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Als Bismarcks Enkelin in Blasewitz wohnte

Eine Bruchvilla wird zum Seniorenpark. Ein Ex-Nachbar und seine Frau erinnern sich an die Zeit der feinen Damen.

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© René Meinig

Von Lars Kühl

Als Wolfgang Hampf kürzlich in der SZ las, was an der Naumannstraße auf dem Areal an der Ecke zur Karasstraße entstehen soll, waren die Erinnerungen plötzlich wieder da. Wo wahrscheinlich noch in diesem Jahr mit dem Bau eines Seniorenparkes begonnen wird, hat der 82-Jährige als Kind auf einer großen Wiese gespielt. „Der Garten war ideal dafür.“ Auch seine Frau Christa kennt viele Begebenheiten aus dem Blasewitzer Alltag kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Die 79-Jährige traf ihren späteren Ehemann zum ersten Mal, als der in der ausgebauten Remise neben der herrschaftlichen Villa wohnte.

Der Knabe Wolfgang Hampf posiert im schicken Sonntagsanzug mit zwei Spielgefährtinnen vor der herrschaftlichen Villa.
Der Knabe Wolfgang Hampf posiert im schicken Sonntagsanzug mit zwei Spielgefährtinnen vor der herrschaftlichen Villa. © Repro: Lars Kühl
Die benachbarte Remise war ausgebaut.
Die benachbarte Remise war ausgebaut. © Repro: Lars Kühl

Beide Gebäude stehen noch, sind aber in einem jämmerlichen Zustand. Das Berliner Unternehmen Terragon Investment will sie sanieren und weitere Objekte mit Seniorenwohnungen in gehobenem Standard auf dem Grundstück errichten.

Wolfgang Hampf freut sich darüber, schließlich bleibe so neben seinem Geburtshaus ein Stück Stadtteilgeschichte erhalten. Seine Familie lebte mit mehreren Generationen in dem Anbau. Christa Hampf kramt einen Katzen- und einen Musikinstrumentenbescheid aus den 1930er- Jahren hervor. Zu erledigen waren Hausmeisteraufgaben und die Pflege der Außenanlagen. Für die Kinder war es natürlich interessant, die „Gnächen Fräun“ von nebenan zu beobachten. Sie brachten Wolfgang Hampf sogar das Stricken bei.

Für Major erbaut

Noch heute fallen ihm ein paar Namen ein. Da wäre Thekla von Trebra-Lindenau gewesen. Sie ist die Tochter des ehemaligen Rittergutsbesitzers und späteren Abgeordneten des Sächsischen Landtages, Hans von Trebra-Lindenau. Sein Bruder war der Major Ewald von Tebra-Lindenau. Für ihn war die Villa 1885 erbaut worden. Später wohnte hier eine Ernestine von Bismarck, bei der Hampf vermutet, dass sie eine Enkelin von Otto von Bismarck, dem ersten Kanzler des Deutschen Reiches, gewesen ist. Nach ihr erhielt das Haus auch seinen Namen „Bismarck-Villa“, der aber heute kaum noch geläufig ist.

Zur Karasstraße hin gab es eine Autowerkstatt mit Garagenhof, erzählt Hampf. „Schöne und Forkert“, denkt er laut an die Besitzer. Bei der Bombardierung von Dresden im Februar 1945 brannte die aber aus.

Die Villa dagegen blieb unversehrt. „Wir haben beim Angriff Brandwache gehalten“, sagt der Rentner, der heute mit seiner Christa in Striesen wohnt. In die Remise sei aber eine Bombe eingeschlagen. Doch die Familie konnte das Feuer löschen.

Nach den Kriegsjahren blieb sie in der Naumannstraße 4. Das Rumpeln der Straßenbahn ist Wolfgang Hampf noch im Ohr, wie sich die Linie 18 durch die Engstellen vorm Haus in Richtung Schillerplatz schob. „Das Quietschen, wenn sie abgebremst hat, vergisst man nie.“ Er begegnete schließlich Christa. Kurioserweise kannte die seine Mutter schon viel länger, da sie ihr des Öfteren etwas im nahen „HO“ verkaufte. Nach der Heirat zog das junge Paar zunächst nach Loschwitz.

Hampfs Frau Mama und seine Oma lebten weiter in der Villa „Bismarck“. Die Großmutter bis 1970. Als sie 95-jährig starb, hatte sie ihr Ziel, älteste Blasewitzerin zu sein, erreicht. So erzählen es zumindest Christa und Wolfgang Hampf. In den 1980er-Jahren seien dann die Villa und das Grundstück zunehmend verfallen, als auch noch die polnischen Arbeiter verschwanden, die zuletzt im Anbau gehaust hatten. „Es tat weh, zu sehen, wie es zuwuchs und verwahrloste“, sagt Christa Hampf.