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Alles außer Zöpfe

Theresa Näcke flechtet in Beerwalde nicht nur Körbe. Doch bei einer Sache stößt sie an ihre Grenzen.

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© Andreas Weihs

Von Stephan Klingbeil

Beerwalde. Kater Leo schaut neugierig durch das Fenster. Drinnen, in ihrer Werkstatt, beginnt die Beerwalderin Theresa Näcke damit, den nächsten Korb zu flechten. Die Staken aus biegsamem Weideholz ragen in die Höhe. Sie wippen hin und her, klappern, während die 45-Jährige das nächste Peddigrohr um die Staken schlängelt. Ihre Hände sind geübt, flink, geduldig. Minute um Minute, Schicht um Schicht, nimmt der Holzkorb allmählich seine Form an. „Das entspannt“, sagt Theresa Näcke. „Das geht vielen Leuten so, die zum Flechten hierher kommen.“ Die Beerwalderin gibt Kurse in ihrer Flechtwerkstatt, meist für Gruppen. Doch auch Kinder feiern Geburtstage bei ihr, sie basteln, flechten und lassen sich das Handwerk erklären.

Zum diesjährigen Tag des traditionellen Handwerks im Oktober schauten rund 450 Leute vorbei. Vor drei Jahren seien es sogar 600 gewesen, erzählt die Korbmacherin. Alleine würde sie das Pensum dann jedoch nicht stemmen können. Freundinnen, die sie noch aus der Lehrzeit kennt, helfen ihr. Ausgebildet wurden sie kurz vor der Wende. Damals hatte die gebürtige Zschopauerin in der Berufsschule Ahlbeck an der Ostsee gelernt. Praxiserfahrungen gab es zudem in ihrer Lehrwerkstatt in Gorna nahe Chemnitz. Von all ihren ehemaligen Mitschülern sei sie die einzige, die noch als Korbmacherin tätig ist. Das Interesse an dem Beruf hatte mit den Jahren nachgelassen. Inzwischen gebe es aber wieder mehr Auszubildende, erklärt sie und verweist dabei auf Lehrlingszahlen in Bayern. Hier in der Region gebe es dennoch kaum noch gelernte Korbmacher, die Flechthandwerk herstellen. Einst gab es sie in vielen Orten.

„In meinem Umfeld gab es aber keinen, der das gemacht hat“, sagt die Beerwalderin. „Für mich war aber schon in der dritten Klasse klar, das ich mal Korbmacherin werden will.“ Noch heute verdient sie mit ihrem Hobby Geld. Lange aufhalten kann sich die Selbstständige aber nicht mit ihren Kreationen, wobei sie meist Aufträge abarbeitet. Rund die Hälfte des Verkaufspreises machten Materialkosten aus. Das Flechten sei daher ein Nebenerwerb. „Davon allein leben könnte ich jedenfalls nicht“, sagt sie.

Im Frühjahr und Sommer hat sie mehr mit ihrem zweiten Standbein zu tun. Zusammen mit ihrem Mann, der selbst nicht flechtet, bietet sie Touristen drei Ferienwohnungen an. Auf dem Hof gibt es ein paar Tiere, ihr Mann macht Kutscherfahrten. Und Theresa Näcke öffnet dann auch für Gäste ihre Werkstatt. Die meisten kommen extra deshalb her, sagt die Korbmacherin, die es einst der Liebe wegen in den heutigen Klingenberger Ortsteil zog. Auch in den Ferienwohnungen hat sich die 45-Jährige künstlerisch betätigt. Flechtkreationen von ihr zieren Decken, Säulen und Wände. „Manches war ganz schön aufwendig. Das würde ich wohl nicht noch mal machen“, erklärt die Beerwalderin. Anderes erschafft sie immer wieder mit ihren Händen – Heukörbe zum Beispiel.

Die mag sie besonders gern. Die großen wuchtigen, aber dennoch leichten Behälter gehören auch zu den Waren, die sie häufiger verkauft – an Landwirte aus der Gegend etwa. Doch nicht nur. Auch in Riesa oder im Erzgebirge gebe es zum Beispiel Kunden. Auf Märkten verkaufe sie eher selten. Viele erfahren vom Hörensagen von ihrer Werkstatt. Immer wieder gebe es Aufträge. Mal mehr, mal weniger. Besonders beliebte Produkte könne sie nicht ausmachen. Mal stellt sie Obstkörbe und Tabletts her. Mal zaubert sie Sitzflächen auf alte Stühlen, ersetzt kaputtes Geflecht mit neuem. An der Decke in ihrer Werkstatt im Hof an der Mühlenstraße hängt ein alter Stuhl. Die Sitzfläche besteht aus Achteckgeflecht, auch Wiener Geflecht genannt.

Theresa Näcke ist eine Allrounderin. „Alles kann ich natürlich nicht, und bei bestimmten Techniken wie bei meinem Lehrstück einem Korb aus gewürfeltem Geflecht, müsste ich mich erst mal wieder reinfuchsen“, sagt sie. Und was ist mit Zöpfeflechten? „Beim Haareflechten habe ich kein Geschick“, sagt die Korbmacherin und schmunzelt. „Das liegt mir wirklich nicht.“ Dann wendet sie sich dem Holzkorb zu, holt neue Weidenstäbe aus dem Trog mit Wasser. Der Behälter steht neben dem alten, umfunktionierten Esstisch. Das Holz, mit dem sie arbeitet und das meist aus dem Ausland stammt, wird so erst weich. „Sonst würde es brechen“, erklärt sie und zeigt den Unterschied. Das findet auch Leo spannend. Doch irgendwann trottet der Kater davon. Und Theresa Näcke flechtet weiter.