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Alle zittern vorm Drunkometer

Vor 75 Jahren mussten Autofahrer erstmals pusten. Damals glich das Gerät einem mobilen Chemielabor.

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Von Michael Ossenkopp

In der Silvesternacht 1938 hatte das Drunkometer seinen ersten Einsatz. Zur Atem-Alkoholkontrolle der Autofahrer nutzte die Polizei von Indianapolis im US-Bundestaat Indiana das Testgerät – damals so groß wie ein Schuhkarton. Heute sind handliche, schnelle und wesentlich präzisere Prüfinstrumente Stand der Technik. Doch egal, wie das Gerät aussieht, es macht Autofahrer seit 75 Jahren zittern.

Erfinder des Drunkometers war Professor Dr. Rolla Neil Harger, ein Biochemiker der örtlichen Universität. Erste Versuche hatte er schon 1931 unternommen. Dabei nutzte er Abläufe beim menschlichen Stoffwechsel: Nach dem Alkoholgenuss findet in den Lungenbläschen ein Gasaustausch zwischen der Atemluft und dem Alkohol statt. Daraus lässt sich nach einer Formel der Blutalkoholgehalt bestimmen. Die Messung mit dem Drunkometer war mit einer Abweichung von plus/minus 25 Prozent noch sehr ungenau, da der Promillegehalt von vielen Faktoren wie Gewicht, Geschlecht, Gewöhnung und genetischer Veranlagung abhängt.

Die Apparatur von damals glich eher einem transportablen Chemielabor als einem mobilen Testgerät. Die in einem Ballon eingefangene Luft wurde mit einer chemischen Lösung vermischt, die ihre Farbe änderte, falls Alkohol im Spiel war. Je stärker die Farbveränderung, desto höher der Alkoholpegel. Dennoch war das Drunkometer mit seinem nasschemischen Verfahren ein erheblicher Fortschritt. Bis dahin gab es nur zwei verlässliche Möglichkeiten, den Alkoholpegel eines Menschen zu bestimmen: durch direkte Untersuchung des Blutes oder des Urins. Beide Methoden waren zwar effektiv, aber für den Einsatz am Straßenrand ungeeignet.

1953 kam in der Bundesrepublik die Zeit für Alkoholkontrollen, als am 24. Januar das „Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs“ in Kraft trat. Zuvor konnten betrunkene Fahrer nur bestraft werden, wenn sie einen Unfall verursacht hatten. Der Grenzwert wurde dann auf 1,5 Promille festgesetzt. In den Prüfröhrchen befand sich eine Mischung aus Schwefelsäure und gelbem Kaliumdichromat. Das in der Atemluft enthaltene Ethanol reagierte dabei mit den Chemikalien. Ein Überschreiten des Grenzwerts wurde durch eine grünliche Verfärbung angezeigt.

Ab den 1960er-Jahren stieg die Zahl der Autos rasant an und ebenso die der Verkehrsunfälle. Jedes fünfte Opfer war auf eine Alkoholfahrt zurückzuführen. Dennoch dauerte es bis 1973, dass die Promillegrenze im bundesdeutschen Straßenverkehr gesenkt wurde. Bei einem Alkoholpegel zwischen 0,8 und 1,29 Promille im Blut lag eine Ordnungswidrigkeit vor, ein höherer Wert konnte als Straftat gelten. Heute können Fahrfehler schon bei 0,3 Promille Konsequenzen haben. In der DDR war die Nulltoleranzgrenze von Alkohol im Straßenverkehr bereits seit 1956 festgeschrieben.

Ein Nachteil des Blasröhrchens bestand darin, dass es nur einmal verwendet werden konnte. Inzwischen ist es von digitalen Messgeräten abgelöst worden. Es gibt sie mit Halbleiter- und Infrarotsensoren, wegen ihrer Genauigkeit setzt die Polizei heute jedoch kleine Prüfer mit elektrochemischen Messzellen ein.

Ganz neue Möglichkeiten könnten künftig „transdermale“ Messungen eröffnen, bei denen die Alkoholkonzentration des Bluts durch die Haut festgestellt wird. Der Mythos bleibt ein Mythos, die Prüfgeräte ließen sich durch den vorherigen Genuss von Kaffee und Pfefferminzbonbons oder den Gebrauch von Atemsprays überlisten. Auch Messgeräte für den Hausgebrauch taugen häufig nur als Partygag, denn sie sind meist nicht geeicht und können vom Ergebnis der Polizeikontrolle erheblich abweichen.