
Ich erinnere mich an Weihnachten 1944 in Breslau: Es existiert davon sogar ein Foto. Meine Mutter mit uns zwei kleinen Mädchen und zwei Großmüttern sind darauf zu sehen. Am späten Abend klingelte es, und mein Vater in Uniform stand völlig überraschend vor der Tür. Uns Kindern wurde gesagt, das Christkind hat ihn auf seinen Flügeln getragen und zu uns ins Haus gebracht. Da wusste ich (obwohl ich schon leise Zweifel hatte), dass es das Christkind wirklich gibt. Mein Vater ist nicht mit auf dem Foto, dies wäre ja ein Dokument gewesen, dass er sich heimlich von der Truppe entfernt hatte, die in Niederschlesien stationiert war. Er war auch am nächsten Morgen wieder weg. Das war Weihnachten im wirklichen Sinne, kein materieller Aufwand, aber Wärme und Freude für den Menschen. Und das, obwohl es eine schreckliche Zeit war.

Zusammengestellt von Frank Seibel