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Alles für das Rindvieh

Statt Massentierhaltung setzen Heribert und Claudia Meller im Hochland auf natürliche Haltung. Der Preis dafür ist hoch.

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© Sven Ellger

Von Kay Haufe

Die Ausgangssituation war schwierig. Als Claudia und Heribert Meller 2014 den größten landwirtschaftlichen Betrieb Dresdens im Schönfelder Hochland kauften, mussten sie sich entscheiden. Weiter mit der verlustreichen Milchwirtschaft oder einen anderen Weg gehen? Der Agraringenieur und die promovierte Ärztin haben einen Neustart gewählt. Sie trennten sich von 640 Milchkühen und 560 Kälbern. Damals mussten auch Mitarbeiter gehen.

Inzwischen dreht sich bei ihnen wieder alles um Rinder. Statt der Schwarz-weißen haben sie sich auf Rotbraune konzentriert, die pro Jahr sieben Monate auf den vielen kleinen Weiden zwischen Weißig und Eschdorf stehen. Und für die das Ehepaar gerade einen neuen Laufstall gebaut hat. Darin hat jedes der Limousin-Rinder 8,5 Quadratmeter Platz und kann sich in den fünf Wintermonaten frei bewegen. „Der Stall entstand zuerst in unserem Kopf, ausgerichtet an den Bedürfnissen der Tiere. Mit Planen können wir ihn bei starkem Wind abdichten“, sagt Claudia Meller. Die Kälber bleiben bei ihren Müttern und haben eigene Rückzugsmöglichkeiten. Erst nach der nächsten Freiluftsaison werden sie nach Geschlecht getrennt in eigenen Ställen gehalten. „Unser Ziel ist eine artgerechte Tierhaltung, bei der nicht jeder Cent aus dem Tier herausgepresst wird“, sagt Heribert Meller. Seine Frau päppelt Zwillingskälber, von denen eins von der Mutter verstoßen wurde, mit der Flasche hoch. Andere Landwirte lächeln über diese „romantisch-verklärte Städtervorstellung von der Landwirtschaft“, wie einer sagt. Diese Art der Haltung kostet viel Geld. Aber genau das wolle der Verbraucher nicht bezahlen.

Stimmt, sagt Claudia Meller. Sie knüpft seit einiger Zeit Kontakte, um Abnehmer aus der Region für ihr Fleisch zu finden. Und weiß, dass die Zweifler in der Mehrzahl und die Verhandlungen schwierig sind. Viele Fleischer sind überzeugt, dass der hiesige Verbraucher das teurere Fleisch nicht annehmen wird, weil die Supermarktpreise fest im Kopf verankert seien. Doch mittlerweile liegt das Rindfleisch aus dem Schönfelder Hochland sorgfältig beschriftet in einer bekannten Fleischerei: im Schillergarten. Dessen Chefin Anke Baumgürtel kauft ihre Rohstoffe fast ausschließlich von regionalen Anbietern. Dass die Tiere möglichst naturnah gehalten werden, ist für sie das A und O. „Das wirkt sich auf die Qualität des Fleisches aus. Es gibt riesige Unterschiede zwischen dem aus Massentierhaltung und dem von weitgehend freilaufenden Tieren.“

Was sie bei Mellers letztlich überzeugte, regelmäßig ein halbes Rind abzunehmen, war deren Schlachtmethode. Dafür hat das Ehepaar die Fleischerei Wurschtelpeter in Eschdorf, nur wenige Kilometer vom Hof entfernt, gewinnen können. „Weil unsere Tiere oft die Weiden wechseln, sind sie Transporte mit dem Lkw gewöhnt, sind dabei aber nie allein. Deshalb fahren wir immer mit zwei Kühen zum Schlachten, damit die eine, die dafür ausgesucht wurde, keine Angst hat. Denn Stress wirkt sich ganz entscheidend auf das Fleisch aus“, sagt Claudia Meller. Doch das allein ist es nicht. „Kein Tier sollte unnötig leiden müssen.“

Anke Baumgürtel kann all diese Unterschiede direkt am Fleisch sehen. Es hat gelbe Marmorierungen, die nur durch Grünfutter und die Freilufthaltung mit viel Bewegung entstehen. Die Fleischereichefin weiß aber auch, dass sie eine spezielle Klientel im Laden hat. „Viele, die zu mir aus Blasewitz und Striesen kommen, können sich den teuren Sonntagsbraten auch leisten.“ Und Claudia Meller ist ehrlich. Natürlich will sie mit den Rindern Geld verdienen. „Wir können uns diese Tierhaltung leisten, weil wir das Futter selbst produzieren und weitere Einnahmen aus der Getreideproduktion und der Biogasanlage haben“, sagt sie. Allein aus dem Fleischverkauf wäre das nicht machbar.

Auf jeden Fall interessiert an Mellers Rindern ist Markus Wenzel. Der gelernte Einzelhändler betreibt seit zwei Jahren mit seinem Geschäftspartner Martin Wett „Onkel Franz“, einen Handel von nachhaltig produzierten regionalen Lebensmitteln auf dem Weißen Hirsch. Dafür fährt er durch ganz Sachsen, um Fleisch, Käse, Nudeln, Obst und Gemüse, Liköre und mehr einzukaufen. „In den zwei Jahren, seitdem es uns gibt, hat sich gezeigt, dass es immer mehr Leute gibt, die für gutes Essen, das aus der Region kommt, mehr Geld ausgeben“, sagt der Händler.

Einen Trend in der Landwirtschaft hat das aber noch nicht zur Folge. „Welche Haltung der Erzeuger wählt, und ob er Milch- oder Fleischrinder hält, ist immer eine betriebswirtschaftliche Entscheidung“, sagt Juliane Bergmann vom Sächsischen Landesbauernverband. Es läge immer an der individuellen Herangehensweise des Bauern. „Der Begriff Tierwohl ist so künstlich. Die Definition legt jeder anders aus.“