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Alles für die Fledermaus

In den Klotzscher Höfen leben Tausende Tiere. Für die Sanierung der Plattenbauten war das eine Herausforderung.

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© Sven Ellger

Von Sarah Grundmann

Da passen die durch? Zwei oder drei Zentimeter: Breiter ist der Schlitz an den Fledermaus-Nistkästen nicht. In den sogenannten Klotzscher Höfen – Plattenbauten der Sächsischen Wohnungsgenossenschaft Dresden (SWGD) auf der Selliner Straße und dem Göhrener Weg – wurden über 2 000 Nistkästen eingebaut; hauptsächlich für Fledermäuse, aber auch für Vögel. Von den nachtaktiven Säugetieren leben bereits seit den 90er-Jahren Tausende in den Wohnhäusern. Als die SWGD sich für eine Sanierung entschied, wurden die kleinen Bewohner zur Herausforderung.

„Für uns hatten die Fledermäuse ganz klar Priorität“, sagt Katrin Papke von der SWGD. Deswegen gab es ein Treffen mit dem Naturschutzbund, die Zahl der Tiere wurde mit speziellen Detektoren ermittelt, Konzepte wurden ausgearbeitet und ein Fledermaus-Beauftragter engagiert. Thomas Frank ist Biologe und arbeitet bei Chiroplan, einem Unternehmen für Fledermauskunde. „Die Klotzscher Höfe sind ein Paradebeispiel von Sanierung mit Artenschutz“, sagt er.

Denn der ganze Bauablauf hat sich nach den Bedürfnissen der Fledermäuse gerichtet. „Die schwierigen Phasen sind Winter und Sommer“, erklärt der Experte. Denn über den Winter schlafen die Tiere, im Sommer ziehen sie ihren Nachwuchs groß. Sie in diesen Zeiten zu vertreiben, ging nicht. Zu bauen, während die Säuger in den Fassaden leben, genauso wenig. Denn die Tiere wären bei den Arbeiten zu Schaden gekommen. „Also haben wird die Fledermäuse bereits im Frühjahr aus ihren Quartieren vertrieben“, so Frank. Doch obdachlos wurden die Flatterer keineswegs.

„Sie sind während des Baus quasi bei ihren Nachbarn in den anderen Wohnblöcken untergekommen“, sagt der Biologe. Denn die drei Wohnblöcke – Linden-, Sonnen- und Kirschhof – wurden extra in drei Etappen saniert. Während also ab 2013 am Lindenhof gearbeitet wurde, konnten die Fledermäuse von dort in den Sonnen- oder Kirschhof weiterziehen. Deswegen wurden bereits ein Jahr vor dem Baustart die ersten Quartiere in den Giebeln eingerichtet, damit sich die Tiere bereits an ihre neuen Wohnungen gewöhnen konnten. Denn Fledermäuse sind Gewohnheitstiere.

Deswegen mussten sich die Bauleute am Kirschhof auch etwas Besonderes einfallen lassen. Denn an dem Block auf dem Göhrener Weg hat sich besonders viel geändert: Dort wurden an die Häuserfassaden Glasaufzüge angebaut. Früher gab es über den Eingangstüren ein Vordach, welches die Fledermäuse zum Anflug ihrer Quartiere nutzten. Weil die Sorge groß war, dass die Säuger ohne das Vordach nicht mehr zurückfinden, wurde auf einen der Fahrstühle ein ganzes Fledermaus-Haus gesetzt. In der quadratischen Holzkonstruktion ist Platz für etwa 2 000 Tiere. Erste Zählungen mit einer speziellen Lichtschranke haben zwar ergeben, dass die Zahl der dort nistenden Fledermäuse nach dem Bau zurückgegangen ist. „Aber wir hoffen, dass das noch wird“, sagt Frank optimistisch.

Schließlich sind die Arbeiten am Kirschhof noch nicht komplett abgeschlossen. Es ist der letzte Abschnitt im Großbauprojekt der SWGD. Während des harten Winters stand die Baustelle mehrere Monate still. Deswegen werden die Außenanlagen erst Mitte August fertig. Die Wohnungen sind indes bereits bezogen, nur noch wenige Ein-Zimmer-Apartments sind frei. An den ungewöhnlichen Mitbewohnern liegt das nicht. Die Mieter bekommen von ihnen fast nichts mit, versichert Frank. Denn es wurde extra darauf geachtet, dass die Nistkästen nicht in Fensternähe platziert werden. So können weder Fledermauskot noch verirrte Tiere zum Problem werden. Auch das Gekreische der Säuger ist für die Klotzscher nicht belastend. Es ist im Ultraschallbereich und deshalb für das menschliche Ohr nicht wahrnehmbar.

Damit die Genossenschaftler überhaupt glauben, dass es in ihren vier Wänden Fledermäuse gibt, hat Frank mit einigen Mietern schon einen Spaziergang gemacht und den An- und Abflug der Tiere beobachtet. „Da sind aus einem Kasten teilweise 100 Tiere gekommen“, sagt der Biologe erfreut. Denn in den länger fertig gestellten Wohnblöcken haben sich mittlerweile wieder Tausende Fledermäuse angesiedelt. Mehr als den zwei bis drei Zentimeter breiten Schlitz brauchen sie nicht, um nach Hause zu kommen.

Denn die kleinste Rasse – die Zwergfledermaus – wiegt gerade einmal fünf Gramm. Das ist etwas mehr als ein Stück Würfelzucker. Neben ihr sind in den Klotzscher Höfen noch drei andere Arten heimisch. Am meisten verbreitet ist der Abendsegler. Die Kleine Hufeisennase lässt sich indes nicht in Plattenbauten nieder. Ihr scheint es an der Waldschlößchenbrücke besser zu gefallen – vielleicht.