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Als der Orient nach Dresden zurückkehrte

Vor 20 Jahren begann der Umbau der Yenidze. Doch märchenhafte Gewinne blieben für die einstigen Anleger eine Fata Morgana.

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© klinger, marco

Von Tobias Hoeflich

Eine orientalische Fassade, ein Schornstein als Minarett, eine prächtige Glaskuppel, die sich farbenfroh über der Friedrichstadt erhebt: Einst unter den Dresdnern umstritten, zählt die Yenidze heute zu den markantesten Sehenswürdigkeiten, hebt sich ab von den Barock- und Renaissance-Bauten der Innenstadt – und ist womöglich Dresdens schönster Schwindel.

Denn was von außen wie eine Moschee anmutet, diente in Wahrheit als Tabakfabrik. Als sie der Dresdner Unternehmer Hugo Zietz ab 1908 bauen ließ, waren Industriegebäude, die als solche zu erkennen sind, in Zentrumsnähe untersagt. Zietz tarnte seine Fabrik an der Weißeritzstraße als orientalisches Bauwerk, sicherte sich einen Platz nahe der Altstadt und sorgte mit dem exotischen Haus für Gesprächsstoff. Während der Bombenangriffe 1945 wurden große Teile der Yenidze beschädigt. Doch der Boom nach der Wende gab der Rekonstruktion eine neue Chance – und der Yenidze ihr historisches Antlitz wieder.

Ehe am 15. April 1994 die Arbeiter anrückten, waren zuvor monatelange Planungen nötig. „Der Kuppelbau war stark beschädigt und ein Gebäudeflügel im Krieg völlig zerstört worden“, erinnert sich Farina Kast, Sprecherin der Firma HPP Architekten, die für Umbau und Rekonstruktion verantwortlich war. Bis in die 1950er-Jahre rollten in der Yenidze noch Zigaretten vom Fließband, ab 1953 wurde sie als Lager- und Verwaltungsgebäude genutzt. Die Pläne des neuen Eigentümers, die Berliner Euwo Immobilienfonds GmbH, sahen den Umbau zu einem Bürohaus vor.

Das war ein ambitioniertes, doch schwieriges Unterfangen. So mussten der Kuppelbau saniert, der zerstörte Gebäudeteil rekonstruiert und der noch vorhandene Teil entkernt werden. Nur dadurch, so Kast, hätte man den Anforderungen eines modernen Bürohauses entsprechen können. „Allein für den Wiederaufbau der zerstörten Kuppel wurden 860 Quadratmeter Glas nach alten Vorlagen gefertigt.“ Bei der Komplexität verwundert es nicht, dass sich der Wiederaufbau bis zur Fertigstellung Ende 1996 mehrfach verzögerte.

Mit einem kleinen, doch wichtigen Teil war Restaurator Klaus-Peter Dyroff aus Schmiedeberg beauftragt. Die vier farbigen Mosaike aus dem Eingangsbereich waren verschlissen, mehrere Glasteilchen herausgeplatzt. Dyroff, dessen Lebenslauf unter anderem auch das römische Bodenmosaik im Albertinum und der Mosaikbrunnen im Großen Garten zieren, baute sie originalgetreu nach.

Von Beginn an war die Rekonstruktion des orientalischen Tabakkontors von Plänen begleitet, die nichts weiter blieben als eine Fata Morgana – etwa der Umbau zum Hotel, ein Tabakmuseum oder eine gigantische Aussichtstreppe. Zwar gab es unzählige Interessenten für die Gastronomie-Bereiche. Kernproblem war aber der Leerstand der 7 500 Quadratmeter Bürofläche noch Jahre nach der Fertigstellung. Mehr als 300 Anleger zahlten bis zu 30 Millionen Euro in den 1993 geschlossenen Fonds der Euwo GmbH ein, die später Insolvenz anmelden musste. Die Hoffnung vieler Anleger nach der Wende auf schnelles Geld durch Ost-Immobilien erfüllte sich nicht.

Inzwischen sind fast alle Flächen der Yenidze vermietet. Nur fünf Prozent betrage der Leerstand, erklärt Susanne Schneider von der Berliner EB Group, der seit Anfang des Jahres die Yenidze gehört – und die Investitionen plant: Mit einer siebenstelligen Summe wird unter anderem die einstige Disko im Erdgeschoss renoviert, wo 2002 die Flut große Schäden anrichtete. Künftig soll hier eine Ausstellung über die Geschichte der Yenidze informieren: vom einst strittigen Bauwerk zum schönsten Schwindel Dresdens.