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„Alle ein bis zwei Jahre stürzt ein Windrad um“

Die SZ hat mit dem Betreiber des Streumener Bürgerwindrades über Sturmschäden, tote Tiere und Millionenpläne gesprochen.

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© Sebastian Schultz

Wülknitz. Ende 2015 ist im Windpark Streumen-Glaubitz Sachsens erstes Windrad ans Netz gegangen, das von einer Genossenschaft betrieben wird. Inzwischen ist mit 2016 das erste komplette Windjahr für die Anlage vorbei. Zeit, mit Vorstandsmitglied Jan Stoye von der Betreibergenossenschaft Egneos aus Dresden Bilanz zu ziehen.

Jan Stoye ist Vorstand im Ehrenamt bei der Energiegenossenschaft Egneos. Der Dresdner arbeitet für die Grünen im Sächsischen Landtag.
Jan Stoye ist Vorstand im Ehrenamt bei der Energiegenossenschaft Egneos. Der Dresdner arbeitet für die Grünen im Sächsischen Landtag. © Sebastian Schultz

Herr Stoye, vor einer Woche ist nahe Leisnig ein Windrad wegen Sturmböen umgekracht. Besteht die Gefahr beim Streumener Bürgerwindrad auch?

Grundsätzlich ja, aber von den 26 000 Windrädern in Deutschland fällt nur alle ein bis zwei Jahre eins um. Im Fall von Leisnig handelt es sich auch um ein altes Windrad. Unseres ist aus einer neueren technischen Generation, die sich zum Beispiel selbst aus Sturmböen herausdreht.

Wenn es so eine Havarie gäbe, was würde das für Ihre Mitglieder bedeuten?

Wir sind gegen Sturm- und Feuerschäden versichert und insgesamt sehr auf Sicherheit aus. Der Hersteller des Windrads garantiert uns per Wartungsvertrag, dass das Windrad im Jahresverlauf 97 Prozent der Zeit technisch verfügbar ist. Liegt die Verfügbarkeit darunter, gleicht der Hersteller den Ertragsausfall finanziell aus.

War das 2016 nötig?

Nein, im Jahresschnitt gesehen hatten wir eine Verfügbarkeit von 98 bis 99 Prozent.

Bei der Energieausbeute sah es nicht ganz so rosig aus...

Wir lagen 2016 bei 93 Prozent des prognostizierten Ertrags. Das Windjahr war neben 2014 eins der schwächsten, wenn man sich die vergangenen 15 Windjahre in Sachsen anschaut. Ich glaube, dass die nächsten Jahre wieder besser werden.

Können Sie Ihren Mitgliedern denn für 2016 überhaupt Zinsen und Dividende zahlen?

Die Darlehenszinsen zahlen wir selbstverständlich, das haben wir auch 2015 gemacht. Für die Dividende müssen wir den Jahresabschluss im Mai abwarten. Wenn es einen Überschuss gibt, können die Mitglieder auch eine Ausschüttung beschließen.

Wird es ein Plus geben, wenn das Windjahr 2016 so bescheiden war?

Ich bin optimistisch, dass wir einen kleinen Überschuss haben werden.

Ein SZ-Leser hat das Bürgerwindrad als Hochrisikoanlage im Vergleich zu Genossenschaftsbanken bezeichnet. Liegt er damit falsch?

Das ist sehr schwer vergleichbar. Banken sind stark privilegiert. Wenn ihnen die Pleite droht, werden sie vom Staat gerettet. Das ist bei uns nicht so. Die Zahlen unserer Genossenschaft werden jedes Jahr von unabhängigen Prüfern geprüft, die bei drohender wirtschaftlicher Schieflage Hinweise geben. Es gibt also Kontrollmechanismen.

Der Leser wirft dem Windrad auch vor, für den Tod von Vögeln und Fledermäusen verantwortlich zu sein ...

