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Alles für den zahmen Fluss

An der Neiße geht’s beim Flutschutz voran, es gibt aber auch noch Schwachstellen. Ausgerechnet am Berzdorfer See.

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© LMBV/Peter Radke

Von Anja Beutler

Landkreis. Sebastian Fritze macht sich nichts vor: Der Betriebsleiter der Landestalsperrenverwaltung Spree/Neiße in Bautzen (LTV) rechnet noch bis mindestens 2020 oder gar 2025 damit, dass die Hochwasserschäden der vergangenen Jahre ihn und seine Kollegen beschäftigen werden. Denn beim Wiederaufbau geht es ja auch darum, dauerhaft schützende Lösungen zu schaffen – nicht nur um schlichte Reparaturen. Und das braucht Zeit. „Natürlich ist durch die notwendigen Arbeiten nach 2010, aber auch 2012 und 2013 so manches liegen geblieben“, sagt er. Aber nach und nach richte sich der Fokus der LTV wieder mehr auf die klassische Unterhaltung der größeren Gewässer. Wie die Pläne der LTV an der Neiße aussehen, hierzu eine Übersicht:

So sehen die Pläne aus

Schutz am Berzdorfer See: zwei Schwachpunkte im Fokus

Beim Hochwasser 2010 schoss die Neiße über die B99 und die Bahnschienen hinweg direkt in den Berzdorfer See. Für die Retter war der Weg Richtung Süden damit plötzlich abgeschnitten. Ziel ist es deshalb, die wichtige Straße vor einem hundertjährigen Hochwasser zu schützen. Die neuerlichen Berechnungen dazu waren nach Abstimmung mit der polnischen Seite im Frühjahr 2015 abgeschlossen. Seitdem steht die sogenannte HQ-100-Linie fest.

Was genau die Landestalsperrenverwaltung auf der langen Strecke am See entlang noch tun muss und vor allem kann, war allerdings einige Zeit in der Schwebe: Zwar verläuft zwischen Bundesstraße und Neiße auf mehr als fünf Kilometern seit Jahrzehnten ein Damm, doch hat dieser künstliche Hügel eigentlich nichts mit dem Hochwasserschutz zu tun. „Es ist der Arbeitsdamm, der damals für die Grube errichtet wurde“, erklärt Eberhard Pötschke. Im Untergrund wurde damals zwischen Weinhübel und Hagenwerder eine Dichtwand gebaut, die das Grundwasser von der Kohlegrube fernhalten sollte.

Die gesamte Konstruktion dieses Dammes untersteht allerdings noch immer dem Bergrecht – liegt also in den Händen der LMBV. Dass diese „Geländeformation“, wie LTV-Betriebsleiter Fritze es nennt – für den Hochwasserschutz nutzbar ist, liegt nahe. Nur an zwei Stellen – jeweils an den beiden Enden des alten Arbeitsdammes – gebe es möglicherweise Schwachpunkte beim Flutschutz. „Es ist nicht auszuschließen, dass wir an diesen Stellen noch etwas tun müssen“, sagt Fritze. Was genau, werde derzeit ermittelt: Die Vermessungen liefen 2016, in diesem Jahr stehen Vorplanungen an. Generell gilt aber: „Der alte Arbeitsdamm ist dick und hoch genug, um den Schutz zu gewährleisten“, sagt der Bautzener LTV-Chef.

Neiße bei Zittau: Bauarbeiten Richtung Drausendorf und in Hirschfelde

Dass die Böschungen und das Flussbett in gutem Zustand sind, ist wesentlich für den Hochwasserschutz. Vieles hat sich rund um Zittau hier schon getan. Erst im vergangenen November sind die Arbeiten in Hartau in der Nähe des Dreiländerpunktes abgeschlossen worden, wo das rostige Korsett aus welligen Spundwänden der Neiße entfernt und Ablagerungen beseitigt wurden. „Jetzt geht es ab Chopinstraße in Richtung Drausendorf weiter“, erklärt Eberhard Pötschke, zuständig für die Fließgewässer bei der Bautzener LTV-Niederlassung. Er rechnet damit, dass die Arbeiten in diesem Jahr beginnen. Ziel ist es, die Ufer natürlich anzuböschen und die derzeit vorhandenen Steinschüttungen und Betonelemente zu entfernen. Auch die Ablagerungen, die der Fluss mit sich getragen hat, sollen beseitigt werden. Ähnliches ist zwischen Rosenthal und dem Kraftwerksgelände Hirschfelde vorgesehen. Hier werden die Bagger aber wohl erst 2018 anrollen. Zu tun gibt es auch in Hirschfelde nahe der Firma Fit noch einiges. Hier sei man aber noch in der Planungsphase, bestätigt Pötschke. Auf der Agenda stehe auch eine Überprüfung der Hochwasseranlage in Hirschfelde. Sollte es nötig sein, werde die LTV Anpassungen an den Stand der Technik vornehmen.

Kooperation mit Polen: kein Erfolg für binationales Vorhaben

Bereits bei den Arbeiten in Hartau im vergangenen Jahr war zu sehen, dass die Uferarbeiten an der Neiße nur auf deutscher Seite vonstatten gingen: „Natürlich wäre es für einen guten Schutz wünschenswert, wenn man das parallel machen könnte“, sagt der Bautzener LTV-Chef Sebastian Fritze. Sein Kollege Eberhard Pötschke sieht das genauso: „Wir hatten die Arbeiten als deutsch-polnisches Projekt geplant und auch für eine Förderung eingereicht“, sagt er. Allerdings habe man auf EU-Ebene dem Projekt offenbar keinen so hohen Stellenwert beigemessen und keinen Zuschlag erteilt. Die nötigen Veränderungen werden also immer mit zeitlichen Verschiebungen am Fluss geschehen.

Unnötige Brücken: Freistaat hat derzeit kein Interesse am Abriss

Nach der Flut von 2010 hatte der Freistaat die klare Linie ausgegeben: Alle Bauten im Fluss, die nicht nötig sind, sollen weg. Immerhin könnten sie im Ernstfall als Hindernis im Fluss eine Gefahr werden, wenn sich Treibgut beispielsweise an Brückenpfeilern verhakt und sich das Wasser mit Wucht einen anderen Weg suchen muss. Vier Neißebrücken sind in diesem Zusammenhang abgerissen worden: Die Brücke am Gießmannsdorfer Wehr beim Kraftwerk in Hirschfelde, die Grenzbrücke in Drausendorf, die Brücke Zur Reißigmühle in Zittau-Ost und die Himmelsbrücke in Hartau verschwanden zwischen 2011 und 2013. Noch auf der Liste stehen nun aktuell noch die Lusatiabrücke in Zittau, die Brücke Neißgasse in Hirschfelde und die Reste der Fußgängerbrücke in Rosenthal, bestätigt LTV-Mitarbeiter Eberhard Pötschke. Und sein Chef Sebastian Fritze macht deutlich: „Wir halten aus unserer Sicht auch den Abriss der drei verbliebenen Bauwerke weiterhin für sinnvoll, aber politisch ist das im Moment kein Schwerpunkt.“ Dafür wohl eher das Gegenteil: Sowohl in Görlitz als auch in Zittau gibt es immer wieder Überlegungen für neue Brückenbauten. Doch von Euphorie ist keine Rede, seit die Görlitzer in einem Bürgerbegehren eine neue Fußgängerbrücke zwischen Altstadt- und Stadtbrücke ablehnten.

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