Naturschützer haben sich deshalb noch nicht bei uns beschwert. Der Schutz gefährdeter Tierarten hat bei der Genehmigung der Anlage eine große Rolle gespielt. Um Fledermäuse zu schützen, stellt sich das Windrad im Sommer zu bestimmten Tageszeiten und Umgebungstemperaturen ab. Die Anlage verfügt außerdem über einen Batcorder – ein Gerät, das Fledermausrufe aufzeichnet. Die Aufnahmen werden jetzt ausgewertet, um weitere Schutzmaßnahmen abzuleiten. Dass einzelne Tiere durch die Anlage sterben, kann man leider nicht hundertprozentig ausschließen.

Verursacht das Bürgerwindrad Gesundheitsprobleme bei Menschen?

Auch da hat sich niemand bei uns gemeldet. Natürlich haben uns Bewohner aus Nachbardörfern gesagt, dass sie die Geräusche aus dem Windpark hören. Dass Windräder Geräusche machen, ist auch gar nicht zu bestreiten. Genauso wenig wie den Infraschall, also den tieffrequenten Schall ...

... dem nicht wenige Windkraft-Kritiker schlimme Effekte nachsagen ...

Aber nicht nur Windräder geben Infraschall ab. Auch Autos, Waschmaschinen, Kühlschränke. Manche Menschen reagieren da sehr sensibel. Aber welche Quelle verantwortlich ist, ist meist schwierig zu sagen. Ich kenne keine seriöse Untersuchung, die Windparks als Krankheitsauslöser benennt.

Jeder achte Euro für das Windrad kommt derzeit aus Wülknitz und Röderaue. Sind es viele Mitglieder mit kleinen oder wenige mit großen Beträgen?

In der Umgegend sind es schon eher große Beträge. Wie hoch sie sind, möchte ich mit Rücksicht auf die Mitglieder nicht sagen. Es gibt auch ein, zwei Leute aus der Region, die mit 500 Euro dabei sind.

Von den 5 Millionen Euro Gesamtkosten für das Bürgerwindrad wollten Sie die Hälfte über Mitglieder einwerben. Jetzt stehen Sie bei 1,1 Millionen. War das Anfangsziel zu ambitioniert?

Das würde ich nicht sagen. Wir wollten mindestens 20 Prozent Eigenkapital schaffen, das ist mit der Million gelungen. Andere Projekte dieser Art haben zehn Prozent.

Trotzdem werben Sie weiter?

Ja, wir haben die Beteiligungsfrist verlängert. Ich denke, wir können 1,5 Millionen Euro Bürgerbeteiligung schaffen. Ende Juli ist dann aber Schluss, wir wollen uns auf neue Projekte konzentrieren.

Was für welche?

Wir haben Ideen für ein Nahwärmenetz in einem Dorf zwischen Dresden und Großenhain, das ist schon recht konkret. Auch ein zweites Bürgerwindrad ist angedacht.

Hier in der Gegend?

In Sachsen werden gerade die Regionalpläne und die Windgebiete überarbeitet, wir sind da an vier, fünf Standorten dran und hoffen, dass es bei einem klappt.

Zurück nach Streumen: Kann man 2017 wieder auf das Bürgerwindrad hinauf?

Ja, beim Windradfest im April und beim Dorffest im August wollen wir wieder Aufstiege verlosen. Das kam 2016 gut an, auch unsere Mitglieder stehen Schlange. Es gibt sogar jemanden, der nur deswegen bei uns eingetreten ist. Wir gehören zu den Letzten, die das überhaupt noch anbieten. Sicherheitsgurte anlegen, mit der Aufstiegshilfe hochfahren – das ist aufwendig. Man muss je eine Stunde pro Aufstieg rechen – in der kein Strom produziert wird.

Warum lassen Sie es nicht bleiben?

Wir sehen das als Teil unseres Auftrags, vielen Menschen das Thema Energiewende und erneuerbare Energien nahezubringen.

Das Gespräch führte Eric Weser.